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Jeder Mann ein Gott!

So richtig glücklich war er nicht, der Librettist Hugo von Hofmannsthal, über den Versuch, Komödie und Tragödie miteinander zu verbinden. Und auch die Musik, die Richard Strauss zu seinem Text komponiert hatte, behagte dem Dichter nicht recht. Und dennoch wurde die Oper "Ariadne auf Naxos", 1916 ein Erfolg. Der kanadische Regisseur Robert Carsen hat "Ariadne auf Naxos" nun für die Deutsche Oper Berlin gemeinsam mit dem Choreographen Marco Santi inszeniert.

Von Georg-Friedrich Kühn | 09.02.2009
    Ballettstangen und Spiegel sind aufgebaut auf der Bühne. Mit einer Trainingseinheit und einer Probe für die Tänzer lassen Regisseur Robert Carsen und Choreograf Marco Santi die Strauss-Hofmannsthalsche "Ariadne" beginnen.

    Die Komödianten-Truppe um Zerbinetta reist mit Rollkoffern und einer Kostprobe ihrer Verwandlungskünste per Gummi-Ganzgesichts-Masken an. Zerbinetta gewährt dem Tanzmeister auch schon mal gleich eine Gesamtansicht ihres nur in ein Badetuch verhüllten ranken Körpers.

    Mit Stentorstimme knallt der Haushofmeister die immer neuen Anweisungen seines vermögenden Herren dazwischen. Die anfängliche Verzweiflung darüber - mal erst Tanzmaskerade und danach die Opera Seria, dann umgekehrt und schließlich ineinander verschränkt - verfliegt bei dem Komponisten schnell, als Zerbinetta sich ihm offenbart.

    Nur auf der Bühne spiele sie - in schwarzem Unterkleid und roten Pumps - die Kokotte. In Wahrheit sei sie einsam und traurig. Und sie lüftet dafür ihre schicke schwarze Vamp-Perücke. Zärtlich legt der Komponist seine Jacke als Liebespfand um ihre nackten Schultern. Gespannt beobachtet er von der Seite der Bühnenrampe dann ihre und ihrer Truppe Auftritte.

    Dass das ein "heikler" Balance-Akt war, die Tragödie der auf ihrer Insel Naxos einsam und von Theseus verlassen den Tod herbei sehnenden Ariadne mit den Zauber-Kunststückchen von Zerbinetta und ihrer Vierertruppe zu verschränken, waren Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss sich sehr wohl bewusst.

    Carsen zeigt das einander Anverwandeln der beiden Sphären in der aufkeimenden Liebe zwischen dem Komponisten und Zerbinetta. Die lässt sich im Stück von einer ganzen Truppe gut gebauter Männer zwar anhimmeln und auf den Händen tragen. Am Ende schlendert sie mit des Komponisten Jackett um die Schultern über die Bühne, Ausschau haltend nach ihm.

    Die Opera Seria selbst legen Carsen und Santi an als die antike Tragödie parodierendes Mysterienspiel. Zerbinetta und ihre Komödianten reihen sich in langen schwarzen Gewändern ein in den Schweif von Ariadne-Dienerinnen, die da Steinen gleich den vermeintlichen Todesgott erwarten, der sich dann aber als neuer Liebhaber Bacchus entpuppt.

    Einfallsreich und mit Liebe zum Detail ist das inszeniert, auch wenn die Spannung nicht immer hält. Für ihr großes Solo kommt Zerbinetta wie Kai aus der Kiste aus einem schwarzen Kastenklavier gesprungen. An vier Klavieren buhlen die mal transvestitischen, mal als Muskelmänner posierenden Komödianten um ihre Gunst.

    Zu Bacchus‘ und seiner Männer-Phalanx Eintritt öffnet sich in Peter Pabsts schwarzem Bühnenkasten ein gleißender Lichtspalt, der sich immer mehr weitet. Am Ende eilt der Komponist auf die schnell wieder leer geräumte Bühne, dirigiert die Applaus-Ordnung. Und schließlich verteilt der Haushofmeister unter den Künstlern die begehrten Geld-Briefe.

    Applaus vom Publikum gab es reichlich, sogar euphorischen und schon auf offener Szene für die wunderbar quirlig leichte Zerbinetta der Jane Archibald. Aber auch Violeta Urmana, mit freilich etwas scharfem Ton, Roberto Saccà als Bacchus, Ruxandra Donose als Komponist, der Dirigent Jacques Lacombe und das ganze Team wurden gefeiert.

    Ein Lichtblick in der bisher ja eher flauen Bilanz der Deutschen Oper Berlin.