Dienstag, 19. März 2024

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Jörg Meuthen (AfD)
"Wir haben uns als Volkspartei etabliert"

Mit den Wahlergebnissen in Sachsen und Brandenburg sei die AfD hochzufrieden, sagte Jörg Meuthen im Dlf. Sie habe sich als Volkspartei etabliert und sei "eine rechte Partei". Der sogenannte "Flügel" um Björn Höcke werde im Herbst wieder Teil des Bundesvorstandes sein.

Jörg Meuthen im Gespräch mit Philipp May | 02.09.2019
Joerg MEUTHEN (Stellv. Fraktionsvorsitzender Europa der Freiheit und der direkten Demokratie Europaeisches Parlament, MdEP/AfD) waehrend der Diskussionsrunde. 22. Internationales WDR Europaforum 2019 im Auswaertigen Amt in Berlin, Deutschland am 23.05.2019. Â | Verwendung weltweit
Jörg Meuthen, AfD-Ko-Vorsitzender (SVEN SIMON)
Wenn man aus AfD-Sicht mit dem Wahlergebnis aus Sachsen und Brandenburg nicht zufrieden sei, wisse er nicht, wie man Zufriedenheit definiere, sagte der AfD-Bundesprecher Jörg Meuthen nach den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg im Deutschlandfunk. Auch wenn alle anderen Parteien eine Zusammenarbeit mit der AfD ausschließen, könne die Partei aus der Opposition heraus gestalten, sagte Meuthen.
Die Abgrenzung nach rechts sei notwendig und würde praktiziert, betonte der AfD-Bundesprecher. Der Parteiausschluss von Doris von Sayn-Wittgenstein sei Beleg dafür, so Meuthen. Auch der Landesverband Schleswig-Holstein habe mittlerweile seine Unterstützung für die Politikerin zurückgezogen und den Parteiausschluss akzeptiert.
Landtagswahl Brandenburg 2019
"Wir sind eine rechte Partei", so AfD-Politiker Meuthen weiter. Seine Partei habe sich durch diese Wahlergebnisse aber als Volkspartei etabliert. Über den Spitzenkandidaten der AfD in Brandenburg, Andreas Kalbitz, sagte Meuthen: "Von dem kann ich gesichert sagen: Dieser Mann ist nicht rechtsextrem." Kalbitz grenze sich heute von seinen früheren Aktivitäten ab. "Eine Nähe zur NPD wird in unserer Partei nicht akzeptiert", betonte Meuthen.

Landtagswahl Sachsen 2019
Der rechte "Flügel" sei aber Teil der AfD, den der Bundesvorstand auch abbilden müsse, sagt Jörg Meuthen. Er gehe davon aus, dass die informelle Vereinigung des Flügels im Herbst wieder Teil des Bundesvorstands werde, aber dort keine Majorität erlange.

Das Interview in voller Länge:
Philipp May: Guten Morgen, Jörg Meuthen!
Jörg Meuthen: Guten Morgen, Herr May.
May: Sind Sie zufrieden mit dieser Wahlnacht?
Meuthen: Ja, wir sind hoch zufrieden. Das ist ein Ergebnis, das ja nun besser gar nicht sein könnte. Im Grunde genommen haben alle anderen Parteien deutliche Einbußen erzielt. Die Grünen haben einen leichten Zuwachs, sind aber deutlich hinter den Prognosen geblieben. Und wir haben sensationelle Zuwächse. Wenn man da nicht zufrieden ist, dann weiß ich nicht, wie man Zufriedenheit definiert.
"Wir werden sehr stark von unseren Gegnern stigmatisiert"
May: Und doch werden Sie bis auf Weiteres in der Opposition bleiben, weil alle Parteien die Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch ausgeschlossen haben.
Meuthen: Das ist so und damit haben wir von Beginn an gerechnet. Noch werden wir sehr, sehr stark von unseren Gegnern stigmatisiert. Wir wissen aber auch aus Erfahrung, dass man aus der Opposition heraus durchaus vital Politik mitgestalten kann. Ich glaube, wir haben immer wieder Gesetzesanträge eingebracht, eigentlich in allen Landtagen, und im Bundestag gibt es das auch. Die werden dann natürlich nicht angenommen, erscheinen aber kurze Zeit danach mit einem anderen Label – da steht dann CDU oder SPD drüber – erneut. Es sind zwei, drei Sätze geändert und dann erlangt das Gesetzeskraft. Das zeigt schon, dass wir die anderen treiben und dass wir mitgestalten.
May: Aber meinen Sie, an dieser, wie Sie es sagen, Stigmatisierung wird sich etwas ändern, solange Sie sich nicht klar nach rechts abgrenzen? Selbst ein Vertreter der dezidiert konservativen CDU wie Hans-Georg Maaßen, der schließt Koalitionen mit Ihnen aus, solange Sie das nicht tun.
Meuthen: Ich glaube, die anderen sehen noch nicht, dass wir das tun. Nehmen Sie exemplarisch in der letzten Woche. Da hatten wir den Parteiausschluss von Doris von Sayn-Wittgenstein. Das ist eine solche Maßnahme.
May: … den der Landesverband in Schleswig-Holstein allerdings nicht anerkennt.
Ausschluss von von Sayn-Wittgenstein aus AfD-Fraktion
Meuthen: Das ist falsch. Das hat sich mittlerweile geändert.
May: Ach! Seit wann?
Meuthen: Dazu wird es heute noch Presse geben.
May: Okay! Alles klar. Jetzt ist es ganz klar: Doris von Sayn-Wittgenstein ist raus aus der AfD und auch akzeptiert in Schleswig-Holstein?
Meuthen: Definitiv, ja.
May: Okay. – Erzählen Sie weiter. Das mussten wir aber kurz klarstellen.
Meuthen: Wir haben diese Abgrenzung nach rechtsaußen sowieso in den eigenen Reihen. Die ist auch notwendig. Das muss man machen. Wir haben eine Programmatik. Wenn Sie da reinschauen, dann finden Sie nichts Radikales, nichts Extremes, sehr wohl Rechtes. Wir sagen ja auch dezidiert, wir sind eine rechte Partei. Ich sage immer, es ist konservativ, es ist freiheitlich, es ist patriotisch.
Wir sind rechte bürgerliche Mitte und das haben viele noch nicht erkannt, und ich kann, ehrlich gesagt, unsere Gegner sogar verstehen, dass sie uns stigmatisieren, denn wir sind nun mal Gegner und also versuchen sie uns zu bekämpfen. Und der wirkungsvollste Weg, in Deutschland das zu tun, ist immer noch, irgendetwas Rechtsextremes einem anzuhängen, auch wenn es gar nicht vorhanden ist. Insofern versuchen die das partiell erfolgreich. Dass sie nicht wirklich erfolgreich sind, kann man an den Wahlergebnissen in Brandenburg und Sachsen exemplarisch sehen, denn wir haben uns damit, glaube ich, das wird niemand bestreiten, als Volkspartei etabliert – endgültig!
Andreas Kalbitz "ist nicht rechtsextrem"
May: Aber mit dem nicht erkennen, Herr Meuthen, ist das so eine Sache. Sie haben es auch mitbekommen, logischerweise: Der "Spiegel" hat jetzt noch mal enthüllt, dass Andreas Kalbitz, Spitzenkandidat der AfD in Brandenburg, 2007 mit einer deutschen Neonazi-Gruppe zu einem Neonazi-Aufmarsch nach Athen gereist ist. Auch der Chef der NPD Voigt war dabei. Bei weitem nicht der erste Kontakt von Kalbitz zu Rechtsextremen, der nachgewiesen ist. Das zieht sich durch seine ganze Vergangenheit. Sie als einer, der sich bürgerlich-konservativ bezeichnet – Sie haben es gerade getan –, was denken Sie darüber? Ist das Abgrenzung, wenn so jemand in Brandenburg die Partei führt?
Meuthen: Zunächst einmal lassen Sie mich sagen, dass ich über die genauen Hintergründe dieser Reise nicht informiert bin. So wie ich es erzählt bekommen habe, ist er nicht mit denen gemeinsam gereist, sondern war auch dort. Aber lassen Sie uns das nicht durchdeklinieren, weil ich Ihnen das nicht alles gesichert sagen kann.
May: Okay.
Meuthen: Ich kann Ihnen aber sagen, ich kenne Andreas Kalbitz seit Jahren und er macht in der AfD eine exzellente Politik. Er ist ein sehr, sehr strukturierter Kopf. Er ist ein glänzender Organisator. Er ist ein sehr fleißiger Mensch und ich arbeite mit ihm gut zusammen. Und ich habe von Andreas Kalbitz noch nie etwas Extremes oder ansatzweise Extremistisches gehört. Ich beurteile den Andreas Kalbitz, den ich kenne, und von dem kann ich gesichert sagen, dieser Mann ist nicht rechtsextrem.
Nähe zur NPD wird "nicht akzeptiert"
May: Aber ich frage Sie doch noch mal als AfD-Co-Chef. Wie gehen Sie damit um, dass einer Ihrer Top-Vertreter, ganz vorsichtig formuliert, offenbar keinerlei Berührungsängste im Umgang mit Neonazis gezeigt hat? Sonst wäre er ja nicht nach Athen gefahren.
Meuthen: Das Entscheidende ist die Zeitform. Er hatte und er hat das heute sicherlich nicht. Er nennt das selbst eine Findungsphase in seinem Leben und er sagt mit recht – ich finde das einen klugen Umgang damit –, ich kann mich ja nicht von mir selbst distanzieren und das ist ein Bestandteil meines Lebens, dass ich auch da gesucht habe als jüngerer Mann. Das finde ich einen respektablen Umgang. Das wäre aus heutiger Sicht definitiv inakzeptabel in unserer Partei. Das weiß er, das weiß ich, das weiß jeder. Aber das betrifft seine Vergangenheit und ich beschäftige mich mit der Gegenwart und der Gestaltung der Zukunft und kann das ruhen lassen, weil ich Andreas Kalbitz, so wie ich ihn kenne, definitiv nicht als in irgendeiner Form extrem einstufe.
May: Einmal muss ich noch nachfragen. Reist jemand, der fest auf dem Grundgesetz, auf dem Boden des Grundgesetzes steht und auf dem Boden Ihres Parteiprogramms, wie Sie sagen, mit dem NPD-Chef oder zu einem Nazi-Aufmarsch nach Athen, wo der NPD-Chef auch anwesend ist, um es mal vorsichtig zu formulieren, um sich das einfach mal anzugucken und danach festzustellen, hoppla, da sind ja Nazis? Hat ein Konservativer, wie Sie es sind, wie Sie sich selbst bezeichnen, da kein Problem mit?
Meuthen: Noch mal: Ich weiß nur – und das hat er bestätigt –, dass er dort auch in Athen war. Ich weiß nicht, ob er dort mit Herrn Voigt hingereist ist. Meines Wissens ist er das nicht.
"Der Flügel ist eine starke Minderheit in der Partei"
May: Okay! Ich habe es ja vorsichtig formuliert.
Meuthen: Das muss man dann im Detail sehen. Ich werde mich darüber auch mit Herrn Kalbitz noch mal unterhalten. Aber alles was recht ist: Entscheidend ist, was heute ist, und heute ist Andreas Kalbitz definitiv weit entfernt von einer Nähe zur NPD oder Ähnlichem. Eine Nähe zur NPD wird in unserer Partei auch nicht akzeptiert. Und Sie können es exemplarisch sehen an dem Parteiausschlussverfahren, das jetzt letzte Woche erfolgreich verlief.
May: Okay! Nichts desto trotz: Andreas Kalbitz ist ein Repräsentant, ein hoher Repräsentant des Flügels. Auch Jörg Urban, der Spitzenkandidat in Sachsen, gilt als Flügelsympathisant. Ist der Flügel endgültig das neue Kraftzentrum der Partei?
Meuthen: Nein. Der Flügel ist eine starke Minderheit in der Partei. Es ist ein informelles Bündnis zunächst einmal. Es ist eine Gruppierung der dezidiert Nationalkonservativen. Wir haben einen Anteil des Flügels – lassen Sie mich schätzen – von vielleicht 25, 30 Prozent, nicht höher. Es wird im späten Herbst dann auch um die Neuwahl des Bundesvorstandes gehen und da werden Sie sehen, dass der Flügel wieder im Bundesvorstand vertreten sein wird, dort aber nicht die Majorität stellt. Und so ist es auch richtig, denn die Führung einer Partei muss eigentlich alle Parteiströmungen abbilden. Das haben wir und das werden wir auch wieder haben. Da bin ich ganz zuversichtlich.
May: Bekanntester Vertreter des Flügels, Björn Höcke, liebäugelt ja auch, gegen Sie bei der Wahl als Bundesvorsitzender Ende des Jahres anzutreten. Müssen Sie sich da Sorge machen?
Meuthen: Ich mache mir bei so was grundsätzlich keine Sorge. Ich habe auch nicht gehört, dass er damit liebäugelt, gegen mich anzutreten.
"Björn Höcke kann gerne gegen mich antreten"
May: Er sagt, wenn er mit dem Wahlkampf in Thüringen durch sei, werde er sich zum ersten Mal mit großer Hingabe und mit großer Leidenschaft der Neuwahl des Bundesvorstands hingeben. Das waren seine Worte öffentlich.
Meuthen: Das lässt ja viele Interpretationsmöglichkeiten offen. Und wenn es Björn Höcke gelüstet, für den Bundesvorstand zu kandidieren, dann möge er das tun. Und wenn er meint, gegen mich kandidieren zu wollen, dann ist das sein gutes Recht, das zu tun. Das ist nichts, was mich in irgendeiner Form nervös macht oder meinen Pulsschlag erhöht.
May: Sind die Höckes und Kalbitze bei Ihnen nicht längst in der Mehrheit?
Meuthen: Nein! Das wissen Sie auch, dass sie das nicht sind. Schauen Sie, Björn Höcke hat auch – das weiß ich – in Hannover vor zwei Jahren erwogen zu kandidieren und hat dann schließlich Abstand davon genommen. Er muss für sich selbst entscheiden, ob er das jetzt tut. Ich würde vermuten, dass er es wahrscheinlich nicht tut, aber wenn er es tut, ist es auch recht.
May: Wenn wir in Ihren eigenen Kreisverband, den Ortenaukreis schauen. Sie sind da als Bundesvorsitzender nicht als einer der Delegierten für den Parteitag gewählt worden. Alle vier, die stattdessen gewählt wurden – Sie haben sich natürlich aufstellen lassen –, die gelten jetzt als flügelnah. Ihr eigener Verband würde eher Höcke wählen als Sie.
Meuthen: Dieser Kreisverband ist – das ist aber in Baden-Württemberg hinlänglich bekannt, das ist ein bisschen regionalkolorit – einer der problematischsten überhaupt. Ich bin da vor einigen Jahren hingezogen und habe da noch keine Verankerung in dem Kreisverband gehabt. Da sind sehr, sehr problematische Menschen dabei wie zum Beispiel der Landtagsabgeordnete Räpple, gegen den auch ein Parteiausschlussverfahren läuft. Da, meine ich, kann man ein Stück weit die Kirche mal im Dorf lassen. Wir haben so viele andere Kreisverbände, in denen ich satte Mehrheiten habe. Wir haben beim Bundesparteitag 600 Delegierte und ich bin sehr sorglos, dass ich da eine deutliche Mehrheit haben werde.
May: Es regt sich ja durchaus Widerstand in der Partei gegen Björn Höcke. 100 Funktionäre des sogenannten gemäßigten Teils der AfD haben vor kurzem einen Brief gegen Höcke unterschrieben. Sie nicht! Warum?
Meuthen: Weil ich nicht der Meinung bin, dass es die Aufgabe eines Bundessprechers der Partei ist, einen solchen Appell zu unterzeichnen. Ich muss eine einigende Funktion wahrnehmen. Ich habe auch mahnende Worte gesagt. Ich habe auch gesagt, dass ich die darin geäußerte Kritik verstehen kann. Die bezog sich auf das Kyffhäuser-Treffen des Flügels, an dem mir auch manches missfallen hat, genauso wie meinem Sprecherkollegen Alexander Gauland. Wir haben das auch beide artikuliert und in internen Gesprächen angesprochen. Aber einen solchen Appell zu unterzeichnen, wäre aus Sicht eines Bundessprechers für meine Begriffe falsch. Man muss das dann intern klären, das haben wir gemacht und das ist auch ein abgeschlossener Vorgang.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.