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Japan
300.000 Tonnen C02 unter dem Meeresboden

In einer Versuchsanlage in Japan konnten in dreieinhalb Jahren 300.000 Tonnen Kohlendioxid abgeschieden und im Meeresboden gespeichert werden. Das staatlich finanzierte Projekt soll zur Verbesserung der Klimabilanz des Landes beitragen - doch die Methode bleibt umstritten.

Von Martin Fritz | 24.01.2020
Die CCS-Versuchsanlage in Tomakomai mit ihren drei markanten Metalltürmen
CO2-Verklappung auf Japans Nordinsel Hokkaido: Das Treibhausgas wird in den Meeresboden gedrückt (Japan CCS)
Pazifikwellen schlagen an den Strand von Tomakomai, eine Stadt auf Japans Nordinsel Hokkaido. Direkt hinter dem Strand erhebt sich eine Industrieanlage wie aus der Zukunft, mit drei markanten schlanken Metalltürmen im Zentrum. Im höchsten Turm wäscht eine Aminlösung das Kohlendioxid aus den Abgasen einer nahegelegenen Ölraffinerie. Dann verdichten die drei mächtigsten Kompressoren von ganz Japan das Treibhausgas und drücken es über kilometerlange Rohre bis in mehrere tausend Meter Tiefe in den Untergrund vor der Küste. Sensoren überwachen, dass nichts schiefgeht, berichtet Ingenieur Daiji Tanase:
"Wir haben Bohrungen in den Untergrund gemacht und auf dem Meeresboden ein Kabel mit Sensoren verlegt. So beobachten wir, ob Kohlendioxid austritt."
Staatlich finanziertes Experiment
Viele der 170.000 Einwohner von Tomakomai arbeiten in Papier- und Chemiefabriken, einer Ölraffinerie und im Hafen. Tomakomai war daher eine logische Wahl für die erste große CCS-Versuchsanlage in Japan – CCS steht für Carbon Capture and Storage, das Einfangen und Speichern von Kohlendioxid.
Das 260 Millionen Euro teure, staatlich finanzierte Experiment erreichte kürzlich seine Zielmarke: In dreieinhalb Jahren hat die Anlage über 300.000 Tonnen Kohlendioxid abgeschieden und im Meeresboden gespeichert. Die Menge entspricht der Jahresemission von 75.000 Autos in Japan. Der Betreiber bewertet das Projekt als Erfolg. Das Kohlendioxid habe sich mit geringem Risiko und zu akzeptablen Kosten im Untergrund speichern lassen.
Vergleichsweise kostengünstiges Verfahren
"Wir können nun in viel größeren Dimensionen denken. Die Kapazität dieser Speicherstelle ist noch sehr groß. Daher überlegen wir jetzt, ob wir Kohlendioxid aus anderen Quellen hierher transportieren und im Untergrund versenken."
Das sagt Präsident Shoichi Ishii von Japan CCS, einer Vereinigung von 35 Unternehmen aus der japanischen Öl- und Gasindustrie, darunter Japan Petroleum Exploration und JXTG Holdings. Auch die Kosten des Verfahrens überzeugen aus internationaler Sicht. Dank energiesparender CO2-Abscheidungstechnik von BASF und kostengünstiger Bohrungen für die Injektionsrohre von Land aus sanken die CCS-Kosten im Vergleich zum herkömmlichen Verfahren um die Hälfte: Auf 30 Dollar je Tonne CO2. Steigt die Steuer auf Kohlendioxid darüber, ließe sich mit der Speicherung des Treibhausgases sogar Geld verdienen. Shoichi Ishii:
"Ich denke, Japan ist in Sachen CCS etwas aktiver als Deutschland. Aber noch ist die CO2-Speicherung nicht in unsere Energiepolitik integriert."
Kritiker warnen vor Erdbebengefahr
Schließlich gibt es auch kritische Stimmen. Denn die extreme Komprimierung zwingt das Kohlendioxid in einen "überkritischen" Zustand: Es färbt sich rot ein, wird dicht wie eine Flüssigkeit, bleibt aber viskos wie ein Gas und leichter als Wasser. Bei der Injektion in den Meeresboden sammelt sich das CO2 als riesige Scheibe direkt unter der nächsten undurchlässigen Felsschicht. Das Salzwasser, das dabei aus den Gesteinsporen verdrängt wird, verursacht tektonische Spannungen. Der Seismologe Akira Ishii, emeritierter Professor der Universität Nagoya, ist daher besorgt:
"An allen Orten in Japan, in denen CCS probiert wurde, kam es zu Erdbeben. Ich warne daher davor, dass sich in Tomakomai eine Tragödie ereignen wird."
Soll CCS in den Regelbetrieb gehen?
Nach dem erfolgreichen Test steht Japan nun vor der schwierigen Entscheidung, ob es im Kampf gegen den Klimawandel als erstes Land beginnen soll, im großen Stil Kohlendioxid im Boden zu bunkern. Für die Politik wäre das verlockend: So könnte Japan vermeiden, wegen seiner großen Industrieproduktion und vielen Kohlekraftwerke an den Klimapranger gestellt zu werden. Als nächstes Projekt entsteht gerade ein Biomassekraftwerk mit CO2-Abscheidung, der Betrieb ist ab 2023 geplant. Das Potenzial ist jedenfalls da: Die möglichen CO2-Lagerkapazitäten in Japan schätzen Experten auf 146 Milliarden Tonnen - 100 Mal mehr als die jährlichen Emissionen. Allein der Untergrund vor Tomokomai könnte 300 Millionen Tonnen aufnehmen, eintausendmal so viel wie bei dem Versuchsprojekt.