Gefährliche Parasiten

Zecken auf dem Vormarsch

07:17 Minuten
Eine festgebissene Zecke auf menschlicher Haut, Blick durch eine Lupe.
Zecken sollten fachgerecht so schnell wie möglich entfernt werden. © imago / imagebroker / Robert Haasmann
Von Georg Gruber · 20.05.2021
Audio herunterladen
Zecken können gefährliche Krankheiten bei Menschen und Tieren auslösen. Durch die Klimaerwärmung sind sie mittlerweile ganzjährig und in immer mehr Regionen anzutreffen. Jetzt kommen auch noch nicht heimische Arten dazu.
"Der Name 'Auwaldzecke' ist nicht ganz richtig, weil diese Zeckenart kommt nicht so sehr im Auwald vor, sondern sie kommt eigentlich eher auf Wiesen vor, an Wiesenrändern auch und hier eben vor allem in Ostdeutschland."


Gerhard Dobler ist Professor am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München. Für das Interview hat der Zeckenexperte zwei etwa 15 Zentimeter lange durchsichtige Plastikröhrchen mitgebracht. Eines mit Zecken, die wohl jeder kennt, dem Gemeinen Holzbock, der häufigsten Zeckenart in Deutschland. Und eines mit eben jener Auwaldzecke. Sie kann zehn bis 15 Millimeter groß werden und ist damit deutlich größer als der Holzbock. Ihr Rückenschild ist auffällig gemustert.
"Wir haben hier eine ganze Menge von Auwaldzecken drinnen. Die kommen auch so am Gras vor. Wenn Auwaldzecken vorkommen, dann sehen Sie die wirklich in Trauben am Gras sitzen. Wie so Weintrauben sieht das aus."

Gefahr für Tiere durch Hundemalaria

Jedes Jahr breiten sie sich weiter in Deutschland in Richtung Westen aus. Warum, ist unklar, sagt Gerhard Dobler. Die Auwaldzecke ist das ganze Jahr aktiv und vor allem für Hunde ein Problem, da sie Krankheiten übertragen kann, besonders gefährlich: die Hundemalaria.
"Babesiose heißt sie medizinisch oder veterinärmedizinisch und das ist eine schwere, fieberhafte Infektion bei Hunden, die dann häufig auch tödlich verlaufen kann."
Die Auwaldzecke kann aber auch den Menschen stechen und dabei auch eine Frühsommer-Meningoenzephalitis, kurz FSME, übertragen, bei der es im schlimmsten Fall zu einer Entzündung der Hirnhaut, des Gehirns oder des Rückenmarks kommen kann. Doch Ute Mackenstedt, Professorin für Parasitologie an der Universität Hohenheim, gibt Entwarnung.
"Ganz, ganz selten gibt es Gebiete, in denen die Auwaldzecke auch die FSME-Viren tragen. Das ist aber nur in ganz wenigen Gebieten bisher nachgewiesen worden."

Die neu eingeführte Hyalomma-Zecke

In einem Forschungsprojekt untersucht Ute Mackenstedt seit zwei Jahren auffällige Zecken, die ihr aus ganz Deutschland zugeschickt werden können. Darunter ist neben der Auwaldzecke immer öfter auch eine Art, die von Zugvögeln aus dem Mittelmeerraum und aus Afrika eingeführt wird: die Hyalomma-Zecke.
Sie kann bis zu zwei Zentimeter groß werden und hat auffällig rötlich-gelb gestreifte Beine. Anders als der Gemeine Holzbock, der sich von Gräsern oder Büschen abstreifen lässt, spürt die Hyalomma-Zecke die Bodenerschütterung, die Rinder, Pferde oder Schafe beim Gehen verursachen.
"Zecke kommt raus aus ihrem Löchlein, das im Boden ist und läuft dann quasi der CO2-Spur, die dieses Tier setzt, hinterher. Also durch das Ausatmen entsteht eine CO2-Konzentration in der Luft, die kann von der Zecke wahrgenommen werden und die Zecke läuft darauf zu in der Hoffnung, dass sie dann dieses Tier eben findet und an dem Tier hochkrabbeln kann. Ein komplett anderes Verhalten als unsere Zecken", sagt Gerhard Dobler.

Heiße Sommer begünstigen Ausbreitung

Die Hyalomma mag keine Feuchtigkeit. Durch die heißen Sommer der vergangenen Jahre hat ihre Zahl in Deutschland zugenommen. 2019 wurden über 150 solcher Zecken registriert. Auch wenn wahrscheinlich nur wenige den Winter überleben, werden mit Zugvögeln regelmäßig neue eingetragen.
"Durch die hohen Temperaturen, die langen Trockenphasen, können sich offensichtlich mehr Hyalomma-Zecken zu den erwachsenen Zecken entwickeln. Und diese erwachsenen Zecken, die suchen sich große Wirte. Das können Pferde sein. Das kann aber auch dann der Mensch sein", erklärt Ute Mackenstedt.
Gerhard Dobler ergänzt: "In den Verbreitungsgebieten in Afrika und vor allem Südosteuropa sind es die Überträger des sogenannten Krim-Hämorrhagischen Fiebers. Hämorrhagisches Fieber ist so etwas ähnliches wie Ebola. Man bezeichnet diese Erkrankung manchmal auch als europäisches Ebola. Und die Gefahr besteht, dass eben über die Zugvögel auch mal eine Zecke eingeschleppt wird, die dieses Virus trägt. Und wenn die dann eben an Menschen Blut saugen würde, dann überträgt sie das Virus auf den Menschen. Und dann kann es zu einem schweren, auch tödlich verlaufenden hämorrhagischen Fieber kommen."

Der Gemeine Holzbock ist immer noch am gefährlichsten

Allerdings wurde dieses Virus hierzulande bisher noch bei keiner Hyalomma nachgewiesen. In Deutschland bleibt der Gemeine Holzbock die für den Menschen gefährlichste Zeckenart. Im vergangenen Jahr wurden mehr als 700 FSME-Fälle gemeldet – der höchste Wert seit Einführung der Meldepflicht im Jahr 2001. Ein Grund war Corona: Wegen ausgefallener Auslandsreisen waren mehr Menschen in der heimischen Natur unterwegs. Aber auch die Anzahl der Zecken steigt seit Jahren. In manchen Regionen haben sie sich in den vergangenen drei Jahren verdoppelt. Ein Grund ist der Klimawandel, erklärt Ute Mackenstedt:
"Es gibt nicht mehr so wie früher diese wirklich dezidierte Winterpause ab November bis meinetwegen Februar, weil wir zu warme Winter haben. Insofern muss man davon ausgehen, dass auch der Gemeine Holzbock das ganze Jahr über aktiv ist. Die Auwaldzecke ist sowieso etwas kälteresistenter. Und auch diese Zecke ist eigentlich das ganze Jahr über mehr oder weniger aktiv. Die Auwaldzecke hat allerdings noch eine Sommerpause, weil sie die hohen Temperaturen nicht ganz so gut verträgt."

"Zecken sind mittlerweile ein ganzjähriges Problem"

Und sie sind mittlerweile in immer höheren Regionen zu finden, so die Beobachtung des Zeckenexperten Gerhard Dobler.
"Zecken sind mittlerweile ein ganzjähriges Problem geworden."
Wichtig sei: Wer von einer Zecke gestochen worden ist, sollte sie so schnell wie möglich entfernen, rät Ute Mackendstedt. Denn FSME werde schon in den ersten Minuten übertragen. Borreliose erst später.
"Bei den Borrelia-Bakterien ist das so, dass sie erst nach zwölf bis 15 Stunden, nachdem die Zecke zugestochen hat, erst übertragen wird auf den Menschen. Das heißt, gerade bei den Borrelien ist es von ganz entscheidender Bedeutung, dass man Zecken, die zugestochen haben, so schnell es geht, entfernt. Nicht erst auf den nächsten Tag warten, zum Arzt gehen, der die Zecke entfernen soll, sondern das selbst tun, weil man dadurch auch die Übertragung von zum Beispiel Borrelia-Bakterien wirklich unterbinden kann."
Mehr zum Thema