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Jahrestag des AMIA-Attentats
Trauer und offene Fragen in Buenos Aires

Am 18. Juli 1994 kamen bei einem Attentat auf ein jüdisches Zentrum in Buenos Aires 85 Menschen ums Leben, 300 wurden verletzt. Wie jedes Jahr gedenken auch heute, 21 Jahre später, Angehörige der Opfer - und formulieren ihren Frust: Die Täter sind nie zur Rechenschaft gezogen worden. An Aufklärung scheint der Regierung nicht gelegen zu sein.

Von Julio Segador | 18.07.2015
    Menschen in Buenos Aires halten Plakate hoch - aus Protest gegen den mysteriösen Tod eines Staatsanwalts, der im Fall des Anschlags auf das jüdische Gemeindezentrum Amia 1994 mit 85 Toten ermittelte.
    Demonstrationen in Buenos Aires: Die Menschen fordern Aufklärung zum mysteriösen Tod des Staatsanwaltes Nisman, der im Fall AMIA ermittelte. (afp / Alejandro Pagni)
    Es ist ein Ritual seit 21 Jahren, in der Straße Pasteur 633 mitten in Buenos Aires.
    Um Punkt 9.53 Uhr heult an der Zentrale des jüdischen Zentrums AMIA die Sirene los. Es war die Uhrzeit, als am 18. Juli 1994 – vor genau vor 21 Jahren - eine Autobombe die AMIA auslöschte. Die Bilanz des Attentats damals: 85 Tote, mehr als 300 Verletzte, über 100 zerstörte Gebäude.
    Und auch das gehört zu dem jährlichen Ritual am Jahrestag des Terroranschlags. Die Namen der Opfer werden öffentlich vorgelesen, Name für Name.
    Andrea Guterman ist eines der Opfer. Ihre Mutter Sofía Guterman erinnert sich noch genau an diesen 18. Juli vor 21 Jahren. Ihre Tochter Andrea hatte sich schon auf den Weg gemacht zur Jobbörse im jüdischen Zentrum AMIA, wo sie arbeitete:
    "Sie ging immer pünktlich zur Arbeit. Vormittags rief dann mein Mann an und berichtete: Sie haben die AMIA in die Luft gejagt. Andrea war also schon auf dem Weg. Ich blieb zu Hause, wartete hier auf sie. Auch mein Mann kam von seiner Arbeit hierher zurück. Wir haben dann sieben Tage und sieben Nächte nach ihr gesucht, dann fanden wir ihren Körper."
    Bis heute ist der Anschlag ungesühnt. Keiner der Täter wurde verurteilt. Die Ermittlungen haben ergeben, dass die Spur der Täter in den Iran und nach Syrien führt, zu islamistischen Fundamentalisten, die der Hisbollah nahestehen. Dass bis heute keiner der Täter zur Rechenschaft gezogen wurde, sorgt bei der jüdischen Gemeinde in Buenos Aires für Empörung. Ebenso der Tod von Staatsanwalt Alberto Nisman, der vor genau sechs Monaten in seiner Wohnung tot aufgefunden wurde. Nisman ermittelte die Hintergründe des Attentats, er hatte Präsidentin Cristina Kirchner beschuldigt, die Ermittlungen zu torpedieren. Ariel Cohen Sabban, der Schatzmeister der AMIA, fordert eine lückenlose Aufklärung des Todesfalles.
    Angehörige mit vielen offenen Fragen
    "Der Tod von Staatsanwalt Alberto Nisman war ein traumatisches Ereignis für die argentinische Gesellschaft. Ein Ereignis, dass ein Echo des 18. Juli 1994 erzeugte."
    Bis heute steht nicht fest, ob Staatsanwalt Nisman Selbstmord beging oder umgebracht wurde. Bei der AMIA-Gedenkveranstaltung war auch Iara Nisman anwesend, die Tochter des Sonderstaatsanwaltes. Sie ließ einen Brief vorlesen, den sie selbst verfasst hatte.
    "Ich habe gesehen, wie hart mein Vater dafür gearbeitet hat, dass Gerechtigkeit geschieht. Und er hat mir viele Einzelheiten erzählt, was hinter dem Attentat steckt. Ich bitte sie, dass sie uns begleiten und uns helfen, die Wahrheit zu erfahren, was mit meinem Vater geschah. Er kann sich nicht mehr verteidigen."
    Die ungesühnte Tat vor genau 21 Jahren, der mühsame Kampf um Gerechtigkeit, die Frustration weil nichts vorangeht. Zu den offenen Fragen zum AMIA-Attentat 1994 kommen inzwischen die vielen Fragenzeichen nach dem Tod von Alberto Nisman hinzu. Der Tod jenes Mannes, der beim AMIA-Attentat Licht ins Dunkle bringen wollte.