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"Jetzt muss alles auf den Tisch"

Angesichts der finanziellen Schwierigkeiten bei der WestLB hat die Vorsitzende der nordrhein-westfälischen SPD, Hannelore Kraft, das Bankhaus aufgefordert, umgehend alle Risiken offenzulegen. Die Zahlen dürften nicht wie bei einer Salamitaktik nach und nach vorgelegt werden, sagte Kraft.

Moderation: Christian Schütte | 21.01.2008
    Schütte: Die Auswirkungen der Immobilien- und Hypothekenkrise in den USA sind noch längst nicht vorbei. Nun hat es die Landesbank in Nordrhein-Westfalen getroffen. Die WestLB steckt in finanziellen Schwierigkeiten. Allein 2007 soll das Unternehmen eine Milliarde Euro verloren haben. Eine weitere Milliarde soll noch oben drauf kommen. Gestern haben sich die Eigentümer beraten, wie sie die Krise der Landesbank bewältigen können. Am Morgen hat das Unternehmen erste Pläne vorgestellt.

    Finanzkrise bei der West-LB. Darüber spreche ich nun mit Hannelore Kraft, der nordrhein-westfälischen SPD-Chefin. Guten Tag Frau Kraft!

    Kraft: Guten Tag Herr Schütte.

    Schütte: Hat sich die WestLB wie zuvor schon die Sächsische Landesbank mit windigen Geschäften verspekuliert?

    Kraft: Ja, so scheint es. Das hat der Kollege Zurheide ja gerade noch mal dargelegt, wie der Werdegang war. Wir sind jetzt bei einem Umfang von rund einer Milliarde. Das kann ich der Pressemitteilung entnehmen. Da steht aber noch ein "cirka" davor. Also ich weiß nicht, ob das das Ende ist. Ich bin der Auffassung, jetzt muss alles auf den Tisch. Bei uns hier in Nordrhein-Westfalen hat das der Ministerpräsident Herr Rüttgers zur Chefsache gemacht. Von ihm erwarten wir jetzt auch Antworten. Es kann nicht so weiter gehen, dass wir hier wie nach einer Salami-Taktik eine Zahl nach der anderen präsentiert bekommen. Im November war es noch ein niedriger dreistelliger Millionenbetrag.

    Schütte: Wie groß schätzen Sie das Ausmaß der Krise ein?

    Kraft: Das "Cirka" vor der eine Milliarde macht mich bösgläubig. Ich glaube, dass das noch nicht das Ende der Fahnenstange sein wird. Ich habe keinen Einblick in die Unterlagen. Ich kann das nicht verifizieren. Ich fürchte aber es wird dabei vielleicht nicht mal bleiben. Da erwarten wir jetzt Antworten. Wir haben diese Woche Plenarsitzung und wir erwarten Unterrichtung der Landesregierung dazu.

    Schütte: Hat der Aufsichtsrat der WestLB geschlafen?

    Kraft: Auch das muss man jetzt im Detail sich genau anschauen. Das mit den Suprimes, das weiß man ja auch aus den anderen Fällen. Das betrifft ja fast die gesamte Republik nach meinen Informationen. Mit diesen schwierigen Krediten aus dem USA-Geschäft, das muss man sich genauer ansehen. Warum ist das in der Aufsicht nicht aufgefallen? Welche Risikostrategie stand dahinter? Dass wir 600 Millionen Euro Fehlspekulationen hatten, war ja vorher schon klar. Das waren klare Fehlspekulationen. Der Vorstand ist da schon entlassen worden. Der jetzige Vorstand ist dafür sicherlich nicht zu belangen.

    Schütte: Es hat bereits Konsequenzen gegeben. Das haben Sie angesprochen. Aber reicht das denn aus?

    Kraft: Das werden wir jetzt sehen, wenn Daten und Fakten auf dem Tisch liegen. Deshalb brauchen wir dringend diese Unterrichtung. Für uns geht es auch um die Frage, wenn jetzt wieder von den Anteilseignern und damit auch vom Land Geld in die WestLB zur Stützung hineingeschoben wird, ist natürlich wichtig: Gibt es einen wirklich funktionierenden Restrukturierungsplan? Was ist mit der Kooperation, der Fusion, die angedacht ist, mit der HeLaBa in Hessen? Ist die vielleicht auch von entsprechenden Problemen betroffen? Das kann man ja im Moment auch noch nicht absehen. Oder was ist mit den Arbeitsplätzen, was droht uns dort? Was ist mit dem Bankenstandort Düsseldorf? Was ist mit dem Bankenstandort Münster, die ja dann auch immer mit in Gefahr sind?

    <im_17094>Kraft, Hannelore</im_17094>Alles das wollen wir jetzt von der Landesregierung wissen und ich bin sehr gespannt darauf, was der Ministerpräsident uns dazu sagen wird. Wir haben dadurch wertvolle Zeit verloren - das darf man glaube ich festhalten -, dass der Ministerpräsident erst sehr spät entschieden hat, in welche Richtung er denn marschieren will. Wir haben mindestens ein halbes Jahr, wenn nicht noch mehr verloren und das war sicherlich kostbare Zeit. Ich fürchte, wenn es um die HeLaBa geht, dass Hessen natürlich nach dem Wahlkampf, wenn es dort zu neuen Konstellationen auch kommt, über entsprechende Verhandlungen, Koalitionsverhandlungen noch weiter blockiert wird, so dass wir noch weiter Zeit verlieren würden. Da sind wir schon gespannt, welcher konkrete Restrukturierungsplan denn jetzt dahinter steht.

    Schütte: Sie haben andere Landesbanken schon angesprochen. Es scheint als habe man mit denen nichts als Ärger. So sieht es im Moment aus. Welchen Mehrwert bringen Landesbanken überhaupt?

    Kraft: Es betrifft ja nicht nur Landesbanken. Es betrifft auch Privatbanken beziehungsweise Aktiengesellschaften aus dem privaten Sektor. Da haben wir die entsprechenden Daten ja auch in den letzten Wochen schon bekommen.

    Schütte: Bleiben wir aber bei den Landesbanken. Wie viel Zukunft hat ein solches Konzept?

    Kraft: Ich halte es grundsätzlich für richtig, dass wir ein öffentlich-rechtliches Bankensystem in Deutschland aufrecht erhalten. Das war ja auch über Jahrzehnte ein erfolgreiches Modell. Dass man in Risiken hineingegangen ist, die man besser nicht hätte annehmen können, das ist eine andere Frage. Das hat aber nichts mit der Grundstruktur der Landesbanken zu tun. Ein öffentlich-rechtliches Bankensystem ist für unser Land gut. Dabei bleibe ich. Dazu gehören die Landesbanken und dazu gehören auch die Sparkassen.

    Nur darüber können wir sicherstellen, dass in Deutschland und auch insbesondere hier in Nordrhein-Westfalen jeder noch ein Konto bekommen kann. Wir können nach England schauen und sehen, wenn es kein öffentlich-rechtliches System mehr gibt, dass dort viele Menschen kein Konto haben und sie damit auch vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen sind, ganz zu schweigen von der wichtigen Rolle der Sparkassen, gerade was kleine Betriebe angeht, Handwerksbetriebe angeht in der Kreditvergabe oder bei Landesbanken auch in den Mittelstand hinein.

    Schütte: Jetzt sollen mehrere Landesbanken in welcher Konstellation auch immer miteinander fusionieren. Es gibt sogar den Vorschlag, dass alle Landesbanken zu einer großen bundesweiten Landesbank fusionieren, wenn man das mal so sagen kann. Wie schätzen Sie diese Zukunft ein?

    Kraft: Auch da muss man jetzt die Details abwarten. Jetzt müssen erst mal alle Risiken auf den Tisch. Die WestLB als AG ist ja nun zu Quartalszahlen aufgefordert. Sie muss die Quartalszahlen auf den Tisch legen. Ich weiß, dass einige Landesbanken das nicht müssen, weil sie eine andere Struktur haben, Anstalten öffentlichen Rechts sind, in Bayern und in Baden-Württemberg meiner Kenntnis nach beispielsweise. Deshalb sind die da noch hinten dran. Ich glaube da werden noch viele, viele schwierige Nachrichten auf uns zukommen. Ich glaube nicht, dass sich die Strategie der WestLB so stark unterschieden hat von der Strategie anderer Landesbanken.

    Schütte: Noch ein Wort zu Wolfgang Clement. Viele Ihrer Parteifreunde wollen ihn nach seiner indirekten Wahlempfehlung gegen die SPD vom Wochenende ausschließen. Sie wollen ein Vier-Augen-Gespräch mit ihm führen. Was legen Sie ihm nahe?

    Kraft: Ich habe das nicht gesagt, dass ich ein Vier-Augen-Gespräch suchen würde. Das ist eine Fehlspekulation der entsprechenden Zeitung. Ich habe mich klar geäußert. Ich habe dazu eine Presseerklärung rausgegeben und mehr würde ich dazu auch ungern sagen wollen.

    Schütte: Hannelore Kraft, die SPD-Landesvorsitzende in NRW. Ich danke für das Gespräch!

    Kraft: Vielen Dank!