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Japanisches Warnsystem "hat sehr gut funktioniert"

Geophysik. - In Japan ging bereits drei Minuten nach dem schweren Erdbeben eine Tsunami-Warnung ein. Wenn das Warnsystem nicht so gut funktioniert hätte, "hätten wir deutlich mehr Todesopfer zu beklagen, als wir jetzt haben", sagt Jörn Lauterjung vom Deutschen Geoforschungszentrum (GFZ).

Jörn Lauterjung im Gespräch mit Monika Seynsche | 25.03.2011
    Monika Seynsche: Am 26.12.2004 bebte die Erde, damals nicht im Pazifik sondern vor Sumatra, und ein riesiger Tsunami entstand, der mehr als 230.000 Tote forderte. Seitdem arbeiten deutsche und indonesische Forscher an einem Tsunami-Frühwarnsystem für den Indischen Ozean. 2008 ging eine Testversion an den Start und morgen nun reist eine Delegation aus Deutschland nach Asien, um das Warnsystem offiziell an Indonesien zu übergeben. Mit dabei wird der Projektkoordinator Dr. Jörn Lauterjung vom Deutschen Geoforschungszentrum Potsdam sein. Ihn habe ich gefragt, wie dieses Tsunami-Frühwarnsystem funktioniert.

    Jörn Lauterjung: 90 Prozent aller Tsunamis weltweit werden von starken untermeerischen Erdbeben ausgelöst und daher ist die Aufgabe des Warnsystems zunächst einmal möglichst schnell und möglichst genau die Lokation und die Stärke eines Erdbebens festzustellen. Weiterhin werden zusätzliche Informationen gewonnen über sogenannte co-seismische Deformationen der Kruste ...

    Seynsche: Was ist das?

    Lauterjung: Als Folge eines Erdbebens registrieren wir auch immer eine Verschiebung der Landmassen in der Nähe des Erdbebens. Und diese Messungen geben uns dann wertvolle Informationen über den Mechanismus des Erdbebens, den wir ja brauchen, um eine Tsunami-Frühwarnung auszusprechen. Zusätzlich zu diesen landgestützten Messungen wird über sogenannte Küstenpegel, das sind Stationen die auch an der Küste oder auf vorgelagerten Inseln aufgebaut werden, auch direkt im Ozean, nachgeschaut, ob eine Tsunamiwelle entstanden ist, oder nicht. Diese Informationen werden an ein Warnzentrum übermittelt über Satellitenkommunikation, werden dort in ein Tsunami-Simulationssystem gefüttert und aus diesem Simulationssystem bekommen wir dann ein Lagebild. Das heißt, die Information zu welcher Zeit an welcher Stelle kommt der Tsunami wie hoch an.

    Seynsche:Und welche Regionen können Sie damit schützen oder zumindest überwachen?

    Lauterjung: Die Tsunami-Frühwarnung ist für Indonesien, und zwar den gesamten indonesischen Küstenbereich zum Indischen Ozean, aber auch zum Pazifik hin. Die Erdbebenregistrierung selber kann sogar global erfolgen.

    Seynsche: Das System ist ja seit 2008 im Testbetrieb. Was ist denn bislang geschehen? Also haben Sie schon Tsunamis registrieren können? Haben Sie schon Leute schützen können dort unten?

    Lauterjung: Seit dieser Zeit sind zehn mittlere und kleinere Tsunamis in Indonesien aufgetreten, die auch alle registriert wurden.

    Seynsche: Das System wird ja jetzt offiziell an Indonesien übergeben. Was ändert sich denn dann?

    Lauterjung: Damit geht zum einem die gesamte Investition, die von Deutschland aus getätigt worden ist, in den Besitz der Indonesier über. Und auch die alleinige Verantwortung für den Betrieb des Systems geht an Indonesien über. Wir planen allerdings noch für einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren mit einer Reihe von deutschen Experten, die Indonesier weiter im Betrieb zu unterstützen und auch an der Entwicklung des Systems weiterzuarbeiten.

    Seynsche: Jetzt gibt es ja für den Pazifik schon sehr sehr lange ein solches Tsunami-Frühwarnsystem. Wir wissen aber vor zwei Wochen der große Tsunami hat trotzdem Tausende von Menschen das Leben gekostet. Warum?

    Lauterjung: Dieses Frühwarnsystem, was in Japan betrieben wird, auch deren nationales Frühwarnsystem, hat sehr gut funktioniert. Nach drei Minuten ist dort bereits eine, wie wir sagen, "Major Tsunami Warning" für die Küstenabschnitte, die direkt bei dem Erdbeben lagen, herausgegeben worden. Es hat sich auch gezeigt, dass die gesamte Evakuierung und alles das, was an Vorbereitungen im Warnfalle in Japan getroffen hat, auch sehr gut funktioniert hat.

    Nur muss man jetzt sagen, dass dieses Erdbeben in Japan sehr nah an der Küste war. Die Laufzeit des Tsunamis vom Erdbeben bis zur Küste hat lediglich knapp 15 Minuten betragen. Und bei einem so großen Ereignis, es ist immerhin eines der stärksten Erdbeben gewesen, die in den letzten 120 Jahren registriert worden sind, kann auch das beste Warnsystem der Welt nicht vermeiden, dass es völlig ohne Opfer abgeht. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass wenn das Warnsystem nicht so gut funktioniert hätte, hätten wir deutlich deutlich mehr Todesopfer zu beklagen, als wir jetzt haben.