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Joseph Nicéphore Niépce
Der heimliche Erfinder der Fotografie

Lange galt Louis Daguerre als Erfinder der Fotografie. Doch gelang Joseph Nicéphore Niépce 1826 das erste Lichtbild der Welt. Weil er jedoch bald starb, erntete sein Partner Daguerre den Ruhm. Heute vor 250 Jahren wurde Niépce geboren.

Von Carmela Thiele | 07.03.2015
    Zeitgenössisches Porträt von Joseph Nicephore Niépce (07.03.1765 - 05.07.1833), einem der Erfinder der Fotografie.
    1826 gelang Joseph Nicephore Niepce die erste Fotografie der Welt. (picture alliance / dpa / Heinz Röhnert)
    Joseph Nicéphore Niépce: "Mein lieber Freund, ich lege zwei Gravüren bei, die nach dem Dir bekannten Verfahren hergestellt wurden. Dies ist zunächst nur ein Versuch, aber wenn das Ergebnis ein bisschen deutlicher würde, und wenn vor allem die Ordnung der Tonwerte umgekehrt wäre, könnte die Illusion vollständig sein. Ich werde mich um drei Dinge kümmern: erstens der Wiedergabe der Gegenstände mehr Schärfe zu verschaffen, zweitens die Farben umsetzen und drittens sie schließlich fixieren, was nicht das Einfachste sein wird. Aber wie Du es richtig formulierst, fehlt es uns nicht an Geduld, und mit Geduld schafft man alles."
    Jahrzehntelange Experimente mit der Camera obscura
    Diese Zeilen schrieb Joseph Nicéphore Niépce 1816 an seinen Bruder Claude. Die Brüder hatten bereits seit langem darüber nachgesonnen, wie man Bilder der Camera obscura festhalten, also fixieren könnte. Doch zogen sich die Experimente über Jahrzehnte hin. Der Briefwechsel der Brüder verzeichnet nicht nur die Erfolge, sondern auch die Kehrseiten ihrer Unternehmungen: drückende Schulden und die Angst, dass andere sich ihrer Ideen bemächtigen könnten.
    Der Jüngere, Nicéphore, verwaltete das gemeinsame Landgut in Burgund. Ein zeitgenössisches Porträt zeigt einen gepflegten Herrn mit schmalen, aber markanten Zügen. Joseph Nicéphore Niépce entstammte dem Großbürgertum. Am 7. März 1765 war er in Chalon-sur-Saône als Sohn eines königlichen Steuereinnehmers zur Welt gekommen. Nach dem frühen Tod des Vaters diente der humanistisch gebildete Nicéphore in der französischen Revolutionsarmee, bis er aus gesundheitlichen Gründen in seinen Geburtsort zurückkehrte.
    Erstes Foto brauchte acht Stunden Belichtungszeit
    Das optische Phänomen, mittels einer Lochkamera Bilder der Wirklichkeit an die Rückwand der Kamera projizieren zu können, wurde nun zu seinem Lebensthema. Um 1826 gelang es ihm - nach acht Stunden Belichtungszeit - den Blick aus dem Fenster seines Hauses dauerhaft festzuhalten, und zwar auf einer mit Asphaltstaub und Lavendelöl bestrichenen Metallplatte. Doch gab er weder in seinen Briefen noch in seinen wissenschaftlichen Berichten die genaue chemische Zusammensetzung seiner Plattenbeschichtung preis, so dass die offizielle Anerkennung ausblieb.
    Gleichwohl gebührt ihm der Ruhm, die erste Fotografie der Welt geschaffen zu haben. Claude Sui, Leiter des Forums Internationale Photographie an den Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim: "Wenn wir von der Geschichte der Fotografie und der Geburtsstunde der Fotografie sprechen, dann darf der Name Joseph Nicephore Niépce nicht fehlen. Denn Niépce war es, der eigentlich vor dem Verfahren von Daguerre, nämlich 13 Jahre zuvor, die Fotografie erfunden hatte, nämlich das so genannte erste Foto der Welt. Er nannte das ja Heliografie, also helios: mit der Sonne, graphein: mit dem Sonnenlicht gezeichnet, von 1826."
    Bahnbrechende Erfindung blieb fast unbekannt
    Nur wenige Zeitgenossen erkannten die Bedeutung der bahnbrechenden Erfindung Niépces. Dazu gehörte Francis Bauer, ein britischer Zeichner, Botaniker und Mitglied der Royal Society. Ihm ist es zu verdanken, dass die erste Fotografie der Welt heute noch existiert. "Herrn Niépces erster gelungener Versuch, ein lichtbeständiges Bild nach der Natur herzustellen" notierte Bauer auf der Rückseite der gerahmten Metallplatte, die ihm der Franzose 1827 anlässlich eines Besuchs überlassen hatte.
    Trotz Bauers Fürsprache war jedoch der Versuch, bei der Royal Society vorzusprechen, misslungen. Doch Niépce gab nicht auf, selbst als sein erkrankter Bruder und Partner Claude verstarb. Zurück in Frankreich, zog Nicéphore Fachleute hinzu. Unter anderem wandte er sich an Louis Daguerre, der für seine spektakulären Diorama-Vorführungen ebenfalls die Camera obscura benutzte. Beide schlossen einen Kooperationsvertrag, deren Nutznießer Daguerre wurde, als Nicéphore Niépce 1833 einem Schlaganfall erlag. Die Daguerreotypien hingegen wurden zu den ersten fotografischen Massenprodukten und brachten ihrem Erfinder den ökonomischen Erfolg, von dem Niépce immer geträumt hatte.