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John kämpfte bis zum seinem Tod um Rehabilitierung

"Jetzt haben wir den Schreck, der lange John ist weg," sang Mitte der 50er Jahre die Kabarettgruppe "Stachelschweine". Gemeint war der erste Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Otto John, dessen Verschwinden weltweit für Schlagzeilen sorgte.

Von Kirsten Heckmann-Janz | 13.12.2005
    "Herr Dr. Otto John, ehemaliger Präsident des Bonner Amtes für Verfassungsschutz, dem am 20. Juli 1954 Asylrecht in der Deutschen Demokratischen Republik gewährt wurde, hat die DDR verlassen. Dr. John hatte sich schon wiederholt dahingehend geäußert, er gedenke, in Westdeutschland den Kampf gegen den Neofaschismus zu führen."

    Mit dieser Meldung überraschte der DDR-Rundfunk am 13. Dezember 1955 die Öffentlichkeit in Ost wie in West. Fast 18 Monate vorher war der oberste Verfassungsschützer spurlos verschwunden. Am Vormittag des 20. Juli 1954 hatte der ehemalige Widerstandskämpfer John in Westberlin noch an einer Gedenkfeier zur Ehren der Opfer des gescheiterten Attentats auf Hitler teilgenommen. Drei Tage später sprach er im Rundfunk der DDR.

    "An meine deutschen Mitbürger! Deutschland ist in Gefahr, durch die Auseinandersetzungen zwischen West und Ost auf ewig zerrissen zu werden. Es bedarf einer demonstrativen Aktion, um alle Deutschen zum Einsatz für die Wiedervereinigung aufzurufen. Deshalb habe ich am Jahrestag des 20. Juli einen entschlossenen Schritt getan und die Verbindung mit den Deutschen im Osten aufgenommen. "

    In Interviews, auf Pressekonferenzen und auf Tagungen nimmt Otto John in den folgenden Monaten immer wieder Stellung gegen die von Bundeskanzler Konrad Adenauer forcierte Westintegration und Wiederaufrüstung der Bundesrepublik.

    Alles sei unter Zwang passiert - wird John nach seiner Rückkehr in den Westen beteuern. Er sei vom sowjetischen Geheimdienst entführt worden und habe nur mitgespielt, um sein Leben nicht zu gefährden.

    In Ostberlin wird Otto John ständig von der Staatssicherheit bewacht. Trotzdem gelingt es ihm mit Hilfe des dänischen Journalisten Henrik Bonde-Henriksen, seine Flucht aus der DDR vorzubereiten. Am 12. Dezember 1955 kann er in der Ostberliner Humboldt-Universität seine Bewacher abschütteln. Vor dem Gebäude wartet - wie verabredet - Bonde-Henriksen. Sie fahren zum Brandenburger Tor, wo das Auto mit der dänischen Fahne den DDR-Grenzposten bekannt ist.

    "Ich rollte mein Fenster runter und sagte: "Soll ich unten aufmachen, möchten Sie schauen?" Und die Soldaten haben innerlich gefroren, es war so minus sieben Grad, so die sagten: "Nein, nein, bei Ihnen ist ja alles in Ordnung, das wissen wir." Der arme John, der nie eine Pfeife geraucht hat, der hat also geraucht und geraucht, wie ein Verrückter und wurde mehr und mehr blaß im Gesicht, und ich hatte fast Angst, dass er sich übergeben sollte, das wäre ja nicht so gut in dieser Situation, aber wir sind dann weitergefahren."

    "Ich habe hier eine Meldung, die bei Ihnen Heiterkeit auslösen wird", sagt Bundeskanzler Adenauer, als er während einer Kabinettsitzung von Johns Flucht erfährt.

    Und der CDU-Politiker Gerd Bucerius, Vorsitzender des John-Untersuchungsausschusses, meint:

    "Bucerius: Wir haben alle unter dem sehr ungemütlichen Gefühl gestanden, dass die Sache doch noch Geheimnisse in sich berge, die irgendwann einmal hervorkommen müssten. Im übrigen sollte man allerdings aus der Rückkehr von John keine Staatsaktion machen.

    Reporter: Nö!

    Bucerius: Das Verschwinden war ärgerlich genug, es hat sich sehr bald gezeigt, dass er nicht viel gewusst hat und nichts hat verraten können. Also, der Mann war weg, er ist wieder da. "

    Otto John hat in der Tat keine bedeutenden Geheimnisse verraten. Trotzdem wird er im Dezember 1956 wegen landesverräterischer Fälschung in Tateinheit mit landesverräterischer Konspiration vom 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt.

    "Ich bin doch zu Unrecht damals verurteilt worden. Ich habe mich die Jahre hindurch bemüht, eine Wiederaufnahme zustande zu bringen. Einfach aus dem Bewußtsein, daß ich zu Unrecht verurteilt bin. "

    Sagte 1994 der mittlerweile 85jährige Otto John. Bis zu seinem Tod 1997 kämpfte er um seine Rehabilitierung. Selbst als Anfang der 90er Jahre ehemalige KGB-Mitarbeiter Johns Aussagen bestätigten, wurde eine Wiederaufnahme des Verfahrens abgelehnt.