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Jahrbuch Friedens- und Konfliktforschung
Zu viele Rüstungsexporte, zu wenig Aufnahme von Flüchtlingen

Im diesjährigen Jahrbuch der deutschen Friedens- und Konfliktforschung geht es auf 350 Seiten um viele Konflikte weltweit. Angesichts der Eskalation in der Ukraine beginnt das Gutachten aber mit einem europapolitischen Schwerpunkt: Die EU habe schwere Fehler begangen.

Von Klaus Remme | 03.06.2014
    Zwei Kämpfer der Bevölkerungsmiliz des Donbass stehen an einem Checkpoint in der Nähe des Dorfes Peski in der Ost-Ukraine, im Hintergrund steht ein Panzer.
    Die Situation im Osten der Ukraine bleibt angespannt. (dpa picture alliance / Natalia Seliverstova)
    Es ist das Jahrbuch der deutschen Friedens- und Konfliktforschung, 1987 ist das jährliche Gutachten zum ersten Mal erschienen. Auf mehr als 350 Seiten bieten die Institute aus Heidelberg, Duisburg, Hamburg, Frankfurt und Bonn eine tour d'horizon der globalen Krisen. Keine Selbstverständlichkeit, so Bruno Schoch von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, HSFK.
    "Es sind fünf Institute und die sind natürlich auch Konkurrenten untereinander. Es geht um knappe Drittmittel. Ich finde es umso beachtlicher, wenn man das seit Jahren kontinuierlich zusammen macht."

    Angesichts der Eskalation in der Ukraine beginnt das Gutachten mit einem europapolitischen Schwerpunkt. Das Friedensprojekt EU sei nicht am Ende, es müsse gestärkt werden, so die Erkenntnis. Die EU habe schwere Fehler begangen, so sei Kiew vor eine inakzeptable Entweder oder Wahl gestellt worden. Ines Jaqueline Werkner von der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft:

    "In der gegenwärtigen Situation verbleibt vor allem auf Dialog, Vertrauensbildung, Rüstungskontrolle und bilaterale Bemühungen zu setzen, um eine Stabilisierung der Ukraine zu erreichen."

    Dezentrale runde Tische gehören zu den Empfehlungen, eine Stärkung der OSZE aber auch konkrete Forderungen der Arbeitsgruppe, die Rüstungsexporte insgesamt verurteilt:

    "So bezog Russland zwischen 2008 und 2012 Militärgüter aus der EU im Wert von 925 Millionen Euro, vornehmlich aus Frankreich, Italien und Deutschland. Wir fordern die Einstellung der aktuellen Großgeschäfte und ein umfassendes Waffenembargo der EU gegen Russland."
    Deutschland sollte deutlich mehr Flüchtlinge aufnehmen

    Kaum ein kontroverses Thema, dass nicht genannt wird, Asyl für Edward Snowden, eine negative Bilanz nach den Kriegsjahren in Afghanistan und vor allem stärkere humanitäre Hilfe für Syrien, nur drei Aspekte des aktuellen Gutachtens. Und die Institute sind nicht immer einer Meinung, da gibt es Hoffnungen auf größere diplomatische Erfolge bei Margret Johannsen vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg und eher Resignation bei Bruno Schoch von der HSFK:

    "Denken Sie an die Bilder, die jetzt in den Medien kommen, dass jetzt in den Gegenden, die das Regime unter Kontrolle hat, der Präsident gewählt wird. Das ist doch einfach ein Hohn. Was wollen Sie da mit diplomatischen Mitteln noch machen?"

    Wenn eine politische Lösung für Syrien noch weit entfernt ist, und so hat es der Bundesaußenminister vor wenigen Tagen noch formuliert, ist humanitäre Hilfe für Flüchtlinge umso dringlicher, meinen die Herausgeber des Gutachtens kritisch. Ines Jacqueline Werkner:

    "Geradezu skanalös sind die deutsche und die europäische Aufnahmepolitik. Wir appellieren an die Bundesregierung, angesichts der humanitären Katastrophe mindestens 200.000 syrische Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen."

    200.000, das etwa das zehnfache der bisherigen Zusagen der deutschen Politik. Bei seiner Libananon-Reise musste Frank Walter Steinmeier vor einigen Tage auch Ratschläge hören, von eben solchen Angeboten abzusehen, die Aussicht, nach Deutschland auszureisen, könnte den endlosen Flüchtlingsstrom noch verstärken, so das Argument. Vor Ort plädieren die Institute im Friedensgutachten für eine Luftbrücke, wie sie Rupert Neudeck von der Organisation Grünhelme vorgeschlagen hat. Logistisch eine riskante Angelegenheit. Der Brückenkopf in Syrien müsste entsprechend sicher sein, um eine Versorgung zu gewährleisten. Wie soll dieser Schutz garantiert werden:

    "Es ist nicht die Idee einer verkappten Intervention", fügt Bruno Schoch von der HSFK hinzu. Momentan ist auch keine Bereitschaft zu erkennen, die Flüchtlinge in Syrien durch internationales Engagement zu schützen.