Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


John Gray: Die Geburt Al Qaidas aus dem Geist der Moderne

Über Al Qaida, das Netzwerk, dessen Initiator, Kopf und Finanzier der offenbar unauffindbare Osama bin Laden sein soll, weiß man wenig Gesichertes. Oft sind es Geheimdienste und ihre zwielichtigen Polit-Propagandisten, die Informationen mit gezieltem Interesse darüber verbreiten - Informationen, deren Wahrheitsgehalt kaum zu überprüfen ist. Umso besser lässt sich über dieses Netzwerk, seine Mitglieder, seine Absichten und Entstehungsgründe räsonieren. Ist es bloßer religiöser Wahn, aus mittelalterlicher Rückständigkeit geborener Fanatismus, ist es die vom machtvoll arroganten Westen gedemütigte islamische Seele oder gar der Geist der Moderne, die in diesem Terrorverein ihren praktischen politischen Ausdruck findet? John Gray, einst ideologischer Mitstreiter von Margaret Thatchers neoliberaler Kahlschlagspolitik, die er dann ein paar Jahre später in seinem Buch "Die falsche Verheißung" als "totalitäre Utopie" verriss, sieht Bin Laden & Co als eine Ausgeburt der Moderne. In seinem Vorwort schreibt Gray:

Von Hermann Theißen | 21.06.2004
    Ebenso, wie der Kommunismus und der Nazismus ist auch der radikale Islam eine moderne Erscheinung: Obwohl er behauptet, anti-westlich zu sein, ist er genauso stark von westlichen Ideologien wie von islamischen Traditionen geprägt. Mit den Marxisten und den Neoliberalen betrachten die radikalen Islamisten die Geschichte als Vorspiel zu einer neuen Welt. Sie alle sind überzeugt davon, den Menschen neu erschaffen zu können. Wenn es einen wahrhaft modernen Mythos gibt, dann ist es dieser. Aus der neuen Welt, wie Al Qaida sie sich vorstellt, sind Macht und Konflikte verschwunden. Sie sind ein Produkt revolutionärer Phantasie, nicht das Rezept für eine lebensfähige moderne Gesellschaft - aber darin unterscheidet sich die neue Welt nicht von der von Marx und Bakunin, Lenin und Mao oder den neoliberalen Evangelisten, die erst kürzlich das Ende der Geschichte verkündet haben. Der Mythos der modernen Zeit besagt, die Wissenschaft versetze die Menschheit in die Lage, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen; aber diese "Menschheit" ist selber ein Mythos. ein verstaubtes Überbleibsel religiösen Glaubens. In Wirklichkeit gibt es bloß Menschen, die das wachsende Wissen, das die Forschung ihnen liefert, benutzen, um ihre widerstreitenden Ziele zu verfolgen.

    Hermann Theißen hat John Grays neues Buch gelesen:

    Beitrag Hermann Theißen

    Bei seinem Versuch, Al Qaida als Projekt der Moderne zu deuten, präsentiert John Gray zunächst Beobachtungen, die sich nicht bestreiten lassen: Bin Ladens Terrorinternationale finanziert ihre kostspieligen Unternehmungen wie die weltweit operierenden Drogenkartelle und die multinationalen Konzerne aus den nicht mehr kontrollierbaren riesigen Vermögen, die in den neunziger Jahren in Folge der finanzpolitischen Deregulierung entstanden sind. Auch die regional agierenden Zellen des Netzwerks, die flachen Hierarchien und die von einer fest gefügten corporate identity gestützte Balance zwischen zentral definierten allgemeinen Zielen und ihrer dezentralen Operationalisierung entsprechen durchaus den Prinzipien moderner Unternehmenspolitik. Die Gotteskrieger verständigen sich untereinander per Satellitentelefon und Internet, wissen, dass "Unternehmensziele kommuniziert" werden müssen und dass vor allem die für die Öffentlichkeit inszenierten Bilder über Erfolg und Misserfolg ihrer Aktionen entscheiden. Sie können mit Stinger-Raketen, Plastik-Sprengstoff und allen anderen Spitzentechnologien umgehen, die auf dem internationalen Waffenmarkt gehandelt werden, und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass sie nicht zugreifen würden, wenn ihnen noch modernere Waffen angeboten würden. Aber widerlegt dieses instrumentelle Verhältnis zu den Errungenschaften der Moderne unsere Annahme, Al Qaida und der islamistische Fundamentalismus marschierten nicht gerade an der Spitze des Fortschritts? Das sei die falsche Frage, würde John Gray antworten und darauf verweisen, dass in ihr die Begriffe Moderne und Fortschritt unzulässig positiv besetzt seien. Der Professor an der renommierten London School of Economics vermag in der Moderne nichts anderes zu sehen als Variationen totalitärer Barbarei, und Bin Laden erscheint bei Gray als Widergänger von Stalin und Hitler. Alle drei stellt er als Kinder der Aufklärung vor.

    Der Sowjetkommunismus, der Nationalsozialismus und der islamische Fundamentalismus gelten alle drei als Angriffe auf westliche Werte. Tatsächlich aber lässt sich jedes dieser Konzepte als Versuch verstehen, ein modernes europäisches Ideal zu verwirklichen.

    Es bedarf nun einer ganzen Reihe von Abstraktionen, Zuspitzungen und Unterschlagungen, um dieser verwegenen These auch nur den Anschein von Plausibilität zu verleihen. John Gray entsorgt zunächst die Ansprüche auf Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit aus dem Programm der die Moderne begründenden Aufklärung. Dann sortiert er die Geistesgeschichte neu und präsentiert als Frontmänner des bürgerlichen Aufbruchs Graf Henri de Saint-Simon und Auguste Comte, jene skurrilen Fanatiker des Positivismus, die eine säkularisierte Kirche schaffen wollten, in der die Wissenschaft die Funktion der Religion übernehmen und das Paradies auf Erden organisieren sollte.

    Marx, so der britische Gelehrte weiter, habe die Struktur dieses einfachen Modells übernommen und es lediglich um den Klassenkampf erweitert. Die Bolschewiki hätten es schließlich in die Tat umgesetzt. Diese ahistorische Abstraktion verkürzt den Leninismus zum wissenschaftlichen Omnipotenzwahn, der ein modernes westliches Regime auf russischem Boden zu etablieren versucht habe. Terror und Hungertote habe man dabei als unvermeidbare Opfer auf dem Weg ins kommunistische Glück für Alle in Kauf genommen. Auf das nationalsozialistische Züchtungs- und Selektionsprogramm angewandt, ergibt das strukturalistische Beschreibungsmodell diesen Befund:

    Hitler hat nie daran gezweifelt, dass der Nazismus ein modernes Vorhaben war. Als glühender Verehrer von Henry Ford und der amerikanischen Massenproduktion betrachtete der Führer der Nazis die Technologie als Mittel, die Macht der Menschen zu vergrößern. Die Wissenschaft versetzte die Menschheit - oder Teile von ihr - in die Lage, die Evolution zu kontrollieren. Aus den besten Gattungen sollte eine überlegene Spezies herangezüchtet werden. Alle anderen sollten ausgerottet und versklavt werden.

    Die Moderne wird so zum überheblichen Versuch der Menschen verkürzt, ihre innere und äußere Natur zu bändigen, Wissenschaft und Technik in den Dienst einer Rationalisierung der Welt zu stellen, an deren Ende ein neuer Mensch und eine andere Gesellschaft stünden. Das nun wiederum hat man als Kritik an der Moderne schon häufiger gelesen, trägt aber nichts zur Erklärung von Bin Laden und Al Qaida bei. Dieses Problem erkennt natürlich auch John Gray, und der Professor für European Thought versucht nun sein luftiges Theoriegebäude mit handfesteren Zutaten zu bereichern. Das eingangs erwähnte unbefangene Verhältnis der Gotteskrieger zu den Errungenschaften der Militär- und Kommunikationstechnologie gehört dazu. Der 1906 geborene ägyptische Schriftsteller und Moslembruder Said Qutb wird eingeführt, weil der die westliche und moderne Idee des "revolutionären Stoßtrupps" in die islamische Welt eingebracht habe, und schließlich verweist John Gray auf Parallelen zwischen den russischen Terroristen des 19. Jahrhunderts und den Attentätern vom 11. September. Man mag all dies interessant finden, aber daraus ergibt sich nun wirklich kein Hinweis darauf, welches moderne europäische Ideal Al Qaida denn nun verwirklichen will. Dass er uns das verraten wollte, scheint John Gray auf seinen atemlosen Wegen und Umwegen durch die Geistes- und Kriegsgeschichte, durch politische Kulturen in Japan, Indien oder China, bei seinen Exkursen über Geopolitik oder die Knappheit von Öl und Wasser aus dem Auge verloren zu haben. Stattdessen überrascht er kurz vor dem Finale seines Essays mit einer Erkenntnis, die Frontverläufe und Traditionslinien ganz anders sortiert. Nun erscheint Al Qaida als antiimperialistische Bewegung und die von den US Amerikanern induzierte Politik des Internationalen Währungsfonds als die jüngste Variante totalitärer Aufklärung.

    Indem sie eine Lebensweise für die ganze Menschheit als die beste betrachten und die Geschichte als den Kampf sehen, diese überall durchzusetzen, sind der Marxismus und der Neoliberalismus post-christliche Kulte. Außerhalb des Christentums hat niemand je gedacht, dass der 'Weltkommunismus’ oder der 'globale Kapitalismus’ das 'Ende der Geschichte’ darstellen könnten.

    Was dann folgt, etwa die These, beim Konflikt zwischen dem Westen und Al Qaida handele es sich um einen Religionskrieg, oder Grays Vorschlag, man möge die Welt sicherer machen, indem man die Unterschiede zwischen den Staaten und Kulturen akzeptiere, ist in dieser Verkürzung so absurd oder so banal, dass sich die Auseinandersetzung nicht lohnt. In seinem Schlusskapitel schreibt der englische Professor:

    In Wirklichkeit können wir nicht im Vornherein wissen, was Modernsein bedeutet.

    John Gray weiß es auch im Nachhinein nicht, und nach der Lektüre dieses verstiegenen Essays wissen wir zwar etwas mehr über die Fallstricke abstrahierenden Denkens, haben aber über Entstehen, Ziele und Motive von Al Qaida nichts Neues erfahren.

    Hermann Theißen besprach: John Gray, "Die Geburt Al Qaidas aus dem Geist der Moderne", erschienen im Verlag Antje Kunstmann, aus dem Englischen übersetzt von Ulrike Becker. Es hat 174 Seiten und kostet 24,90 Euro.

    Nicht einmal die Hälfte der Bürger Europas ist zur Wahl des europäischen Parlaments gegangen, in manchen Ländern waren es sogar noch weniger als ein Drittel. Einmal dahin gestellt, ob diese Nichtwähler nur unpolitisch sind oder den zur Wahl stehenden Parteien und Politikern ohnehin nichts Vernünftiges mehr zutrauen, bleibt die Frage, was die Verweigerung der Teilhabe am politischen Prozess für die Demokratie, die Volksherrschaft, bedeutet. Wenn der Souverän sich von der repräsentativen Demokratie so offensichtlich abwendet, müssen die Gesellschaften darüber nachdenken, wie das Interesse der Bürger an der Beteiligung am politischen Prozess geweckt werden könnte. Andernfalls wäre zumindest der Begriff Demokratie für die sich durchsetzende Form von Konzern- und Parteienherrschaft kaum noch zutreffend. Kein Zufall vielleicht, dass gerade im Berlusconi-Italien eine rege Debatte über Demokratie und Dissidenz im Gange ist, dem Land, in dem das von den politischen Interessen der Regierenden recht schamlos beherrschte Fernsehen am Abend der Europawahl nicht einmal gemeldet hat, dass Berlusconis Forza Italia an Stimmen verloren hatte und stattdessen Siegesstimmung für die Regierungspartei zu verbreiten suchte. Der Philosoph Paolo Flores d’Arcais, einer der Wortführer der außerparlamentarischen Anti-Berlusconi-Bewegung in Italien, verlangt in seinem jetzt auch auf Deutsch erschienenen politisch-philosophischen Essay über den Souverän und den Dissidenten die Demokratie beim Wort zu nehmen. Doch was bedeutet das praktisch? Bernd Leineweber hat das Buch für uns besprochen:

    Beitrag Bernd Leineweber

    Seit einiger Zeit wissen wir es: Die Begründung für den Krieg im Irak ist eine Lüge. Die Waffen, die angeblich den Weltfrieden und besonders die demokratischen Länder des Westens bedrohen, existieren nicht. Nicht die Politik des bekriegten Regimes, sondern die der kriegführenden demokratischen Staaten ist die eigentliche Bedrohung, nicht nur weil sie den Hass schürt, sondern weil sie auf Lügen beruht.

    Wie alle, die finden, dass es in unseren Demokratien nicht demokratisch zugeht, betreibt auch unser Politikerschelte: Korruption, Parteienherrschaft, Wahlkampfspenden, politische Einflussnahme durch Medienkonzentration, Fernsehdemokratie, Privatisierung der politischen Öffentlichkeit seien der politischen Klasse anzulasten, nicht dem politischen System. Aber er fragt weiter: Wie schafft es die politische Klasse, die Bürger, die nicht selbst Berufspolitiker sind, mindestens de facto von der Macht auszuschließen? Weil die Bürger die Demokratie zu wenig "beim Wort nehmen", dem Wort, das die Ausübung der Macht durch die Gesamtheit aller einzelnen Bürger bedeutet. Das Grundelement der Demokratie ist, so Flores d’Arcais, das Individuum. Dass politische Programme durch Mehrheitsentscheidungen bestimmt werden, sei kein Widerspruch zur politischen Vorrangstellung des Individuums: Nur wenn jeder einzelne seine und sei es noch so abweichende Meinung mit der Aussicht, die politische Öffentlichkeit zu erreichen, uneingeschränkt äußern könne und von der Mehrheit nicht nur geschützt, sondern ermutigt werde, seiner Meinung Ausdruck zu geben, sei eine Demokratie lebendig. Das setze voraus, dass jeder einzelne meinungs- und entscheidungsfähig sei. Daher müsse eine Demokratie dafür sorgen, dass jeder einzelne gesund und nach den kulturellen Standards menschenwürdig leben könne und über ein bestimmtes Bildungsniveau verfüge, damit er Informationen selbständig verarbeiten und bewerten könne. Ferner müssten die Medien pluralistisch organisiert sein, Fernsehsendezeiten bei Wahlkämpfen unabhängig von Einfluss und Finanzkraft der Bewerber vergeben werden, die Unabhängigkeit der Justiz gewährleistet sein und so weiter.

    Die Demokratie ist die Form des Zusammenlebens, in der die Macht jedem einzelnen gehört... Wo die Macht jedem einzelnen gehört, gehört der einzelne nicht der Macht. Das Individuum gehört nicht zu der Gemeinschaft, in der es auf die Welt kommt, sondern konstituiert sie ... kraft seiner eigenen Freiheit. Es bringt sie hervor, ist ihr Schöpfer. Die Freiheit des Individuums existiert zuerst. Und im Sinne der Demokratie existiert das Volk juristisch und faktisch nicht mehr, wenn die Pluralität der unverwechselbaren Existenzen, die sie konstituieren, gefährdet ist. Sobald der mystische Schleier weggezogen wird, ist das souveräne Volk nichts anderes als die Freiheit/Macht dieser Pluralität unverwechselbarer Existenzen. Jede politische Ordnung, die diese Existenzen vereinheitlicht und unterwirft, öffnet sich bereits der Heteronomie des Totalitarismus und verfällt ihm.

    Die Pointe von Flores’ formaler Demokratietheorie ist nun, dass er die politische Autonomie des Individuums mit dem Begriff des Dissidenten umschreibt und aktualisiert. Politische Partizipation setze voraus, dass jeder seine eigene Meinung höher bewerte als die von gesellschaftlichen Gruppen und Parteien, von Mehrheiten eben, die zum Konformismus nötigen. Die eigene und gegebenenfalls abweichende Meinung, nicht die organisierte, sei das demokratische Lebenselement. Ein Demokrat müsse sich daher als potentiellen Dissidenten begreifen. Die Figur des Dissidenten ist bekannt: Sie ist populär geworden im nachstalinistischen Osteuropa. Vielerorts haben Dissidenten den Auflösungsprozess der kommunistischen Parteiherrschaft artikuliert und beschleunigt. Ein Dissident war jemand, der gegen das System eine abweichende politische Existenz zu führen versuchte. Er war kein Oppositioneller, er verstand sich nicht als Erneuerer der Partei und des sozialistischen Systems, sondern er wollte, wie es ein prominenter Dissident, Vaclav Havel, formulierte, "in der Wahrheit leben". Er wollte die Lügen der Parteipropaganda nicht mitmachen, sondern in Übereinstimmung mit sich selbst und nach den ethischen Werten des Sozialismus leben, ohne diesen Begriff noch länger zu gebrauchen, weil er entwertet, verunstaltet und geschändet war.

    Der Fall der Mauer, zu dem die massenhafte Dissidenz des "Wir sind das Volk" nicht unerheblich beitrug, hat auch in der westeuropäischen Linken den Blick für die politischen Grundbegriffe neu geschärft. Wenn Flores die Herrschaft der politischen Lüge angreift, die den demokratischen Prozess ruiniert, und in diesem Sinn von "real existierenden Demokratien" spricht, dann ist seine Absicht klar: die Demokratien des Westens, in denen nicht mehr auf die Unfreiheit im Osten verwiesen werden kann, damit ihre eigenen Unfreiheiten klein geredet werden können, sind im Hinblick auf die vielfältigen Ausschlüsse der Bürger von der Politik den verlogenen "Volksdemokratien" der Länder des "real existierenden Sozialismus" natürlich nicht gleich, wohl aber mit ihnen vergleichbar. Wie Havel schon 1980 schrieb:

    Sind wir nicht eigentlich - auch wenn wir nach den äußerlichen Wertskalen der Zivilisation so tief im Rückstand sind - in Wirklichkeit eine Art Memento für den Westen, indem wir ihm seine latenten Richtungstendenzen enthüllen?

    Flores’ Aufforderung, die Privatisierung der politischen Öffentlichkeit durch die Berufspolitiker einem demokratiekritischen Vergleich mit der totalitären Vereinnahmung der Politik durch die Parteiherrschaft in den ehemals sozialistischen Ländern zu unterziehen, ist sicher durch seinen Blick auf Italien geschärft. So denkt er beim "Souverän" nicht nur an das "Volk", sondern auch an den "Fürsten", um die Tendenz zur Privatisierung der politischen Öffentlichkeit im Rückgriff auf Macchiavelli zu pointieren. Aber diese Tendenz zeigt sich in allen heutigen Demokratien. Und diese sind seit neuestem nicht mehr auf den "Westen" beschränkt. Flores’ Streitschrift ist nicht nur ein glänzender politisch-philosophischer Traktat. Sie kann auch wie ein Manifest für ein nach Osten erweitertes Europa gelesen werden, für dessen fortschreitende Vereinigung und Demokratisierung die osteuropäischen Erfahrungen mit einem undemokratischen System genutzt werden sollten.

    Bernd Leineweber besprach: Paolo Flores d’Arcais, "Die Demokratie beim Wort nehmen - Der Souverän und der Dissident", aus dem Italienischen von Friederike Hausmann übersetzt, erschienen im Verlag Klaus Wagenbach. Das Buch hat 139 Seiten und kostet 10,90 Euro.