Mittwoch, 24. April 2024

Archiv


Jamaika macht es mit links

Als er noch Kind war, da soll er mal gesagt haben: "Wenn ich groß bin, werde ich Bundeskanzler." Bundeskanzler ist Oskar Lafontaine nicht geworden, aber beim politischen Aschermittwoch im Saarland wurde er gefeiert wie ein Großer.

Von Tonia Koch | 10.03.2011
    Die Waldafingia-Halle ist proppenvoll. Zum Einzug spielt der örtliche Musikverein den Steigermarsch, das Lied der Bergleute

    Der politische Aschermittwoch in der Heimat Oskar Lafontaines, das ist Balsam für die Linke Seele. Dauergast Gregor Gysi weiß das; Klaus Ernst, der Bundesvorsitzende, weiß es jetzt auch.

    "Ich dachte immer das Zentrum des Aschermittwochs befindet sich in Bayern. Das ist ja falsch. Ihr seid ja viel mehr Leute als wir gerade in Passau waren, das ist ja klasse liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren."

    Die etwa 600, 700 Gäste hören ein wenig Polemisches zu Guttenberg, bekannte Positionen zum Krieg in Afghanistan und die sattsam bekannten Forderungen nach mehr sozialer Gerechtigkeit. Das Dreigestirn Ernst, Gysi Lafontaine demonstriert Einigkeit. Von der Kakofonie vergangener Tage war gestern Abend in Wallerfangen nichts zu spüren. Vor den anstehenden sechs Landtagswahlen habe man es geschafft, die Reihen zu schließen, sagt der Bundesvorsitzende.

    "Also, wir sind froh darüber, dass wir wieder geschlossen auftreten, die Querelen vorbei sind. Wir sind traurig darüber, dass im Verhältnis zu anderen Parteien zu wenig über unseren Inhalt berichtet wird. Das ist sozusagen die Lage."

    Die von Gesine Lötzsch losgetretene Kommunismus-Debatte, die vielerorts zu Parteiaustritten geführt hatte, gilt intern als beendet. Selbst Auseinandersetzungen über die eigene Regierungsfähigkeit finden im Moment nicht statt. In den Augen der Ost-Linken galten die Parteimitglieder aus dem Westen, allen voran die Galionsfigur Oskar Lafontaine, als Hüter politischer Maximalforderungen, unfähig zum Kompromiss. Der Saarländer hat dieses Image stets zu widerlegen versucht.

    "Ich glaube, hier sitzt jemand vor Ihnen, der als Ministerpräsident Erfahrung hat, die sonst kaum jemand vorzuweisen hat. Deshalb habe ich den Vorwurf der mangelnden Regierungsfähigkeit nie ernsthaft auf mich bezogen."

    Selbst das konservative Jamaika-Bündnis im Saarland ergreift Lafontaines rettende Hand. Er hat seine Landtagsfraktion davon überzeugt, dass es zum Wohle der Kinder ist, wenn die Linke den Regierungsplänen für eine Schulreform zustimmt. Das Bündnis aus CDU, Grünen und Liberalen benötigt eine Verfassungsmehrheit um neben dem Gymnasium eine Gemeinschaftsschule zu installieren. Die SPD will dafür die Hand nicht heben weil die Regierung ihre Forderung nach kleineren Klassen nicht erfüllen will. Also wird die Linke gebraucht. Kein Problem für Fraktionschef Lafontaine.

    "Wir mussten einen Kompromiss eingehen. Und sie haben natürlich recht, das ist, wenn sie so wollen, ein Blancoscheck. Denn es könnte sein, dass die Koalition auf der Grundlage der Verfassungsänderung das eine oder andere was sie jetzt öffentlich erklärt, nicht macht. Da haben wir keine Garantie für."

    Die angekündigte Zustimmung der Linken zur Schulreform ist eine strategische Meisterleistung. Sie setzt die CDU mächtig unter Druck. Denn schließlich hat sich die Union darauf verständigt, weder im Bund noch in den Ländern mit der Linken zu kooperieren. Die Saar-CDU will lieber nicht daran erinnert werden, sucht stattdessen nach Rechtfertigungsgründen für ihren Schmusekurs. Roland Theis, CDU-Generalsekretär.

    "Ergebnis ist doch, dass Herr Lafontaine hier aus einem strategisch, taktischen, parteipolitischen Kalkül heraus und dem verzweifelten Versuch heraus, die Linke salonfähig zu machen, meint, zustimmen zu müssen. Das ist ausnahmsweise in der Sache gut, weil das Konzept gut ist."

    Verzweiflung war nicht spürbar bei der Bekanntgabe der linken Kooperationsbemühungen mit Jamaika. Dass es allerdings eine taktische Entscheidung ist, die auch nach innen wirken soll, steht außer Frage. Denn wegen eines sogenannten Maulkorberlasses liefe die Saarländer Gefahr, sich den Unmut der Bundespartei zuzuziehen. Gemäß einem Parteitagbeschluss vom vergangen November sollten die Rechte von Parteimitgliedern massiv eingeschränkt werden, wenn der Verdacht besteht, dass sie sich parteischädigend verhalten. Dieser Paragraf 5 der Landessatzung der Linken ist jedoch mit der Bundessatzung unvereinbar und wurde deshalb von der Bundesschiedskommission wieder einkassiert. So manches Parteimitglied ist erleichtert.

    "Das die Berliner unsere Satzungsänderung abgelehnt haben, das halte ich für richtig, 100 pro dafür. Ich muss mit sogenannten Querulanten anders umgehen. Als Partei hab’ ich doch ein Selbstbewusstsein. Ich finde das richtig, das war ein Maulkorberlass."

    Warum trotz aller Bedenken die Regelungen zur Begrenzung parteischädigenden Verhaltens eine breite Mehrheit fand, habe mit den Verhältnissen vor Ort zu tun.

    "Weil das Anliegen, das dahinter steckt mitgetragen wird von allen. Ich weiß nicht, ob Berlin das so gesehen hat, wie es im Saarland tatsächlich ist."

    Tatsächlich herrscht Missgunst in den Reihen der Partei. Die Mitglieder bekämpfen sich wegen beleidigender Äußerungen vor Gericht. Nicht immer ist es Enttäuschung über verpatzte Aufstiegschancen, die Mitglieder gegen das Parteiestablishment opponieren lässt. Es häufen sich Parteiaustritte, die auch mit den nur rudimentär ausgeprägten kommunikativen Strukturen des Landesvorsitzenden Rolf Linsler begründet werden. Heike Meine.

    "Es war mir in diesem Landesvorstand zu diktatorisch."

    Linsler, der jahrzehntelang im Saarland der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi vorgestanden hat, wehrt sich. Die Partei sei ein Sammelbecken für viele, die sich zu Recht oder zu unrecht berufen, fühlten in die politische Arbeit einzusteigen. Man werde daher auf dem Bundesparteitag einen erneuten Vorstoß wagen, die Parteisatzung zu ändern, um gegen Querulanten vorgehen zu können.