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Jedes Land muss andere Hürden meistern

Gemeinsame Ziele im Bologna-Prozess zu definieren, ist gar nicht so einfach. Das stellen zurzeit die Vertreter von 47 Staaten bei einem Treffen in Bukarest fest. Bis die Hochschulen 2020 den Prozess abgeschlossen haben sollen, steht jedes Land vor ganz eigenen Herausforderungen.

Von Britta Mersch | 27.04.2012
    Spricht man mit Vertretern der 47 Staaten, die am Bologna-Prozess teilnehmen, wird eines klar: Jedes Land hat eigene Probleme bei der Umsetzung, kaum eine Reform kann mit der anderen verglichen werden. In Deutschland zum Beispiel beklagen Fachleute, dass die Studenten zu wenig ins Ausland gehen, weil zu wenig Zeit bleibt. In Lettland scheitert die Mobilität dagegen nicht am engen Stundenplan, sondern am Geld.

    "Wir sind kein reiches Land – und Auslandsaufenthalte kosten Geld. Deshalb ist die Zahl der Studenten, die ins Ausland geht, sehr klein."

    Das sagt Andrejs Rauhvargers, Generalsekretär der lettischen Rektorenkonferenz. Die Hochschulen ermuntern die Studenten auch nicht, ins Ausland zu gehen. Denn gute Fachkräfte werden gebraucht, um die Wirtschaft zu stabilisieren:

    "Wer nach dem Bachelor ins Ausland geht, kommt vielleicht zurück. Wer aber direkt in einem anderen Land mit dem Studium beginnt, wird nicht mehr nach Lettland zurückkommen."

    Ganz anders ist die Situation in Luxemburg. Die einzige Universität des Landes wurde 2003 gegründet – als der Bologna-Prozess schon lief. Uni-Rektor Rolf Tarrach, hatte deshalb keine großen Probleme, Studiengänge ins Leben zu rufen, die all das beinhalten, was von den Bologna-Reformern gefordert wird. Zum Beispiel gehen alle Studenten ins Ausland.

    "Alle unsere Bachelor-Studenten müssen mindestens ein Semester im Ausland studieren, dann haben wir die Vielsprachigkeit, wir nutzen Englisch, Französisch und Deutsch, normalerweise immer zwei Sprachen in jedem Bachelor, in manchen sogar drei, im Master-Niveau wieder zweisprachig, und dann haben wir viel auf Englisch. Also, viele der Sachen, viele der Bologna-Ideen sind schon dabei."

    Rolf Tarrach kennt aber auch die Probleme in anderen Ländern. Er lehrt an der Universität in Barcelona und spürt oft den Unmut der Studenten:

    "In Spanien war das Problem, da gibt es jedes Mal, wenn die Regierung etwas machen wollte, was nicht sehr populär war, dann haben sie immer gesagt: Das ist das Bologna-System. Das hat dazu geführt, dass die Studenten radikal anti Bologna sind."

    Beobachtet wird der Bologna-Prozess auch von zahlreichen Vertretern außerhalb von Europa. Zum Beispiel von Mohammed Al-Ohali, stellvertretender Bildungsminister von Saudi-Arabien. Denn nicht nur der europäische Bildungsraum wächst zusammen, sondern es entstehen zunehmend Kooperationen zwischen Hochschulen auf der ganzen Welt.

    "Die Hochschulsysteme verändern sich weltweit, und bei den Reformen gibt es viele Ähnlichkeiten. Darin gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Asien, Europa, den Vereinigten Staaten, Afrika, Südamerika oder Australien. Für uns ist es wichtig zu sehen, wie die Menschen mit diesen Veränderungen umgehen. Gleichzeitig stellen wir vor, welche Ziele wir erreicht haben, und so können wir internationale Programme ins Leben rufen, von denen beide Seiten profitieren."

    Der Bologna-Prozess findet also Beachtung auf der ganzen Welt. Dabei ist er noch längst nicht abgeschlossen. Bis 2020 haben die Hochschulen Zeit, die Bologna-Ziele umzusetzen. Aber auch danach wird uns die Studienreform noch weiter beschäftigen, vermutet Rolf Tarrach, der Rektor der Universität in Luxemburg.

    "Universitäten sind ungeheuer konservative Systeme. (...) Die wollen sich nicht ändern. Und deswegen muss man sehr viel Geduld haben."

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