Mittwoch, 24. April 2024

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OB Conradt (CDU) zu Öffnungen im Saarland
"Mutiger, alternativloser Schritt"

Jetzt im Saarland kontrolliert und mit dem entsprechenden Sicherheitskonzept wieder die Öffnung zu wagen, sei richtig, sagte Uwe Conradt (CDU), Oberbürgermeister von Saarbrücken, im Dlf. Man müsse sich auch fragen, ob die 100er-Inzidenz angesichts steigender Impfraten noch der richtige Maßstab für eine Öffnung sei.

Uwe Conradt im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 27.03.2021
Passanten gehen durch die Saarbrücker Innenstadt
Passanten in der Saarbrücker Innenstadt, bald soll hier auch wieder die Außengastronomie öffnen (picture alliance / dpa / Oliver Dietze)
Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) hat für einige Überraschung gesorgt. Denn er hat - entgegen der Beschlüsse auf der Ministerpräsidentenkonferenz - Lockerungen angekündigt, die an bestimmte Bedingungen geknüpft sind. Es sei somit die erste Perspektive einer Öffnung wieder da, sagte Uwe Conradt (CDU) im Interview mit dem Dlf. Es gehe dabei auch darum, die Gesellschaft zusammenzuhalten, sagte der Saarbrücker Oberbürgermeister. "Es gibt aus meiner Sicht keinen anderen Weg." Denn es werde auch nicht den einen Tag geben, an dem schlagartig alles wieder öffnen könne. Das gehe nur schrittweise. Im Saarland gebe es eine hohe Impfrate, eine sehr hohe Zahl an Testzentren und darüber hinaus gebe es bei der Kontaktnachverfolgung neue Möglichkeiten der elektronischen Nachverfolgung. Das gebe der Gesellschaft eine gewisse Perspektive und gleichzeitig auch Sicherheit.

Das komplette Interview zum Nachlesen:
Jürgen Zurheide: Herr Conradt, welche Gespräche hat es denn in den letzten Tagen zwischen Ihnen und dem Ministerpräsidenten gegeben?
Uwe Conradt: Es hat einen Austausch gegeben zwischen dem Ministerpräsidenten und den Bürgermeistern und Vertretungen. Und wir wissen auch seit gestern jetzt, welche Regeln gelten werden. Das heißt, die Verordnungen, die ab dem 6. April in Kraft treten werden, sind bekannt. Damit wissen wir, der Außenbereich der Gastronomie kann wieder öffnen, auch unter besonderen Bedingungen eben auch der Bereich des Kinos, Kultureinrichtungen im Außenbereich. Insofern ist in der Tat wieder ein Stück weit die erste Perspektive der Öffnung wieder da.
Tobias Hans (CDU), Ministerpräsident des Saarlands, spricht am Rande der Plenarsitzung im Bundesrat mit Journalisten. Die Länderkammer stimmt in ihrer heutigen 1001. Sitzung über die neuen Corona-Hilfsmaßnahmen ab. Weitere Themen sind unter anderem die Vereinfachungen bei Planungs- und Genehmigungsverfahren, der Aufbau einer Infrastruktur für Elektromobilität, Maßnahmen zur besseren Bekämpfung der Geldwäsche und die Einführung einer Bürger-Identifikationsnummer für Online-Serviceleistungen der Verwaltung.
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Wieder Freunde treffen, im Biergarten sitzen oder ins Fitnessstudio gehen. All das will CDU-Ministerpräsident Tobias Hans der Bevölkerung im Saarland wieder ermöglichen. Den Anfang macht ein Modellprojekt mit tagesaktuellen Corona-Tests. Doch nicht alle sind überzeugt von dem Plan.
Zurheide: Die Frage, die Sie jetzt wahrscheinlich nicht überraschen wird, welche Bedingungen sind denn damit verbunden? Ich habe schon gesagt, das hat in der Bundesrepublik aufhorchen lassen, was Sie da planen, weil man bei der Ministerpräsidentenkonferenz eher andere Signale gesendet hatte, übrigens auch Herr Hans. Aber das ist eine Debatte, die wir wahrscheinlich mit Herrn Hans führen müssen. Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, wenn Sie diese Schritte zur Normalität gehen wollen?
Conradt: Zunächst einmal sind wir sehr dankbar, dass wir jetzt diese Perspektive haben aus Sicht der Kommunen, der Bürgermeister. Weil das, was wir auch erleben im Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern ist, dass wir natürlich eine Lage haben, wo einerseits die Zustimmung zu den Maßnahmen sinkt, aber aus zwei Lagern, von denen, die noch stärkere Regeln einfordern, aber auch von jenen, die sagen, die Regeln sind eigentlich schon längst überfällig, wir brauchen eine neue Form der Regulierung. Insofern glaube ich, dass auch dieser Schritt, jetzt kontrolliert, sicher, in Abständen und auch natürlich mit dem entsprechenden Sicherheitskonzept Öffnungen zu wagen, deshalb richtig ist, weil wir hier vor Ort eine hohe Impfrate haben, weil wir die Testzentren in einer sehr hohen Zahl aufgebaut haben, weil wir ja auch wissen, dass es wirklich bei der Kontaktnachverfolgung neue Möglichkeiten der elektronischen Nachverfolgung gibt. Und weil es auch tatsächlich darum geht, die Gesellschaft zusammenzuhalten und ihr eine gewisse Perspektive zu geben, aber gleichzeitig auch Sicherheit.

Inzidenzwert "ist wahrscheinlich nicht zielgerecht"

Zurheide: Ich gebe zu, ich habe mir Ihre Impfrate nicht angeschaut. Wie hoch liegen Sie da zum Beispiel in Saarbrücken?
Conradt: Wir haben im Saarland eine Impfrate, die liegt bei der Erstimpfung bei knapp elf Prozent. Und Sie wissen ja auch, dass mit Blick darauf, das gilt ja für ganz Deutschland und die ganze EU, die vulnerablen Gruppen werden ja zuerst geimpft, das heißt, wir müssen auch schauen, ist denn eigentlich die 100er-Inzidenz für diese Frage der Regulierung, die wir haben, tatsächlich noch das richtige Instrument. Denn richtig ist, die Auslastung des Gesundheitssystem ist ein ganz wichtiger Indikator, richtig ist auch, die Frage der Letalität des Virus. Und ich glaube, dass die Inzidenz auch immer mit eine Rolle spielen wird, aber alleine inzidenzbasiert ist wahrscheinlich für diese letzte Schlussetappe, auf der wir uns ja jetzt auch befinden mit Blick auf das Coronavirus, wahrscheinlich nicht zielgerecht.

Öffnung "ist ein alternativloser Schritt"

Zurheide: Was rufen Sie all jenen zu, die wie zum Beispiel der Virologe Martin Stürmer oder andere, die da sagen, na ja, das ist schon sehr mutig, und das ist jetzt eine zurückhaltende Formulierung, was Sie da machen. Ich meine, Sie übernehmen da die Verantwortung, und wenn wir in drei, vier Wochen steigende Inzidenzzahlen plus Krankenhäuser sehen, die mit der Intensivbettenkapazität an ihre Grenze kommen, dann haben Sie die Verantwortung. Das sehen Sie so oder ist das jetzt zu zugespitzt gefragt?
Conradt: Also, zunächst einmal unterstützen wir den Ministerpräsident bei dem Weg, den er ja auch mit vorgegeben hat. Ich glaube, das ist einerseits ein mutiger Schritt, aber es ist aus meiner Sicht auch ein alternativloser Schritt. Denn diesen Weg auch mit vorzugeben, im Übrigen so, wie das in anderen Ländern, sagen wir Israel, Südafrika, Großbritannien, um auch mal die Länder zu nennen, die ja Vorbild sind, aber auch verbunden sind mit dem Thema Mutationen. Es gibt aus meiner Sicht keinen anderen Weg. Der Weg, es wird nicht den Tag geben, an dem wir schlagartig alles wieder öffnen, alles wieder wie vorher ist, es geht nur schrittweise. Und aus meiner Sicht ist dieser Weg, den wir gehen, dann umso besser zu gehen, wenn man ihn gemeinsam geht und deshalb denen auch ein Stück weit Sicherheit gibt, dass alles kontrolliert läuft, die zurecht mit Sorge die Entwicklung betrachten, aber auch jenen ein Stück Perspektive, die egal, ob sie aus wirtschaftlicher Not, aber eben auch mit Blick auf die Fragestellung Impfung, Testung und sich damit fragen, was kann denn jetzt auch wieder gehen.
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Zurheide: Aber zum Beispiel: Wie groß sind die Bezirke, wo dann, in Anführungsstrichen, geöffnet wird? Ist dann die gesamte Innenstadt von Saarbrücken geöffnet und entsprechende Teststraßen da? Sie sind eine Stadt mit 178.000 Einwohnern. Dann kommen möglicherweise Leute von außen. Wie muss ich mir das praktisch vorstellen, was bereiten Sie da vor und in welcher Zeit können Sie das überhaupt schaffen?
Conradt: Zunächst einmal gilt ja die Verordnung für das gesamte Saarland. Schon heute sind ja auch alle Geschäfte in Saarbrücken und im Saarland geöffnet. Neu öffnet hinzu dann eben die Außengastronomie, Kulturbetriebe entsprechend der Vorgabe auch mit einem Termin. Insofern ist zwar in der Tat mit einer höheren Frequenz auch noch mal zu rechnen, aber sicherlich nicht mit der Frequenz, wie es zu Beginn oder vor der Pandemie war.
Zurheide: Wenn ich dazwischen fragen darf, nur mit Termin oder auch mit einem negativen Test?
Conradt: Natürlich mit einem negativen Test.
Zurheide: Welche Art von Test mit welcher Validität?
Conradt: Gut, das ist ein Schnelltest. Die Schnelltests sind aktuell auch das Mittel der Wahl, um eben auch entsprechend einen Tagespass sozusagen zu bekommen. Das ist sozusagen auch das Mittel der Wahl, um möglichst viele Menschen schnell zu testen.

Hoffnung, dass "sehr viel mehr Menschen sich regelmäßig testen lassen"

Zurheide: Aber ich muss da noch mal dazwischenfragen: Das heißt Schnelltests, die aber gemacht werden von Ihnen, von der Stadt, von den jeweiligen Städten, die die Verantwortungsträger sind. Ich kann mir nicht den Test selbst ausdrucken, zu Hause machen und dann sagen, hier habe ich ein Zeichen?
Conradt: Ja gut, Sie wissen, dass es bundesweit Bürgertestungen gibt, dass dies Apotheken, Ärzte, aber auch Testzentren machen. In Saarbrücken gibt es heute bereits über 66 Testpunkte, davon fünf größere Testzentren. Und ich weiß ja auch, zum Beispiel ein Testzentrum ist bei uns im Rathaus direkt eingerichtet, dass die Auslastung aktuell nicht so hoch ist, wie wir uns das wünschen. Und ich hoffe natürlich auch, dass mit diesen Maßnahmen, die wir jetzt ergreifen, sehr viel mehr Menschen sich regelmäßig testen lassen und wir deshalb eben auch sehr viel mehr Wissen generieren können und auch mehr Sicherheit, indem mehr Menschen sich testen lassen. Ich bin auch ganz sicher, dass noch viel mehr Testzentren noch dazukommen werden.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Zurheide: Frankreich, das ist direkt bei Ihnen ganz nah, ist Hochrisikoland, gerade der Osten Frankreichs ist besonders betroffen. Was heißt das denn jetzt für den kleinen Grenzverkehr und welche Gefahren drohen von da? Das sehen ja manche besonders kritisch, oder sagen Sie, ist nicht so gefährlich?
Conradt: Zunächst einmal sollten wir, ich sage mal, unseren Nachbar nicht nur aus einer Mischung irgendwo aus Angst und Hochmut begegnen. Gerade hier in der Grenzregion ist dafür ein besonderes Fingerspitzengefühl im Umgang mit unseren Nachbarn, Freunden in Frankreich auch vorhanden. Das würde ich mir, ich sage mal, in dieser gesamten Pandemie sehr viel stärker auch von Berlin und manchen dort agierenden Politikern wünschen vorneweg gesagt. Mit Blick auf die unmittelbare Nachbarschaftssituation ändert sich erst mal gar nichts, denn das Departement Moselle war auch schon in den letzten Wochen zu dem Mutationsgebiet eingestuft gewesen, also Virusvariantengebiet. Und das, was hier erforderlich ist, ist aktuell für Grenzpendler alle 48 Stunden einen Antigen-Schnelltest vorzuweisen. Das heißt, Pendler müssen sich dreimal die Woche testen lassen. Hierzu haben wir ein deutsch-französisches Testzentrum eingerichtet, das am Tag etwa 1.500 Personen testet und im Übrigen bei über 99,9 Prozent der Menschen einen negativen Test hat.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.