Freitag, 19. April 2024

Archiv


"Jeder kann sich kleiden, wie er möchte"

Dänemark hat Mühe in der Diskussion um das Tragen oder Nicht-Tragen der Burka, die Wogen zu glätten. Diese wird mitunter als "mobiles Gefängnis" bezeichnet. Doch laut einem nun veröffentlichten Bericht tragen höchstens 200 Frauen in ganz Dänemark Burka oder Gesichtsschleier. Die Debatte scheint mehr eine politische, denn eine gesellschaftliche zu sein.

Von Marc-Christoph Wagner | 20.01.2010
    Wohl selten waren sich Naser Khader, Dänemarks erster muslimischer Abgeordneter, und die Vorsitzende der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei, Pia Kjærsgaard, so einig.

    Die Studie sei das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben steht, so Khader. Ein Werk blauäugiger Halalhippies, fügte Kjærsgaard hinzu. Doch leere Tonnen lärmen am meisten, besagt ein dänisches Sprichwort. Und auch im Falle von Khader und Kjærsgaard fühlt sich mancher Beobachter inzwischen an Shakespeares Schauspiel Viel Lärm um nichts erinnert. 150 bis 200 Frauen, die eine Burka beziehungsweise einen Niqab tragen, was nicht einmal 0,2 Prozent der in Dänemark lebenden Muslime entspricht - viele Dänen zucken angesichts dieser Zahlen gelassen mit der Schulter:

    "Es betrifft so wenige Personen. Wir sollten unsere Zeit auf wichtigere Dinge verwenden."

    "Natürlich kann eine Burka tragen, wer das möchte. Ich bin oft auf Nørrebro, wo viele Ausländer leben, aber selbst da sehe ich ganz, ganz selten eine Burka. Bitte wo ist das Problem? Mir ist die Diskussion ein wenig gleichgültig."

    "Wir feuern mit Kanonen auf Spatzen. In Dänemark herrscht Religionsfreiheit. Jeder kann sich kleiden, wie er möchte."

    Andere sehen in der Diskussion nur einen weiteren Versuch rechtsgerichteter Politiker, sich auf Kosten der dänischen Muslime zu profilieren:

    "Es ist eine Wertedebatte, ein Kulturkampf. Die Burka ist ein Symbol für die muslimische Kultur und viele fürchten, die Moslems könnten dieses Land schon bald beherrschen. Sie schüren Ängste. Nur darum geht es doch."

    Nicht ganz so sieht es die 21-jährige Iman. Sie trägt eine Burka und merkt, wie sich die Dänen im Alltag von ihr distanzieren:

    "Meistens gucken die Leute bloß, aber sagen nichts. Hier und da gibt es eine abfällige Bemerkung. Ab und zu werde ich angesprochen und gefragt, warum ich eine Burka trage."

    Iman stammt aus einer muslimischen Familie, ist in Dänemark geboren und aufgewachsen. Ihr Dänisch ist fließend, mit Kopenhagener Couleur:
    "Niemand zwingt mich, niemand sonst in meiner Familie trägt eine Burka. Ich selbst habe mich dafür entschieden, weil es mir und für meinen Glauben wichtig ist. Und bei allen, die ich kenne und die eine Burka tragen, ist das ebenso."

    Doch Naser Khader, integrationspolitischer Sprecher der Konservativen, der das Burkaverbot im Spätsommer auf die Tagesordnung brachte, glaubt eben daran nicht. Die Burka sei ein mobiles Gefängnis, sagt er. Zudem frauenfeindlich, antidemokratisch, weil islamistisch. Kein religiöses, sondern ein politisches Symbol.

    Auch Pia Kjærsgaard lässt die Meinung von Bürgern und Betroffenen nicht gelten. Ihr geht es ums Prinzip:

    "Egal, wie viele es tatsächlich sind, die eine Burka tragen - eine Frau ist eine zu viel. Es ist doch grotesk, dass wir dieses Thema diskutieren - die Burka ist Ausdruck der Islamisierung unseres Landes. Und dagegen müssen wir aufbegehren."

    Doch auch Khader und Kjærsgaard zusammen sind noch nicht die ganze Regierung. Bisher war die rechtsliberale Partei von Ministerpräsident Rasmussen gegen ein generelles Burkaverbot - nicht zuletzt, weil dieses gegen das dänische Grundgesetz verstoßen würde. Vor diesem Hintergrund lässt aufhorchen, was Rasmussen selbst erst gestern zu dem Thema äußerte:

    "Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der man einander offen und unverschleiert gegenübertritt, in der man sieht, mit wem man spricht. Das sind Werte, die mir wichtig sind, und die ich meines Erachtens mit der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung teile."

    Kommt es am Ende also doch, das Burkaverbot? Es bleibt weiterhin eine spannende Frage. Das Thema allerdings scheint die dänischen Politiker mehr zu beschäftigen, als die Mehrheit der Bürger.