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Jagd auf korrupte Beamte in Russland

Seit einigen Wochen decken russische Ermittler einen Korruptionsfall nach dem anderen auf, hohe Beamte mussten gehen, und kremlfreundliche Zeitungen so wie das vom Kreml gelenkte Fernsehen schlachten die Skandale in aller Breite aus.

Von Gesine Dornblüth | 03.12.2012
    Die Reihe "Der Sonderkorrespondent" im russischen Staatsfernsehen. Moderator Arkadij Mamontow kündigt Brisantes an:

    "Heute reden wir über die sogenannte Bürokratie. Bürokratie ist für uns ein Schimpfwort geworden. Was ist das für eine Kraft in grauen Anzügen, die Reformen sabotieren, Gesetze boykottieren und unser Schicksal beschließen kann? Wie kann man diese Beamten in die Schranken weisen?"

    Mamontow beschimpft in seinen Sendungen sonst gewöhnlich die politische Opposition. Die Künstlerinnen von Pussy Riot setzte er mit Schlangen gleich, die Russland im Auftrag der USA von innen zersetzen wollten. Nun also geht es gegen das Beamtentum. Bereits vor einigen Wochen hatte Mamontow eine Sendung der Korruption im Verteidigungsministerium gewidmet. Verteidigungsminister Anatolij Serdjukow musste Anfang November gehen. Nun steht Putins ehemalige Landwirtschaftsministerin Jelena Skrynnik am Pranger. Sie soll, Recherchen des Staatsfernsehens zufolge, umgerechnet etwa eine Milliarde Euro aus der Staatskasse veruntreut haben.
    Seit Wochen kommen in Russland immer neue Korruptionsaffären ans Licht, und die kremltreuen Medien berichten in bisher nicht da gewesener Ausführlichkeit darüber. Mitte November wurde ein Bericht des Rechnungshofes bekannt, nach dem bei der Vorbereitung des Asien-Pazifik-Gipfels im Fernen Osten Russlands annähernd 400 Millionen EURO unterschlagen wurden. Der APEC-Gipfel im September war ein milliardenschweres Prestigeprojekt. Der stellvertretende Minister für Regionalentwicklung sitzt inzwischen in Untersuchungshaft. Und dann war da noch die Affäre um Glonass, das russische satellitengesteuerte Navigationssystem. Dort kamen knapp 2,5 Milliarden Euro abhanden. Der Chef des Staatsbetriebes musste gehen.

    Beobachter des Politikbetriebes in Moskau diskutieren nun, wie die jüngsten Enthüllungen zu bewerten sind.

    Gleb Pavlovskij, ehemals Berater Putins, glaubt nicht an einen echten Kampf gegen Korruption. Im Radio Sender Echo Moskwy wies er darauf hin, dass Köpfe bisher auffälligerweise lediglich in solchen Bereichen der russischen Wirtschaft rollten, in denen es noch um vergleichsweise wenig Geld gehe. Die viel größere Korruption im Rohstoffsektor dagegen, so Pavlovskij weiter, werde Putin nicht anrühren – aus gutem Grund.

    "Korruption macht den Kern unserer Wirtschaft aus. Wenn sie wegfällt, bricht unsere Wirtschaft zusammen. Einfach weil die Motivation entfällt."

    Befürworter Putins wie der Politologe Alexej Muchin sprechen dagegen von nötigen Säuberungen innerhalb der Machtelite. Putin beweise Entschlossenheit. Die Frage ist allerdings, wie das bei der Bevölkerung ankommt.

    Einige Experten meinen bereits, die immer neuen Enthüllungen könnten Putin langfristig sogar schaden. Denn wenn die Menschen sähen, dass sogar ein Minister gehen müsse, dann zeige das doch nur, dass wohl die gesamte Obrigkeit korrupt sei.

    Sergej Markow, ehemaliger Duma-Abgeordneter der Kreml-Partei Einiges Russland, äußert indessen in der Fernsehsendung "Der Sonderkorrespondent" ein ganz eigenes Verständnis von Korruptionsbekämpfung. Es komme auf die Glaubwürdigkeit an.

    "Die Menschen müssen sehen, dass ihr wirklich gegen Korruption kämpfen wollt. Ihr müsst zwei oder drei eurer alten Freunde herausgreifen, die Milliardäre geworden sind, und sie einsperren. Das ist dann echter politischer Wille, und diese Zeit wird auch bei uns anbrechen."

    Bis es soweit ist, muss noch einiges passieren.

    Die der Korruption verdächtige ehemalige Landwirtschaftsministerin Skrynnik lebt in Südfrankreich - für die russischen Ermittlungsbehörden unerreichbar. Über den geschassten Verteidigungsminister Serdjukow heißt es, er habe bereits einen Beraterposten in Aussicht. Wladimir Putin sagte dazu:

    "Wenn er eine neue Arbeit sucht, dann sollte man ihn daran nicht hindern. Er hat das Recht zu arbeiten."