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Johann Gottfried Schadow
Figuren mit entspannter Natürlichkeit

Er schuf eins der Wahrzeichen Berlins und gilt als Begründer der deutschen Bildhauerschule: Johann Gottfried Schadow. In seiner Zeit als Hofbildhauer Friedrich Wilhelm II. von Preußen schuf er die Quadriga auf dem Brandenburger Tor. Seine steinernen Gebilde stießen im strengen Preußen nicht immer auf Gegenliebe. Vor 250 Jahren wurde er in Berlin geboren.

Von Carmela Thiele | 20.05.2014
    Johann Gottfried Schadow, schwarz-weiß, alter Mann mit Pelz um den Hals.
    Bedeutendster Vertreter des deutschen Klassizismus: Johann Gottfried Schadow (dpa/picture alliance)
    Während in Paris die Französische Revolution das Land erschütterte, baute Friedrich Wilhelm II. von Preußen Berlin zur Residenzstadt aus. Dazu gehörte auch das Brandenburger Tor mit der Quadriga. Ein zweirädriger Streitwagen, gezogen von vier Pferden, sollte das Bauwerk krönen. Der König liebte die Kunst und besonders die Werke seines ersten Hofbildhauers, Johann Gottfried Schadow. Der lieferte ihm die Entwürfe für die edlen Rösser und die den Wagen lenkende Siegesgöttin.
    "Damit ist ja Preußen angebunden an die römische Tradition, an die antike Tradition. Damit ist Schadow gar kein individueller Künstler mehr, er ist ein Symbolschaffer für ein ganzes Land geworden," so Ulrike Krenzlin, die Biografin Schadows. Doch sei dieser nicht nur Staatskünstler gewesen, der dem Vorbild der Antike nacheiferte. Legendär war die entspannte Natürlichkeit, die er seinen steinernen Figuren einhauchte - was im strengen Preußen nicht immer auf Gegenliebe traf. So schuf er 1797 ein Doppelstandbild der Prinzessinnen Friederike und Luise, das vom Publikum gelobt, vom Thronfolger Friedrich Wilhelm III., Luises Ehemann, jedoch missbilligt wurde. Zuviel Körper unter dem dünnen Stoff, zu privat die zwanglose Umarmung der Schwestern.
    "Eine Frau so darzustellen, so zu präsentieren, kommt nicht in Frage. Was heißt das? Das Werk wird weggestellt. Das stand im Berliner Stadtschloss, irgendein Gang, und es hat dieses Werk niemand gesehen. Es ist für die Öffentlichkeit sichtbar geworden erst hundert Jahre später."
    Schadow bemerkte in seiner Autobiografie: "Diese Gruppe hatte durch den Schmutz der Mäuse, die in der Kiste genistet hatten, viel gelitten, und der Marmor hat hässliche Flecken behalten."
    Zwei Jahre Studium in Rom
    Johann Gottfried Schadow: ein Mann aus dem Volke. Er wurde am 20. Mai 1764 als Sohn eines Schneidermeisters in Berlin geboren. Das Glück war ihm zunächst treu. Bei einem Kunden seines Vaters, einem Bildhauer, erhielt er früh Zeichenunterricht. Als er zehn Jahre alt war, wurde der damalige leitende Hofbildhauer Jean Pierre Antoine Tassaert auf den begabten Jungen aufmerksam und beschloss, ihn gemeinsam mit seinen eigenen Kindern unterrichten zu lassen. Sechs Jahre später arbeitete der Handwerkersohn als Gehilfe in der königlichen Werkstatt und erfreute sich bester Aussichten.
    "Obwohl erst 19 Jahre, gedachte mein Meister mir eine Frau zu geben. Die mir Bestimmte war ein artiges Kind, aber es hatte sich meine Neigung anderswo hingewendet. In stiller Verlegenheit verblieb ich bis zum Mai 1785, entfloh dann mit meiner Verlobten nach Wien zu deren Eltern, ließ fahren des Meisters Gunst, Pension und sonstige Aussichten und eilte nach Rom."
    Dieser Bruch mit seinem Gönner war ein kalkulierbares Wagnis, denn die Eltern seiner Verlobten, Marianne Devidels, waren mehr als wohlhabend. Sie ermöglichten Schadow zwei Jahre Studium in Rom. Triumphal kehrte der erst 23-Jährige 1787 mit Frau und Kind nach Berlin zurück und folgte dem verstorbenen Tassaert in dessen Position am Hofe. Zehn Jahre lang, bis zum Tode Friedrich Wilhelm des Zweiten, konnte er sich der wichtigsten Aufträge des Landes sicher sein. Doch der Stern des Begründers der deutschen Bildhauerschule begann zu sinken.
    Professor an der Akademie der Künste
    Die Konkurrenz hatte ihn überflügelt: Als die von ihm verehrte Königin Luise starb, wurde er bei der Vergabe des Auftrags für das Grabmal übergangen. Sein Schüler Christian Daniel Rauch erhielt den Auftrag. Schadow nahm es mit Humor: "Mein Ruhm ist in Rauch aufgegangen."
    Der 46-Jährige versank nicht in Depressionen: Schadow schuf weiterhin Grabmäler für Adlige, hervorragende Karikaturen, er engagierte sich als Professor an der Akademie der Künste, organisierte Ausstellungen und verfasste ein dreibändiges Bildhauer-Lehrbuch.
    Johann Gottfried Schadow starb 1850 im hohen Alter von 85 Jahren. Heute gilt die lange der Öffentlichkeit entzogene Prinzessinnengruppe als Inbegriff seiner Kunst. Die Quadriga hingegen - mehrfach demontiert, zerstört und rekonstruiert - wurde zu einem der Wahrzeichen der Stadt Berlin.