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Jordanien
Das Leben in den Flüchtlingslagern wird härter

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) will sich in Jordanien ein eigenes Bild von der Not der Syrer in den Flüchtlingscamps machen. 600.000 Bürgerkriegsflüchtlinge hat Jordanien aus dem Nachbarland aufgenommen, das sind knapp zehn Prozent der eigenen, vorwiegend armen Bevölkerung.

Von Theo Geers | 21.09.2015
    Syrische Kinder in Flüchtlingslager Saatari in Jordanien.
    Syrische Kinder im Flüchtlingslager Saatari in Jordanien. (picture alliance / Lehtikuva / Heikki Saukkomaa)
    Übertragen auf Deutschland hieße dies: Hierzulande müssten derzeit nicht - wie derzeit - rund eine Million, sondern gut 7 Mio. Flüchtlinge versorgt werden. Entsprechend groß ist das Problem für Jordanien, das der Vizekanzler nun bewusst kennenlernen will:
    Wir treffen uns mit Menschen aus Jordanien. Wir werden eines der ganz großen Flüchtlingscamps besuchen. Wir möchte wissen, welche Hilfe sie von uns und den Golfstaaten erwarten."
    Gabriel selbst hat schon vor Tagen eine Orientierungsmarke gesetzt – dies auch unter dem Druck, den der ungebrochene Andrang von Flüchtlingen hierzulande in Deutschland erzeugt.
    "Die Menschen verlassen diese Lager, weil dort keine Chance mehr haben, sich wenigstens anständig zu ernähren, geschweige denn, dass dort Ausbildung existiert. Ich plädiere sehr dafür, dass Europa noch mal 1,5 Milliarden Euro in Hand nimmt und dort investiert. Aber übrigens auch den gleichen Betrag von den Vereinigten Staaten und auch den Golfregionen."
    4,5 Milliarden Euro – mit dieser gewaltigen Summe könnte allerdings die Finanzlücke, die derzeit bei Hilfsorganisationen schon klafft, noch nicht einmal geschlossen werden. 7,4 Milliarden Dollar hatten diese Hilfsorganisationen für dieses Jahr für die Nothilfe innerhalb Syriens erbeten, erhalten haben sie davon bis Mitte September gerade mal ein gutes Drittel. Kaum besser ausgestattet sind die Helfer, die Flüchtlinge in den Nachbarländern wie dem Libanon oder Jordanien versorgen. Sie benötigen 4,5 Milliarden Dollar., geflossen sind gut 2 Milliarden. Die Konsequenz zeigt sich am Beispiel des Welternährungsprogramms. Diese Hilfsorganisation musste die Zahl der von ihr versorgten Flüchtlinge von 1,6 um 300.000 zurücknehmen und die Lebensmittelhilfe für die verbleibenden 1,3 Millionen Hilfsbedürftigen halbieren, erklärt Maria Smentek, die Sprecherin des Welternährungsprogramms in Deutschland.
    "Die Nothilfe funktioniert über sogenannte E-Cards. Das sind Nahrungsmittelgutscheine, mit denen die Menschen in lokalen Shops und Supermärkten einkaufen können. Auf diesen E-Cards können wir jetzt pro Monat nicht mehr 27 US-Dollar laden, wie das Anfang des Jahres noch war, sondern nur noch 13,5 US-Dollar."
    Vier Kinder, 2 größere Mädchen und 2 kleinere Jungs, gehen Hand in Hand auf einem Weg im Flüchtlingslager, im Hintergrund sind Zelte zu sehen
    Kinder im Flüchtlingslager Zaatari in Jordanien (KHALIL MAZRAAWI / AFP)
    Für einen Flüchtling hat diese Halbierung der 27 US-Dolar, mit denen er in so einem Lager bislang zumindest halbwegs über die Runden kommen konnte, einschneidende Konsequenzen. Mahlzeiten werden gestreckt oder ganz ausgelassen, Eltern verzichten zugunsten ihrer Kinder auf das Essen oder sie nehmen ihre Kinder aus den Schulen, weil diese durch Arbeiten oder Betteln zum Lebensunterhalt beitragen müssen. Und wenn sich dann die Lage durch die Kürzungen der Lebensmittelrationen noch weiter verschlimmert, bleibt als ultima Ratio nur der Exodus, erklärt Maria Smentek.
    "Das bedeutet in allerletzter Konsequenz, dass diese Menschen nach einem Ausweg suchen. Einige Familien gehen nach Syrien zurück, andere gehen nach Europa, um dort die Hilfe zu bekommen, die sie eben in den Nachbarländern nicht mehr erhalten können."
    Allerdings weiß auch Sigmar Gabriel schon vor der Reise: Nur mit mehr Geld lassen sich die Fluchtursachen nicht bekämpfen. die liegen tiefer. Politisch kann das Problem nur gelöst werden durch ein Ende des Bürgerkriegs in Syrien. Danach sieht es aber derzeit nicht aus, dies erst recht nicht, seitdem Russland angekündigt hat, die Militärhilfe für den verbündeten syrischen Diktator Assad auszuweiten.