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Jaromir Jagr
Der unkaputtbare Athlet

Der tschechische Eishockeyspieler Jaromir Jagr ist mit 44 Jahren der mit Abstand älteste Profi in der NHL. Trotzdem gehört er noch zu den Leistungsträgern der Florida Panthers und sagt über sich: "Wenn ich mich ausruhe, ist es am nächsten Tag umso härter."

Von Jürgen Kalwa | 14.01.2017
    Eishockey-Profi Jaromir Jagr von den Florida Panthers
    Eishockey-Profi Jaromir Jagr von den Florida Panthers (imago sportfotodienst)
    Als der Ansager bei der Draft der National Hockey League die offizielle Nachricht bekanntgab, produzierte er einen unvergesslichen Faux-Pas: "The Pittsburgh Penguins select from Kladno, Czechoslovakia, Jiromair Jäger."
    "Jiromair Jäger" - sein Name war eben noch niemandem in Nordamerika ein Begriff.
    Europäische Spieler galten in den Neunzigern als zu weich
    Wir erinnern uns kurz an die Zeit Anfang der neunziger Jahre, als Spieler aus Europa noch eine echte Rarität in der NHL waren und als man ihnen noch jede Menge Skepsis entgegenbrachte. Sie waren trickreich und ihre Reflexe und ihr Sinn für ein kombinationsreiches Spiel waren Weltklasse, aber im Kampf Mann gegen Mann galten sie als verzärtelt und weich.
    Die Pittsburgh Penguins dachten anders. Die sahen in dem damals gerade 18-jährigen Stürmer aus der tschechischen Eishockey-Hochburg Kladno so etwas wie den letzten Mosaikstein auf dem Weg zum Stanley-Cup-Erfolg. Sie sollten Recht behalten. Gleich in Jagrs erster Saison gewann man den Cup. Und der Stürmer mit den langen, wallenden Lockenhaaren erzielte an der Seite des legendären Stocktechnikers Mario Lemieux 27 Tore.
    Wieder wurde sein Name massakriert, aber diesmal sehr gekonnt. Denn die Buchstaben von Jaromir ließen sich zu einem wirklich witzigen Anagramm durcheinanderschütteln: Zu Jagrs neuem Spitznamen: "Mario Jr.”
    Ein Sinnbild für Vitalität
    A propos Namen. 252 Spieler wurden 1990 gedraftet. Was aus ihnen wurde? Die meisten kamen gar nicht groß zum Einsatz. Der Rest wurde von der Leistungsmühle NHL verschlissen. Eine Karriere in der besten Eishockeyliga der Welt dauert im Schnitt nur fünfeinhalb Jahre.
    Was wurde aus Jaromir Jagr? Er wurde zum Sinnbild für eine erstaunliche Vitalität. Der Mann mit der Rückennumer 68 hat schon weiße Stellen im Bart. Aber er spielt noch immer. Jagr ist eine regelrechte Langzeit-Eishockeymaschine. Der unkaputtbare Athlet.
    Er ist in den über 26 Jahren viel herumgekommen, hat zwischendurch im sibirischen Omsk gespielt und steht mittlerweile für sein achtes NHL-Team - die Florida Panthers - auf dem Eis. Seine statistischen Karriere-Werte sind herausragend. Am Freitag bei der Niederlage der Panthers gegen die New York Islanders absolvierte er Spiel Nummer 1673. Womit er auf Platz vier der All-Time-Tabelle steht.
    Nah an Wayne Gretzky
    Einen Tag vor Heiligabend passierte er einen besonderen Meilenstein: Er schob sich auf Platz zwei der ewigen Scorerpunktewertung.
    Ein Reporter: "...he's the one who deflected over and that is the point. It hit Jagr's body and here he is on the bench, saluting the crowd."
    Hinterher ließ er die Fernsehreporter auf die für ihn typische, selbstironische Art wissen, dass er froh war, endlich diese Marke geschafft zu haben. Denn damit war der klassische amerikanische Medienrummel um einen simplen numerischen Tatbestand wieder vorbei.
    "I thought I am going to have a good start of the season. I was hoping I would be done with those points in 15 games. But it didn't happen. It wasn't the best night for our team. But I am glad, it’s behind me."
    Die Nummer 1 in dieser Liste, Wayne Gretzky, wird er ganz bestimmt nicht einholen können. Dafür müsste er noch Jahre auf diesem Niveau weiterspielen. Und das ist mehr als unwahrscheinlich. Jagr wird am 15. Februar 45 Jahre alt und kennt seine Grenzen.
    "Ich denke schon, dass ich besser spiele als etwa vor 15 Jahren. Aber jeder andere spielt viel, viel besser. Das Spiel ist schneller geworden. Jeder ist körperlich fit. Mein Vorteil ist, dass ich nicht viel ändern muss. Wir spielen einen Stil wie 1990. Nur schneller."
    "Irgendwie muss dir harte Arbeit gefallen"
    Das reicht allerdings nicht. Neulich wurde deshalb der Trainer ausgewechselt. Die Clubführung will, dass es die Mannschaft wenigstens bis in die Playoffs schafft.
    Jagr arbeitet hart, um mithalten zu können. Der Leidtragende ist der Fitness-Coach. Dem erklärte er nach seiner Ankunft bei den Panthers: "Ich brauche dich rund um die Uhr, sieben Tage in der Woche." Selbst samstagabends, wenn der 44-jährige spontan beschließt, er muss mit einer schweren Bleiweste und Gewichten an den Knöcheln aufs Eis und während der Abkühlphase zahllose Pucks aufs Tor ballern.
    "Meine Motivation besteht darin, einfach nur zu spielen. Mein Körper ist nicht anders als der von anderen Leuten. Ich habe allerdings eins kapiert: Wenn ich mich zwischendurch ausruhe, dann ist es am nächsten Tag jedes Mal umso härter. Aber irgendwie muss dir die harte Arbeit gefallen."
    Das heißt jedoch, dass man im Spiel einen ungeheuer ökonomisch arbeitenden Eishockey-Profi sieht, der so wenig an Energie verschwendet wie möglich. "Wenn du älter bist, musst du klug spielen", sagt er.
    Aber wie lange noch? Keiner weiß es. Vermutlich nicht mal er selbst. Denn weit nach vorne schaut er nicht, sagte er dem Deutschlandfunk neulich nach einem Match. Nur eines steht fest: Sein gegenwärtiger Vertrag läuft am Ende der Saison aus. Was danach kommt, steht in den Sternen.