Donnerstag, 25. April 2024

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Japan greift Walfangverbot an

Bei der Jahreskonferenz der Internationalen Walfangkommission wird erwartet, dass Japan einen neuen Vorstoß unternimmt, den kommerziellen Walfang wieder zu erlauben. Japan nutze sämtliche Mittel, um Druck auszuüben, sagte der Walfangexperte Volker Homes von der Umweltschutzorganisation WWF. Noch sei allerdings die für eine Aufhebung des Verbots notwenige Dreiviertel-Mehrheit nicht in Sicht.

Moderation: Stefan Heinlein | 16.06.2006
    Stefan Heinlein: Schweinefleisch in islamischen Ländern, ein Rindersteak für gläubige Hindus: genauso unvorstellbar wie Hunde und Katzen auf europäischen Speisekarten. Essensgewohnheiten zeigen also kulturelle Unterschiede. Das gilt auch für den Umgang mit den größten Säugetieren, den Walen. Während in den meisten europäischen Ländern, den USA oder etwa Australien die Menschen eine fast schon liebevolle Beziehung zu den Giganten der Meere pflegen, gehört in Japan Walfleisch zu besonderen Anlässen selbstverständlich auf den Teller.

    Seit 20 Jahren gilt zwar offiziell ein Moratorium für den kommerziellen Walfang, doch zu so genannten wissenschaftlichen Zwecken ist die begrenzte Jagd erlaubt. Heute beginnt auf der kleinen Karibikinsel Saint Kitts and Nevis die Tagung der Internationalen Walfang-Kommission, IWC. Dort wird entschieden, wie es künftig weitergeht mit dem Walfang. Und am Telefon begrüße ich jetzt den Walexperten Volker Homes von der Umweltstiftung WWF. Guten Morgen, Herr Homes.

    Volker Homes: Guten Morgen, Herr Heinlein.

    Heinlein: Wir haben es gehört: Seit zwei Jahrzehnten ist der kommerzielle Walfang verboten. Könnte sich dies nun tatsächlich ändern auf der Tagung der IWC?

    Homes: Also auf der heute beginnenden 58. Tagung der IWC, da wird sich das noch nicht umwerfen lassen. Denn dafür braucht man eine Dreiviertelmehrheit und die kriegt Japan bei weitem nicht zusammen. Es sind derzeit 70 Mitgliedsstaaten. Wenn Japan allerdings die Hälfte dieser Mitgliedsstaaten gewinnt - das wäre schon allein eine Katastrophe für den Walschutz.

    Heinlein: Welche Länder sind denn in der IWC vertreten? Wie wird man denn Mitglied in diesem Gremium?

    Homes: Das ist ein buntes Gemisch, verteilt über die Welt. Das reicht von großen Nationen wie China, die USA oder Russland auch zu ganz kleinen Nationen, von denen man vielleicht selten was gehört hat, wie Staaten wie Nauru oder die Marshall-Inseln, die jetzt jüngst beigetreten sind.

    Heinlein: Wie könnte denn Japan die begehrte Mehrheit in diesem Gremium erreichen?

    Homes: Es gibt immer wieder Stimmen - und ich war auch selbst auf genügend IWC-Tagungen zugegen, wo man sagt: Japan nutzt sämtliche Einflüsse, die es zur Verfügung hat. Und in einem australischen Nachrichtensender hat ein hochrangiger japanischer Regierungsvertreter bereits einmal zugegeben, dass Entwicklungshilfegelder auch als Druckmittel genutzt werden, um Staaten dazu zu bewegen, sowohl in die IWC einzutreten als auch dann für die Stimmung von Japan zu stimmen.

    Heinlein: Also hat Japan die Länder gekauft? Ist dieser Vorwurf denn zu belegen?

    Homes: Das ist natürlich ganz schwer zu belegen. Allerdings, wenn wir uns Organisationen anhören, die sich jetzt auch jüngst geäußert haben, Transparency International aus Berlin beispielsweise, die haben sich sehr klar positioniert und haben gesagt: Das, was bei der IWC passiert, das ist ein ganz schlechtes Beispiel; wenn wir das in andere Abkommen und in andere, gerade Umweltabkommen hineintragen, das ist eine Katastrophe, so kann man keine Politik machen.

    Heinlein: Walforschung, Herr Homes, das ist ja das Argument der Japaner, die Wale zu fangen. Wie glaubhaft ist denn dies in Ihren Augen? Was wird denn erforscht?

    Homes: Ja das genau ist ja die Frage. Also diese Walforschung, das ist eine Augenwischerei, die existiert nicht in Wirklichkeit. Wenn Sie wissenschaftliche Magazine sich ansehen, die ja auch "gereviewed" werden, da gucken Leute rein, die von diesen Themen eine Ahnung haben, dann haben es die japanischen Walwissenschaftler bis heute - also nach 20 Jahren - nicht geschafft, auch nur in ein einziges namhaftes wissenschaftliches Magazin die Ergebnisse zu publizieren, die angeblich bei dieser Walforschung ergründet werden.

    Heinlein: Geht es also allein ums Geschäft?

    Homes: Es geht allein ums Geschäft, das muss man sagen. Die Wale, die werden gefangen, die werden vielleicht vermessen, aber das, was dort rauskommt an Ergebnissen, das braucht wirklich kein Mensch. Das könnte man auch an den lebenden Walen erforschen. Man könnte auch an den lebenden Walen viel mehr erforschen, da wäre auch der Forschungsbedarf viel größer. Es geht allein ums Geschäft. Es geht allein darum, das Walfleisch dann auf dem japanischen Markt zu verkaufen.

    Heinlein: Die Wale werden aber nicht nur erforscht von den Japanern, sondern auch gegessen. Das ist eine alte japanische Tradition. Herr Homes, gibt es einfach kulturelle Unterschiede, die auch von den Umweltschützern, also von Ihnen, akzeptiert werden müssen? Wale sind menschliche Nahrung, zumindest für die Asiaten, für die Japaner, wie andere Fische auch?

    Homes: Es gibt Unterschiede in der Kultur. Natürlich sind die Essgewohnheiten unterschiedlich. Und auch Deutschland war eine große Walfangnation in der Vergangenheit. Noch im letzten Jahrhundert sind sehr viele Schiffe aus Deutschland auf Walfang gegangen. Nichts ist unumstößlich für immer. Also Japan isst nach wie vor Walfleisch, aber es sind nur vier Prozent der Japaner, die im Moment regelmäßig Walfleisch essen. Und wenn man junge Japaner fragt, viele von denen haben überhaupt noch nie Walfleisch gegessen. Und die Essgewohnheiten ändern sich auch über die Zeit.

    Heinlein: Nun sagen die japanischen Walfang-Befürworter, die Bestände hätten sich in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich erholt. Und warum sollte man dann nicht zumindest in begrenztem Umfang wieder fischen, nach Walen?

    Homes: Wenn man das Ganze langfristig betrachtet und mit kühlem Kopf darüber nachdenken würde, dann würde man auch sagen: Man muss innerhalb der IWC mal einen Kompromiss finden. Im Moment haben sich die Walfang-Befürworter und -Gegner so stark ineinander verkeilt, dass überhaupt keine vernünftigen Ergebnisse zu erwarten sind. Also man muss sicherlich einen Kompromiss finden längerfristig und vielleicht auch Japan gewisse Traditionen irgendwann mal zugestehen. Aber eben nur dann, wenn der Walfang unter internationaler Kontrolle ist. Das heißt also, wirklich die internationale Staatengemeinschaft darüber entschließt, welche Walarten wo gefangen werden und wie viele davon. Im Moment jagt Japan Finnwale und Seiwale, und die sind hoch bedroht.

    Heinlein: Wie könnte denn ein Kompromiss aussehen, der auch von Ihnen, von den Umweltschutzorganisationen akzeptiert werden könnte?

    Homes: Es gibt ja schon bereits lange die Diskussion über dieses revidierte Bewirtschaftungsverfahren. Allerdings kommt man da überhaupt nicht weiter. Darüber wird seit nunmehr fast 15 Jahren diskutiert. Japan schafft sich seine eigenen Regeln inzwischen und weitet den Walfang immer wieder aus - auch auf bedrohte Walarten. Wenn man dieses revidierte Bewirtschaftungsverfahren wirklich ernst nehmen würde und würde daran weiter diskutieren und das Ganze wasserdicht bekommen, so dass durch Walfang keine Walarten bedroht werden, dann wäre das auch für den WWF ein langfristig gesehener Kompromiss.

    Heinlein: Welche Wale könnten denn aus Ihrer Sicht bereits jetzt gejagt werden für Nahrungszwecke?

    Homes: Das müssten dann die Wissenschaftler entscheiden. Also das geht nur in einem Wissenschaftsgremium - was in der IWC bereits existiert. Dies würden dann in dem Moment, wo ein Vertragstext vorliegen würde für dieses revidierte Bewirtschaftungsverfahren, dann würden Wissenschaftler sich daran setzen und würden sagen: Das sind Walbestände, da könnten wir uns das vorstellen. Und dann würde man über mathematische Modelle sicherstellen, dass dort eine Quote herauskäme, die die Walarten auch wirklich nicht bedroht.