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Jodeln am Ort der Leiden Christi

Wo sonst die Leidensgeschichte Jesu dargestellt wird, präsentieren nun Volksmusiker und Rockbands ihre Songs. Mit seinem Vorhaben, die Bühne der Passionsfestspiele auch für weltliche Zwecke zu nutzen, stößt Theaterchef Christian Stückl nicht nur auf Zustimmung.

Von Susanne Lettenbauer | 05.08.2013
    Zelte aller Größen und Farben, Wohnwagen aus ganz Bayern, wo sonst die Autos der Passionsspielgäste parken. Rund um das Passionstheater von Oberammergau ungewohnte Rock-Festivalstimmung. Besucher baden in blauen Swimmingpools, Gruppen von jungen Menschen sitzen mitten auf der Straße. Hier, wo mit ernsten Mienen alle zehn Jahre das Leiden Christi zelebriert wird, sitzen sie mit nacktem Oberkörper an den Theatereingängen. Ältere Gäste laufen vorbei:

    "Das finde ich schon fantastisch, für junge Leute das zu machen, das zu veranstalten, ich gehöre da nicht mehr dazu, aber ich freue mich einfach dran, sind ja viele junge Leute auch hier.´"

    Diese älteren Damen sahen vor wenigen Tagen noch hier auf der Bühne die Neuinszenierung vom Leben Moses, jetzt klingt es ganz anders von dort vor dem Bühnenbild der Moses-Inszenierung:

    "Für die Alten gibt es Moses und für die jungen machen sie dieses hier, das finde ich gut, dass da mal was ganz anderes dazwischen ist."

    Auf der Passionsspielebühne spielen die Bananafishbones kräftigen Countryrock, die Festivalbesucher stehen und sitzen barfuß auf dem Holzboden des Zuschauerraumes, wo sonst die Stuhlreihen stehen. Mittendrin Theaterchef und Passionsspielleiter Christian Stückl:

    "Zu Oberammergau gehören die Passionsspiele, wir haben, was das Theater angeht, viele biblische Stoffe gemacht, aber all die jungen Leute, die auf der Bühne stehen, Musik und Theater spielen, haben auch mal auf ganz andere Musik Lust und warum soll man nicht die Musik machen, auf die die Leute Lust haben."

    Im Dorf wurde das Festival anfangs kontrovers diskutiert, so Stückl, aber letztlich konnte er sich durchsetzen. Am Tresen steht sein Vater, seit Jahrzehnten auf der Passionsbühne, am Ticketschalter ein weiterer Passionsdarsteller:

    "Nein, das ist doch super, dann ist was los, sind mal andere Leute da, jung, alt, ich glaube, dass das eine gute Sache ist. Diskussionen gibt es immer, das macht ja nichts, in Diskussionen setzt man sich mit Themen auseinander, aber im Großen und Ganzen ist das eine tolle Sache."

    "Also mittlerweile ist es fast so, dass wir eigentlich fast machen können, was wir wollen und das ist gut so, dass es sich so entwickelt hat, also da gibt es keine Probleme mehr, da sitzen auch Gemeinderäte drin, die hochzufrieden sind. Gibt sicher welche, die immer noch maulen, aber das ist nicht schlimm."

    Die Idee zu dem Heimatsound-Festival kam von dem Oberammergauer Fredrik Mayet. Ausgerechnet von ihm. 2010 spielte er den Jesus auf der Bühne.

    "2011 haben wir das erste Mal ein Konzert gemacht von einer österreichischen Band und da haben wir gemerkt, das funktioniert ja eigentlich ganz ganz, dass man hier auch mal was anderes macht. Das war damals ein bestuhltes Konzert und da waren so 850 Leute drin und vorne nur fünf Reihen ausgebaut. Auf einmal haben da Menschen getanzt im Passionstheater, da dachte ich, das ist ja Wahnsinn, dass das funktioniert und das war so eine gute Stimmung."

    Der frühere Jesusdarsteller Mayet hat überhaupt kein Problem damit, jetzt Rockbands genau dort stehen zu sehen, wo er sehr effektvoll ans Kreuz genagelt wurde und das Leiden Jesu dargestellt hatte. Konservative Dorfbewohner sahen das anders, weiß er:

    "Na ich glaub, dass viele abwarten, ganz kritisch, aber das ist das Gute. Ich habe gesagt, wir probieren es erst mal, wenn es nicht funktioniert, redet man danach drüber, aber man muss es mal ausprobieren. Man kann viele Sachen vorher schon totreden und ich glaub, viele, die vorher schon skeptisch waren oder dagegen – alle wird man nie überzeugen – sind jetzt vielleicht dafür und finden das es eine schöne Sache ist."

    Vorn auf der Bühne, wo hinter den Bands das Bühnenbild zur biblischen Geschichte des Moses zu sehen ist, spielen die Bananafishbones ihre Zugabe. Für die Band gab es von Anfang an keinen Zweifel daran, dabei sein zu wollen. Sänger Sebastian Horn:

    "Also jetzt stehen wir grad mittendrin in Jerusalem, in der Kulisse jedenfalls, super Festival, super Wetter, schöne Location, was will man mehr."

    Natürlich kommt auch die Band Kofelgschroa, der Durchstarter aus Oberammergau, auf die Passionsbühne. Danach die Münchner Band Jamaram, die nicht lange überlegte und nach der Anfrage aus Oberammergau zusagte:

    "Also ich bin jetzt nicht so voreingenommen, weil hier jetzt ein Religionsstück aufgeführt wird. Ich find's toll, dass die hier auch andere Sachen machen, so Sachen wie Heimatsound und andere Sachen. Wäre ja eine Schande, wenn das hier immer leer stehen würde, also diese Halle, wirklich eine sauschöne Halle."

    Die wichtigsten bayerischen Sänger und Bands treten während des ersten Heimatsoundfestivals in Oberammergau auf: Hans Söllner, Ringsgwandl, Moop Mama, Attwenger, Kofelgschroa. Und das Passionsspieltheater zeigt sich dem erstaunlich gewachsen, die Akustik ist hervorragend, die Stimmung entspannt. Oberammergau einmal ganz anders.