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Jamaika-Koalition streitet über neue Heizanlagen

Im Saarland regiert die erste Jamaika-Koaliton, also FDP, Grüne und CDU gemeinsam. Beim Thema Atomausstieg und Energiewende sind im südwestlichsten Bundesland Kontroversen vorprogrammiert.

Von Tonia Koch | 23.06.2011
    Die designierte saarländische Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer von der CDU will nicht abseits stehen, nein, nur das nicht. Sie ist selbstverständlich für die von der Bundesregierung eingeläutete Energiewende.

    "Ich stehe voll und ganz zur Energiewende. Sie war und sie ist richtig."

    Allerdings versieht sie den neuen energiepolitischen Kurs ihrer Partei mit einem kräftigen: Aber! Der Hunger der Industrie nach preiswerter Energie müsse gestillt werden. Und in einem der reichsten Länder der Welt dürfe die Energiepolitik nicht zur sozialen Frage werden.

    "Die Witwe mit ihrer kleinen Rente muss sich auch im Winter die Heizkosten leisten können. Es darf und es kann nicht sein, dass sich Menschen, die sich ihr ganzes Leben lang für die Familie aufgeopfert haben, dass diese Menschen im Alter in ihrer Wohnung frieren. Das ist nicht die Energiewende, wie wir sie uns vorstellen."

    Mit dieser von Kramp-Karrenbauer ausgegebenen grundsätzlichen Ausrichtung energiepolitischer Weichenstellungen kollidiert allerdings der Entwurf für ein Energiewärmegesetz. Es soll Teil des saarländischen Energiemasterplanes werden. Der Entwurf stammt aus der Feder der grünen Umweltministerin Simone Peter. Sie hat konkret die privaten Hausbesitzer im Blick. Diese sollen dazu bewogen werden, veraltete Heizungsanlagen in den Altbausbeständen des Landes auszutauschen.

    "Es geht darum einen vernünftigen Rahmen zu konstruieren, der die Sanierungsrate erhöht, weil klar ist, wir müssen hier was machen. Das Saarland hat überdurchschnittliche Heizkosten und davon müssen wir runter kommen."

    In älteren Wohnhäusern lassen sich im energetischen Bereich erhebliche Effizienzreserven mobilisieren. Einer Studie des rheinisch-westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung zufolge gelten 70 Prozent der Heizungsanlagen in Gebäuden, die vor 1978 errichtet wurden, als veraltet. Vor allem Westdeutschland kennt viele Neubaugebiete, die in den 60er- und 70er-Jahren rund um die Ortskerne herum entstanden sind. Das Saarland ist damit gepflastert, es ist zudem das Bundesland mit der höchsten Eigenheimdichte. Und den Eigentümern soll nun auf gesetzlichem Wege mit Zwang begegnet werden. Wer eine über 30 Jahre alte Heizungsanlage im Keller hat, soll diese austauschen müssen. Zusätzlich muss dann, wenn die Anlage ausgetauscht wird, ein prozentual festgelegter Anteil der benötigten Leistung über erneuerbare Energien bereit gestellt werden. Für den Grünen Landesvorsitzenden Hubert Ulrich die richtige Vorgehensweise.

    "Ja, darüber müssen wir diskutieren, dass ein bestimmter Anteil Erneuerbare mit installiert werden muss, wenn eine Anlage sowieso neu installiert wird, darum geht es im Kern."

    Gegen jegliche Form von Zwang wehrt sich der Verband der Haus- und Grundeigentümer. Nicht allein deshalb, weil der Verband fürchtet, dass die in die Jahre gekommenen Hausbesitzer im Rentenalter keine notwendigen Kredite mehr bekommen, um die Öko-Auflagen zu erfüllen, sondern auch aus Gründen der Wirtschaftlichkeit. Die grundgesetzlich garantierten Eigentumsrechte erlaubten es jedem Hausbesitzer, sich gegen unwirtschaftliche Modernisierungsmaßnahmen zu wehren, argumentiert Michael Weiskopf, der Vorsitzende von Haus und Grund im Saarland.

    "Wenn ich ein älteres Haus hab' und ich muss 70.000 Euro investieren, dann stellt sich die Frage nach der Wirtschaftlichkeit, ist mein Haus dann auch 70.000 Euro mehr wert?"

    Die Frage der Wirtschaftlichkeit treibt auch die an der saarländischen Jamaika-Regierung beteiligte FDP um, zumal auch Unternehmen zu entsprechenden Investitionen gezwungen werden sollen. Die Forderungen nach einem Modernisierungszwang seien nicht von dieser Welt, kritisiert der liberale saarländische Wirtschaftsminister Christoph Hartmann.

    "Ansatz von uns ist, dass wir das ohne Zwang machen sollen und müssen. Und zwar unter unterschiedlichen Gesichtspunkten. Es geht zum einen darum, dass man Anreize schaffen muss und dass es natürlich um die Fragestellung geht, darf es eine Sonderbelastung sowohl der saarländischen Wirtschaft geben als auch unter sozialen Fragestellungen."

    An der sozialen Frage, an der Schwierigkeit, Härtefallregelungen zu gestalten, um Hausbesitzer und Mieter im Rahmen der energetischen Sanierung nicht zu überfordern, war der Bund bereits vor Jahren gescheitert. Bei der Erarbeitung des EEG, des Erneuerbare Energie-Gesetzes wurde deshalb darauf verzichtet, in Altbauten die Nutzung erneuerbarer Energien verbindlich vorzuschreiben. Und auch die für Ende des Monats geplante Novelle des EEG lässt den Gebäudebestand außen vor. Auflagen gibt es auch weiterhin lediglich für Neubauten. Stattdessen setzt die Bundesregierung auf finanzielle Anreize, die den Ländern allerdings nicht genügen. Umweltministerin Simone Peter.

    "Wir wollen Anreize setzen, damit die Menschen mitgehen und wollen in Richtung Bund das Signal setzen, wir brauchen mehr Fördermittel."

    Als einziges Bundesland hat Baden-Württemberg ein Gesetz, das die Besitzer von Altbauten verpflichtet, erneuerbare Energien einzusetzen, wenn sie neue Heizungsanlagen installieren. Die Erfahrungen damit sind jedoch alles andere als erfreulich. Die Menschen zögern Renovierungen hinaus, statt diese zu beschleunigen. Daraus sollte die grüne Umweltministerin im Saarland Lehren ziehen, finden CDU und FDP. Christoph Hartmann.

    "Also, um das mal ein bisschen flapsig zu sagen als Wissenschaftsminister: Lebenslanges Lernen gilt auch für die Politik."