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Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein
Abschiebungen sind Thema bei Koalitions-Verhandlungen

Nach dem schweren Anschlag im Diplomatenviertel von Kabul ist die Diskussion, ob Abschiebungen nach Afghanistan vertretbar sind, wieder neu entbrannt. Um einen möglicher Abschiebestopp wird es auch in Kiel gehen: Vertreter aus CDU, Grünen und FDP müssen schauen, ob sich trotz konträrer Positionen die angestrebte Jamaika-Koalition schmieden lässt.

Von Johannes Kulms | 01.06.2017
    Die Verhandlungsführer Heiner Garg (FDP, l-r), Daniel Günther (CDU) und Monika Heinold (Bündnis 90/Die Grünen) sprechen am 24.05.2017 in Kiel (Schleswig-Holstein) nach den ersten Verhandlungen über eine "Jamaika"-Koalition mit Journalisten.
    Koalitionsverhandlungen in Kiel beginnen: Die Verhandlungsführer Heiner Garg (FDP, l-r), Daniel Günther (CDU) und Monika Heinold (Bündnis 90/Die Grünen) (dpa / picture alliance / Carsten Rehder)
    Im Landtagswahlkampf hatten die Grünen sich vehement gegen Abschiebungen nach Afghanistan eingesetzt. Nach dem schweren Anschlag in Kabul sieht Fraktionschefin Eka von Kalben sich bestätigt: Die von Bundesinnenminister Thomas de Maizière ausgesetzte Sammelabschiebung zeige: Der schleswig-holsteinische Weg eines Abschiebestopps nach Afghanistan ist der richtige. Nun müsse die Bundesregierung einen bundesweiten Abschiebestopp umsetzen, fordert von Kalben.
    Auch Monika Heinold, Spitzenkandidatin der Grünen stellt klar:
    "Für uns Grüne ist das Thema Flüchtlinge, Abschiebestopp, Integration, Familiennachzug, ein riesengroßes, ganz wichtiges Thema", sagt Monika Heinold, die Grünen-Spitzenkandidatin.
    Doch CDU und FDP – die Parteien, mit denen die Grünen womöglich schon sehr bald in Kiel in einem sogenannten Jamaika-Bündnis zusammen regieren – vertreten bei dem Thema gänzlich andere Positionen. Heinold hält sich bedeckt bei der Frage, ob und wie sich der Anschlag von Kabul auf die Koalitionsverhandlungen auswirken könnte: "Rote Linien haben wir intern – aber nicht nach außen."
    Zunächst geht es um die Finanzen
    Tatsächlich steht die Flüchtlingspolitik erst auf der Agenda der vierten Verhandlungsrunde der drei Parteien. Bei der ersten großen Koalitionsrunde an diesem Donnerstagvormittag geht es erst einmal um das Thema Finanzen. Als amtierende schleswig-holsteinische Finanzministerin weiß Heinold: beim Thema Geld liegen Grüne, CDU und FDP gar nicht so weit auseinander.
    "Wir sind als Grüne sehr sparsam in den Wahlkampf gegangen, haben fast nichts versprochen, die CDU hat sehr viel versprochen, das muss jetzt irgendwie zusammenkommen. Das muss vor allem in den Finanzrahmen passen irgendwie. Ich bin aber optimistisch, dass wir das miteinander hinbekommen."
    "Wir kriegen das hin", meint auch Hans-Jörn Arp mit Blick auf das gesamte Projekt Jamaika. Arp ist Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU und sitzt für seine Partei im Kernteam der Koalitionsverhandlungen.
    "Hier in Schleswig-Holstein sind die Grünen mal entstanden bei der AKW-Bewegung, das darf man nicht vergessen. Hier standen sich mal zwei Parteien – CDU und Grüne – sehr, sehr schwer gegenüber mit der Kultur. Und das hat sich in den letzten Jahren verändert. Natürlich haben sich auch die Positionen verändert."
    Und doch bleiben beträchtliche Differenzen: Neben der Flüchtlingspolitik betrifft das die Felder Verkehr, Umwelt aber auch Bildung und Landwirtschaft. Arp hält die Unterschiede jedoch für überbrückbar und sieht Vertrauen, das in den letzten Jahren zwischen den Abgeordneten von CDU und Grünen gewachsen sei.
    Der 64-Jährige verteidigt auch den straffen Zeitplan der Koalitionsverhandlungen: Der sieht bereits für den 13. Juni den Abschluss eines Vertrags vor. Am 28. Juni soll dann Daniel Günther zum neuen Ministerpräsidenten gewählt werden.
    "Das zeigt doch von allen Seiten, dass alle ein großes Interesse haben, an einer Koalition, an dieser gemeinsamen Koalition von Jamaika. Wenn man nicht das Interesse hätte, hätte man das auf lange Zeit gespielt."
    Zeit für ein Interview hat bei der schleswig-holsteinischen FDP an diesem Mittwoch keiner. Für die Liberalen ist die CDU der Wunschpartner. Doch auch mit den Grünen gibt es Schnittmengen – inhaltlich wie personell.
    Demonstrative Freundschaft: Kubicki und Habeck
    Seit Wochen scheinen die beiden Frontmänner Robert Habeck von den Grünen und Wolfgang Kubicki von der FDP in den Medien geradezu ihre Freundschaft zu zelebrieren.
    Andererseits ist Kubicki bei den Grünen auch nicht unumstritten. Finanzministerin Heinold wirft ihm sein Auftreten mit Bezug auf die marode landeseigene HSH-Nordbank vor. Vor drei Wochen zeigte sich die begeisterte Seglerin reserviert bei der Frage, ob sie Wolfgang Kubicki mit auf ihr Boot nehmen würde. Inzwischen klingt sie so:
    "Ich würd‘ ihn inzwischen schon eher mit drauflassen."
    Autor: "Das klingt aber irgendwie auch noch nicht so richtig enthusiastisch."
    "Wenn er möchte, ist er herzlich eingeladen."
    Am Ende muss doch einmal die Basis der schleswig-holsteinischen Grünen einen möglichen Jamaika-Koalitionsvertrag absegnen. Ob die Mehrheit reicht wird vor allem vom Verhandlungsgeschick Monika Heinolds und Robert Habecks abhängen.