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Jahresrückblick Europa 2018
Das Krisenmanagement der EU war gefragt

Die Europäische Union hatte 2018 vor allem mit Krisen und Probleme zu kämpfen, die sie nicht in erster Linie selbst zu verantworten hatte: Brexit, Ukraine, Trumps Erschütterungen der internationalen Ordnung, der Handelskonflikt mit den USA. Erfolge gab es nur im Kleinen.

Von Bettina Klein | 31.12.2018
    Fahne der EU vor der Europäischen Kommission in Brüssel und eine kleine Fahne Großbritanniens
    Der Brexit hat Europa im vergangenen Jahr besonders beschäftigt (dpa)
    Das Jahr begann auch in Brüssel mit dem Warten auf eine Regierung in Deutschland - und endet mit einer deutschen Kanzlerin, die für manche nur noch eine auf Abruf ist. Ein energischer deutsch-französischer Motor – Fehlanzeige. Stattdessen verwaltete die EU 2018 vor allen Dingen Krisen und Probleme, die sie nicht in erster Linie selbst zu verantworten hat. Der Brexit, die Ukraine-Krise, Trumps Erschütterungen der internationalen Ordnung, der Ausstieg aus dem Iran-Deal, der Handelskonflikt mit den USA.
    "Wir sind Freunde, wir sind Verbündete, wir können doch unmöglich eine Bedrohung für die nationale Sicherheit sein", sagte Cecilia Malmström, die Handelskommissarin. Denn mit dieser Begründung hatte der US-Präsident die Verhängung von Strafzöllen angekündigt, um den Kongress zu umgehen. An ihr war es vor allem, die schwierigen Verhandlungen hinter den Kulissen zu führen. Bis Jean-Claude Juncker höchstpersönlich am 24. Juli in Washington so etwas wie einen "Deal" erreichte.
    Ergebnis: Der Handels-Konflikt ist allenfalls vertagt, keineswegs gelöst. Auch beim Iran-Abkommen stand die EU gemeinsam mit Russland und China plötzlich alleine da.
    Eigenständigkeit der EU wird dringlicher
    "Besonders die Zahlungskanäle sollten gesichert werden, damit der Handel mit Öl und Raffinerieprodukten aufrechthalten bleibt", so Fedeirca Mogherni, die Außenbeauftragte, als deren persönlicher Stolz das Nuklearabkommen gilt. Sie versprach dem Land wirtschaftlich zur Seite zu stehen - unter Umgehung der US-Sanktionen. Doch viele große Firmen folgen bereits dem amerikanischen Beispiel. Außenpolitisch konnte sich die EU nicht durchsetzen.
    Angesichts der Verschiebung der Kräftegewichte wird die Frage nach der Eigenständigkeit und Handlungsfähigkeit der Europäischen Union immer dringlicher.
    "Die Zeiten, in denen wir uns vorbehaltlos auf andere verlassen konnten, die sind eben vorbei. Und das heißt nichts anderes, als dass wir als Europäer unser Schicksal stärker in die eigene Hand nehmen müssen, wenn wir überleben wollen als Gemeinschaft."
    Die Kanzlerin im November vor dem Europäischen Parlament.
    "Wir sollten an der Vision arbeiten, eines Tages auch eine echte europäische Armee zu schaffen… Und das ist ja keine Armee gegen die NATO, ich bitte Sie!"
    Eine europäische Armee – lange ein Tabu und bis heute eine rote Linie für die NATO, falls damit Parallelstrukturen oder Konkurrenz gemeint sind. Ein starker europäischer Pfeiler in der NATO ist erwünscht. Ersetzt werden kann und soll das Militärbündnis mit Hauptquartier in Brüssel für die kollektive Verteidigung Europas auf keinen Fall.
    Zeitumstellung oder doch nicht
    "Da haben ja viele Journalisten geschrieben: Der Reul, das ist der Spinner mit der Zeitumstellung."
    Und auch damit beschäftigte sich die EU im Jahr 2018.
    "Wenn das Argument für die Umstellung der Zeit damals – wir sparen Energie – hinfällig geworden ist, dann brauch ich keine Umfrage mehr, dann stelle ich den Normalzustand wieder her!"
    Eine Online-Umfrage hatte im Sommer ans Tageslicht befördert – die Bürger haben die Nase voll von der Zeitumstellung. Das heißt diejenigen, die sich an der Umfrage beteiligten. Und das waren vor allem Deutsche. Gesagt getan – die Zeitumstellung soll weg, schlug die Kommission vor. Jedes Land kann es künftig so spät haben, wie es will. Verwirrt von der neuen Freizügigkeit verständigten sich die Mitgliedstaaten darauf, erst mal alles beim Alten zu lassen. Es herrscht Furcht vor einem "chronischen" Flickenteppich.
    "Es gibt kein Ost- oder Westeuropa, kein armes oder reiches, keines der großen oder kleinen Staaten, es gibt nur eine Europäische Union."
    Manfred Weber, der sich um den Spitzenposten der EVP für die Europawahl bewarb.
    "Dankeschön für Ihre Unterstützung!"
    Vor der Europawahl
    Und Frans Timmermans für die Sozialdemokraten. Zwei Spitzenkandidaten für die beiden größten Parteienfamilien im Europäischen Parlament wurden gekürt: Ob die ihren Status nach den Wahlen im Mai 2019 behalten werden, ist ungewiss. Klar ist nur, ungelöste Probleme bleiben und sind weitervertagt ins neue Jahr. Beispiel Migration: Nach der maltesischen und der estnischen Ratspräsidentschaft gelang es 2018 der bulgarischen und der österreichischen ebenfalls nicht, eine Dublin-Reform zu verabschieden. Zu groß ist der Streit um die Flüchtlingsverteilung.
    Auf der Habenseite bleiben wie so oft die vermeintlich kleinen Erfolge. Wie eine Strategie gegen Plastikmüll und neue Grenzwerte für den CO2-Ausstoß bei Autos.
    Doch das ganz große Fragezeichen bleibt der Brexit, der so viele Ressourcen in diesem Jahr, so viel Zeit und Energie 2018 gebunden hat. Die Regierung des Vereinigten Königreiches verständigte sich noch im November mit der Europäischen Union auf ein Austrittsabkommen. Doch am Ende des Jahres steht die völlige Ungewissheit, wie es weitergeht.
    "Nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein! Nachverhandeln – vorbei! Basta! Genug! Wir werden nicht mehr verhandeln, wir haben verhandelt!"
    Kaum drei Monate vor dem 29. März haben Großbritannien und die Europäische Union ihre Notfallpläne in den Schubladen zurechtgelegt.