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"Jetzt können wir noch mal schön durchbeschleunigen"

Gerade einmal fünf Frauen haben es in der fast 60-jährigen Formel 1-Geschichte hinters Steuer geschafft und nur eine von ihnen hat vor über 30 Jahren überhaupt mal Punkte eingefahren. Eine rasante Rundfahrt auf dem Nürburgring mit der Profifahrerin Claudia Hürtgen.

Von Matthias Kastning | 24.05.2009
    "Also wir fahren jetzt erstmal eine Warm-up-Runde, damit das Auto auch warm gefahren ist. Motor, Reifen, alles schön warm fahren und deshalb fährt man morgens immer eine Warm-up-Runde und da dürfen Sie jetzt mitfahren. So, ab hier geht's los und das drückt einen auch schon ganz gut in die Sessel. 500 PS!"

    Sekunden später steht die die Tachonadel bei 180, während Claudia Hürtgen lässig - mit nur einer Hand am Lenker - zu plaudern beginnt: Sie nennt die Namen der durchfahrenen Kurven, zählt auf, wie viele Unfälle pro Tag durch Hobbyfahrer in der Nordschleife verursacht werden und meint abschließend, dass sie solche Besucherfahrten wie im Schlaf fährt. Dabei unterschlägt sie die starke körperliche Belastung, die im richtigen Rennen stramm nach oben geht. Ein Grund, warum viele Männer nach wie vor glauben, dass Frauen in den höheren Rennklassen ohnehin keine Chance haben. Der britische Formel 1-Pilot Jenson Button zum Beispiel war 2005 in einem Interview noch fest davon überzeugt, dass Frauen die Fliehkräfte in schnellen Kurven weniger gut aushalten als Männer.

    "Prinzipiell sind das zwei Kräfte."

    Erklärt Dr. Billy Sperlich, Leiter der Abteilung Talentforschung und Ausdauerdiagnostik an der Sporthochschule Köln:

    "Das ist einmal die Beschleunigungskraft und dann in Kurven sind es die Fliehkräfte. Und die Fliehkräfte, denen muss man natürlich mit Muskelkraft entgegenwirken, weil man ja lenken muss, man muss den Kopf in der richtigen Position halten. Das heißt, um diese Fliehkräfte ausgleichen zu können, ist die mittlere Frau gegenüber dem mittleren Mann etwas unterlegen natürlich. Das heißt aber nicht, dass eine Frau, die Muskulatur nicht so auftrainieren kann, dass sie diesen Belastungen standhalten könnte. Also die Frau muss dann die Bauch-, Rücken-, Halsmuskulatur so auftrainieren, um diesen Fliehkräften standzuhalten."

    Dass Frauen absolut in der Lage sind, mit diesen Kräften klar zu kommen und auch sonst physisch keine Probleme mit dem Rennsport haben, hat im letzten Jahr die Amerikanerin Danica Patrick eindrucksvoll bewiesen, als sie ihr erstes Rennen in der obersten US-Rennserie, der Indy Racing League, gewann. Die Gründe warum es so wenige Frauen im Rennsport gibt, muss man also woanders suchen. Die Kollegen, die als Zuschauer am Nürburgring unterwegs sind - alles Experten natürlich - wissen selbstverständlich genau, was die Ursachen sind:

    "Das wird wahrscheinlich daran liegen, das die Männer halt einfach besser Autofahren als die Frauen. Muss ich ganz klar sagen, ja doch, das ist so ... Vielleicht weil sie nicht gut genug sind, ich hab keine Ahnung ... Vielleicht zu gefährlich für die Frauen, oder so. Oder ein bisschen mehr Respekt denke ich ... Ja, ich glaube, das ist bestimmt so was Ähnliches wie Frauenboxen, gibt's auch nicht so oft und vielleicht zu anstrengend für den femininen Körper ... kein Ahnung."

    Genau diese hartnäckigen Vorurteile sorgen dafür, dass Teamchefs in der Formel 1 so gut wie nie Fahrerinnen hinters Steuer holen beziehungsweise sie frühzeitig ausbremsen. Die Betroffenen selbst führen es darauf zurück, dass Frauen oft der nötige Biss fehlt, sich in dieser von Männern dominierten Szene durchzusetzen. Zu diesen persönlichen Kämpfen, die Frauen durchfechten müssen, gesellt sich dann außerdem noch der ganz normale Konkurrenzkampf auf dem Weg nach oben.

    "Das liegt daran, dass natürlich der Aufwand den man betreiben muss und das Ganze rundherum. Man muss schon ziemlich fixiert alles im Motorsport machen um da auch Step-by-step weiter zu kommen und, ja, das ist halt nicht jedem sein Ding und ich denke mal, deshalb ist auch die Zahl der Damen im Motorsport sehr, sehr gering."

    Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass Frauen auf dem Siegertreppchen der Formel 1 das Ehrgefühl ihrer männlichen Kollegen mächtig ankratzen würden. Bleibt nur zu hoffen, dass Männer sich in Zukunft gegenüber Frauen kollegialer und fairer verhalten und dass Frauen sich umgekehrt nicht abhängen lassen. Denn es gibt viele begabte Kartfahrerinnen, die es verdient hätten, in der Formel 1 mitzufahren. Von daher, weitermachen und Gas geben!

    "Jetzt sind wir wieder zurück auf der Döttinger Höhe und können noch mal schön durchbeschleunigen: 220, 230, 240. Okay, dann lassen wir jetzt abkühlen. Bremsen, ein bisschen abkühlen."