Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


"Jetzt auf einmal bin ich derjenige, der Traditionalist ist"

Er wolle sich mit ganzer Kraft der Arbeit in der Fraktion widmen, sagt Karl-Josef Laumann, neuer Fraktionsvorsitzender der NRW-CDU. Deshalb wolle er nicht auch für den Parteivorsitz kandidieren. Sein Ziel sei eine Oppositionspartei, die nicht nur blockiere, sondern auch eigene Alternativen im Landtag einbringe.

Karl-Josef Laumann Im Gespräch mit Gerwald Herter | 07.07.2010
    Gerwald Herter: Und nun bin ich mit dem neuen CDU-Fraktionsvorsitzenden Karl-Josef Laumann verbunden. Gestern – Sie haben es gerade gehört – ist er gewählt worden. Guten Morgen, Herr Laumann, und herzlichen Glückwunsch!

    Karl-Josef Laumann: Ja! Guten Morgen!

    Herter: Herr Laumann, Sie haben 34 Stimmen bekommen. Das sind immerhin zwei mehr als Ihr Rivale, Integrationsminister Laschet. Ist das nun ein starkes Signal der Geschlossenheit, das da von der Landtags-CDU ausgeht?

    Laumann: Also man muss ja eines bedenken: Das war ja eine Kandidatur, die sehr fair abgelaufen ist, es ist ja nicht eine Kandidatur zwischen verschiedenen Flügeln der Partei gewesen, oder zwischen verschiedenen Landesteilen. Und ich habe schon den Eindruck, dass auch diejenigen, die Armin Laschet gewählt haben, sehr gut mit einem Fraktionsvorsitzenden Karl-Josef Laumann leben können. Genauso, wenn es umgekehrt gewesen wäre, hätten die, die die mich gewählt haben, auch mit einem Fraktionsvorsitzenden Armin Laschet gut leben können.

    Herter: Aber Kampfkandidaturen für solche Posten sind nun nicht gerade üblich, weder in Landtagen, noch im Bundestag. Warum war diese Kampfkandidatur denn notwendig?

    Laumann: Ja, gut, das ist ganz einfach. Wir hatten eine Situation, wo der Kollege Laschet, der ja nun auch eine sehr gute Arbeit hier in Nordrhein-Westfalen gemacht hat, auch sich für diese Position interessiert hat. Und ich mich im Übrigen eben auch. Und bevor man dann in Hinterzimmern Paketlösungen macht, wie das so oft in der Politik üblich ist, haben wir beiden uns entschieden, auch weil wir uns seit 20 Jahren sehr gut kennen, lasst doch einfach die Fraktion entscheiden, welchen Typ von Politiker sie jetzt gerne haben möchte, um in den nächsten Jahren die CDU-Landtagsfraktion zu führen und auch die Rolle des Oppositionsführers im nordrhein-westfälischen Landtag zu übernehmen.

    Herter: Sind Sie der Kandidat von Jürgen Rüttgers? Hat er da noch mal einen Sieg errungen?

    Laumann: Ich glaube, dass Jürgen Rüttgers sich aus dieser Frage völlig rausgehalten hat. Und ich möchte auch mal ganz deutlich sagen: Ich stehe zu dem, dass wir in den letzten fünf Jahren eine gute Arbeit für Nordrhein-Westfalen gemacht haben. Ich war fünf Jahre Mitglied dieses Kabinetts und ich bin auch stolz auf die Arbeit, die wir dort geleistet haben, und ich denke, dass das in der Beurteilung auch Armin Laschet nicht anders geht wie mir, denn er war auch fünf Jahre Mitglied dieses Kabinetts.

    Herter: Laschet wollen Sie in die Fraktionsarbeit einbinden, aber größer könnte der Gegensatz zwischen ihnen beiden eigentlich nicht sein. Er gilt als der große Modernisierer, Sie als nicht gerade Freund schwarz-grüner Optionen, für die Laschet steht. Das ist nur ein Beispiel. Mit Harmonieschwüren wird sich ja der inhaltliche Gegensatz zwischen ihnen beiden nicht überwinden lassen?

    Laumann: Wenn Sie gestern die beiden Vorstellungsreden in der Fraktion gehört hätten, hätten Sie festgestellt, dass 85 bis 90 Prozent der politischen Züge, die wir angegeben haben, zwischen Armin Laschet und mir gleich waren. Wir sind beides Menschen einer Generation, wir haben beide immer mehr im Bereich im weiteren Sinne der Sozialpolitik in unserer Partei gearbeitet, wir sind beide Mitglied der Christlichen Demokratischen Arbeitnehmerschaft. Und wissen Sie, wenn ich jetzt höre, der eine ist der Modernisierer und der andere steht für das, was schon immer war, dann kann ich nur sagen, als CDA-Bundesvorsitzender lebe ich seit vielen Jahren damit, dass ich immer in den Zeitungen als der Linke dargestellt werde, jetzt auf einmal bin ich derjenige, der Traditionalist ist, bin derjenige, der das Konservative bewahren will. Also ich kann schon über die Titulierungen, was die Medien dann aus einem Politiker machen und wie ein Umschwung in wenigen Tagen passiert, auch ein bisschen schmunzeln.

    Herter: Wer wird denn jetzt Landesvorsitzender der CDU?

    Laumann: Das steht überhaupt nicht fest. Wir werden diese Frage ja in aller Ruhe erörtern. Wir haben im nächsten Frühjahr unseren Parteitag. Ich finde, das muss jetzt in den Kreisverbänden in aller Ruhe besprochen werden. Die Entscheidung in der Fraktion ist ja eine andere wie in der Partei. Ich habe auf jeden Fall gestern in der Fraktion ganz klar gesagt, dass ich mich nicht für den Parteivorsitz interessiere, dass ich meine ganze Kraft auf die Frage der Gestaltung der Fraktion legen will, dass ich vor allen Dingen auch gerne möchte, dass die Fraktion eben nicht nur eine Opposition ist, wie das so viele Oppositionsfraktionen machen, die immer nur nein, nein sagen, sondern die auch Alternativen zu dem in den Landtag einbringen in Form von Anträgen zu dem, was die Regierung dann machen will. Ich glaube, dass man die Frage einfach mal in Ruhe noch ein bisschen abwarten muss.

    Herter: Würden Sie Herrn Laschet unterstützen, wenn er Landesvorsitzender werden will?

    Laumann: Da lege ich mich heute nicht fest. Man muss erst mal das Gesamt-Tableau sehen, wie das in unserer Landespartei weitergehen soll.

    Herter: Sie hören den Deutschlandfunk, ein Interview mit Karl-Josef Laumann, dem neuen Fraktionsvorsitzenden der CDU im nordrhein-westfälischen Landtag. – Herr Laumann, Sie haben den rot-grünen Koalitionsvertrag bereits gestern Abend kritisiert. Haben Sie die 88 Seiten auch schon gelesen?

    Laumann: Nein. Die 88 Seiten kann ich nicht gelesen haben, weil ich sie nicht habe, wie sie auch kein anderer Mensch zurzeit hat. Was wir haben, sind 32 Seiten Presseinformationen über diesen Koalitionsvertrag. Wissen Sie, bei diesem Koalitionsvertrag fällt mir in allererster Linie auf, dass ich nicht weiß, wie das, was man den Menschen dort alles verspricht, auch finanziert wird, und das ist ja der entscheidende Punkt. Ich bin nun auch fünf Jahre Mitglied einer Regierung gewesen. Ich habe in meiner Zeit sehr vieles Wünschenswertes zurückstellen müssen, weil schlicht und ergreifend dafür nicht die Finanzen da waren. Und das, was hier von Rot-Grün zurzeit vorgeschlagen wird, wird zumindest eine Mehrbelastung von über 2,8 Milliarden Euro, so wie wir das jetzt mal heute Nacht überschlägig berechnet haben, bedeuten. Geld, was nicht da ist, Geld, was später unsere Kinder bezahlen müssen. Und hier knüpft Rot-Grün wieder an dem an, was die immer gemacht haben: Einfach Geld ausgeben, eine Verschuldungsspirale in Gang setzen, wie das ja bis 2005 auch der Fall war. Und da kann ich nur den Kopf schütteln und sagen, das ist doch keine verantwortliche Politik der Nachhaltigkeit, sondern das ist eine Politik, wo man erst einmal eine Wohlfühlpolitik machen will. Das wird sicherlich bei dem einen oder anderen ankommen, aber es ist weder Tragen von Verantwortung, noch von Zukunftsgeist, wenn man an die jüngere Generation denkt.

    Herter: Sie, Herr Laumann, sind ja nun – das haben Sie erwähnt – profilierter Sozialpolitiker der CDU. Da müsste Ihnen doch das Herz aufgehen, wenn Rot-Grün jetzt die Studiengebühren abschaffen will.

    Laumann: Bei den Studiengebühren bin ich ja ganz anderer Meinung. Ich persönlich bin der Meinung, wenn ein Land einem Menschen eine gute Ausbildung finanziert, der anschließend gut verdient – und so waren die Studiengebühren konzipiert -, dann kann er sie auch zurückzahlen. Und sagen Sie mir mal: Warum ist das denn so, dass ein akademisches Studium gebührenfrei sein soll, wenn jeder Meister für seinen Meisterbrief heute über 10.000 Euro bezahlen soll.

    Herter: Weil es um Chancengleichheit geht. – Aber Sie haben natürlich auch Schulden gemacht, als Sie an der Regierung waren. Das wollen wir ja nicht verschweigen.

    Laumann: Aber wir wollen doch mal eins ganz klar festhalten: Wir haben eine Landesregierung übernommen im Jahre 2005 mit fast sieben Milliarden Neuverschuldung, und im Jahre 2008 hat es noch eine Milliarde Neuverschuldung gegeben. Im Übrigen das erste Jahr seit 1973, wo das Land Nordrhein-Westfalen mehr Geld eingenommen hat, wie es ausgegeben hat. Gut, dann hat uns auch die Wirtschaftskrise getroffen, wir haben fünf Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts verloren. Und trotzdem ist selbst in diesen Krisenjahren die Verschuldung unter dem geblieben, was im Jahre 2005 bei guten wirtschaftlichen Verhältnissen bei Rot-Grün üblich war. Ich kann jetzt nur erkennen: Man will alles machen, aber man hat das Geld dafür nicht. Man geht wie immer in die Verschuldung. Wissen Sie, das, was hier in der Politik seit 30 Jahren läuft, den Leuten etwas zu versprechen, was wir in Wahrheit nicht bezahlen können, sicherlich auch wünschenswerte Versprechen, das ist eigentlich ein Verbrechen an der Generation, die uns folgen wird.

    Herter: Das war der CDU-Fraktionsvorsitzende im nordrhein-westfälischen Landtag, Karl-Josef Laumann. Herr Laumann, vielen Dank und einen schönen Tag.

    Laumann: Danke schön! Auf Wiederhören.

    Weitere Beiträge bei dradio.de:
    Interview mit Wolfgang Bosbach: "Ehemalige CDU-Wähler zurückgewinnen"
    DLF-Magazin: Düsseldorfer Erbstreit der NRW-CDU