Donnerstag, 25. April 2024

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Jiddische Lieder
Massel und Schlamassel

"Denke nicht, dass du alles verloren hast, du hast immer etwas, und sei es nur ein Lied": In diesem Sinnspruch sieht der Liedermacher Daniel Kempin eine jüdische Lebensphilosophie. Kempin gibt durch jiddische Lieder Einblick in die Welt europäischer Juden aus über tausend Jahren.

Am Mikrofon: Thilo Braun | 03.08.2021
    Schwarz-weiß-Aufnahme einer Frau, die mit dramatischem Gesichtsausdruck und nach oben gestreckten Händen singt.
    Die niederländische Sängerin Lin Jaldati ging 1942 in den Untergrund, wo sie illegale Hauskonzerte mit jiddischen Liedern gab und anderen verfolgten Juden half. (picture alliance/dpa-ZB / FSU Jena)
    Glück und Unglück liegen manchmal nah beieinander. "Masl Un Schlamasl" nannte Daniel Kempin 1992 eines seiner ersten Musikalben mit jiddischen Liedern. "Masl" ist das jüdische Wort für Glück, Schlamassel das Gegenteil davon. So erzählen auch die jiddischen Liedtexte in Kempins Repertoire von beiden Extremen: "Jüdischer Todessang" etwa ist eine erschütternde Klage über die Vergasung in Konzentrationslagern, "Bei Mir Bistu Shein" dagegen ein humorvolles Liebesgeständnis im multilingualen Kauderwelsch, das in der englischen Version heute weltberühmt ist. Die Beschäftigung mit jiddischem Liedgut vom Mittelalter bis heute war für Kempin zugleich eine Suche nach der eigenen Identität - denn seine jüdische Großmutter konvertierte einst unter dem Druck der Nationalsozialisten zum katholischen Glauben. Kempin hat diese Entscheidung, als Sohn eines katholischen Organisten, für sich rückgängig gemacht und ist heute Kantor einer jüdischen Gemeinde in Frankfurt.