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Jahrelange Bargeldzahlungen an prominente Politiker

In den 80er Jahren erschütterte die Flick-Parteispendenaffäre die Bonner Republik. Doch obwohl nahezu alle Parteien Geld über teilweise dubiose Spendenvereine erhalten hatten, kam es nur zu einem spektakulären Prozess: Vor dem Bonner Landgericht mussten sich die ehemaligen Minister Friderichs und Lambsdorff 1985 gegen den Vorwurf der Bestechlichkeit verteidigen.

Von Norbert Zähringer | 29.08.2005
    Der Prozess am 29. August 1985 vor dem Bonner Landgericht begann mit Verzögerungen. Die Verteidiger stellten Befangenheitsanträge gegen die Schöffen. Die - ein Koch aus Königswinter und eine Hausfrau aus Bonn -, könnten aufgrund der Vorverurteilung ihrer Mandanten in den Medien, nicht zu einem unabhängigen Urteil kommen. Angeklagt waren der Flick-Manager Eberhard von Brauchitsch, sowie die beiden früheren FDP-Wirtschaftminister Hans Friderichs und Otto Graf Lambsdorff wegen Bestechung, Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung. Die Politiker sollten vom Flick-Konzern Geld angenommen haben. In der Anklageschrift hieß es:

    "Es besteht der hinreichende Verdacht, daß die Vorteilsnehmer den Zweck der Bargeldzahlungen erkannt, und sich bereit gefunden haben, den Zahlungen Einfluß auf ihre Ermessensentscheidungen einzuräumen."

    Der Ursprung der Affäre lag im Jahr 1975. Damals verkaufte Friedrich Karl Flick Aktien der Daimler Benz AG für rund zwei Milliarden Mark an die Deutsche Bank. Um anfallende Steuern in Höhe von 986 Millionen Mark zu sparen, plante er den Gewinn in andere Beteiligungen zu reinvestieren. Gesetzliche Voraussetzung für eine Steuerbefreiung ist allerdings die "besondere volkswirtschaftliche Förderungswürdigkeit" der Investitionen, die das Wirtschaftministeriums bestätigen muss. Von Anfang an betrieb Flicks Generalbevollmächtigter von Brauchitsch bei der sozialliberalen Regierung intensive Lobbyarbeit für das Vorhaben. Er notierte:

    "Friderichs hat mir abschließend gesagt, er stünde uns zu jeder Tages- und Nachtzeit zur Verfügung. Er sei jederzeit von mir erreichbar. Ich habe ihm, auch im Namen des Hauses, sehr herzlich für seine loyale Haltung gedankt."

    1981 stießen Steuerfahnder auf ein Kassenbuch des Flick-Chefbuchhalters Rudolf Diehl, in dem jahrelange Bargeldzahlungen an prominente Politiker von CDU/CSU, FDP und SPD verzeichnet waren, auch die Namen Helmut Kohl und Franz Josef Strauß fanden sich in der Aufstellung. Mehrere Beträge in Höhe von insgesamt 375.000 Mark trugen den Vermerk "wg. Friderichs", Auszahlungen von insgesamt 135.000 DM den Vermerk "wg. Graf Lambsdorff". Waren das wirklich nur Parteispenden zur "Pflege der politischen Landschaft", wie von Brauchitsch behauptet? Vor seinem Rücktritt im Juni 1984 ließ Lambsdorff über seinen Sprecher Dieter Vogel erklären: "Ich habe zu keiner Zeit Beraterhonorare von der Firma Flick erhalten."

    Der Prozess dauerte fast eineinhalb Jahre. Die "Diehl-Liste" ist dabei weniger beweiskräftig als erwartet, denn ob und wann das Geld den mit "wg." bezeichneten Personen tatsächlich übergeben wurde, konnte der als Zeuge geladene Buchhalter nicht sagen. Richter Hanns-Hennig Buchholz meinte später:

    "Nahezu alle Zeugen fielen durch ihr schlechtes Erinnerungsvermögen auf. Die beiden häufigsten Antworten lauteten "Das weiß ich nicht" und "ich kann mich nicht erinnern". So richtig schön versagte die Erinnerung immer dann, wenn es zum Kern der Sache ging."

    Das Urteil erging am 16. Februar 1987. Vom Vorwurf der Bestechung wurden alle Angeklagten freigesprochen, da das Gericht nicht glaubte, dass Zahlungen konkrete Entscheidungen der Minister tatsächlich beeinflusst haben, auch weil beide aus ihrer Zustimmung zu Flicks Vorhaben nie einen Hehl gemacht hatten. Die allgemeine "politische Landschaftspflege", selbst mittels Bargeldspenden, ist nicht strafbar solange eine so genannte "Unrechtsvereinbarung" fehlt. Richter Buchholz erklärte in der mündlichen Urteilsbegründung:

    "Selbst wenn wir die sichere Überzeugung hätten gewinnen können, dass die Zahlungen an Dr. Friderichs und Graf Lambsdorff geleistet worden sind, hätte dies nicht zu einer Verurteilung führen können."

    Wegen Steuerhinterziehung und der Beihilfe dazu im Zusammenhang mit den Parteispenden erhielten von Brauchitsch eine Bewährungs-, Friderichs und Lambsdorff jeweils Geldstrafen. Der ehemalige Flick-Manager sagte nach dem Prozess: "Meine Verteidiger haben schlüssig nachgewiesen, dass ich keine Steuern hinterzogen habe, dann muss man ein solches Urteil als Fehlurteil ansehen."

    Während konservative Politiker das Strafmaß als überzogen geißelten, da sich keiner der Angeklagten persönlich bereichert habe, empfanden es andere als zu milde, so auch der Grünen-Abgeordnete Otto Schily:

    "Man müsste sehr sorgfältig einmal untersuchen, wie die Normalbürger in vergleichbaren Fällen behandelt würden. Das ist so Gerechtigkeit de Luxe die man den Angeklagten verabreicht hat. Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen."