Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Journalismus in der Ukraine
Pro-russische Medienmacht wächst

Der Konflikt in der Ostukraine wird begleitet von einem Machtkampf in den Medien. Dabei ist auch das Unternehmen von Viktor Medwedtschuk in den Fokus geraten - und Ziel von Angriffen. Medwedtschuk gilt als enger Freund von Vladimir Putin und hat große Ziele bei der Parlamentswahl.

Von Florian Kellermann | 17.07.2019
Vor dem Gebäude des ukrainischen Fernsehsenders "112" in Kiew steht ein überdimensionales Mikrofon. Der Schriftzug an der Fassade ist durch einen Angriff zerstört.
Zerstörung nach einem Angriff auf das Gebäude des Fernsehsenders "112" am 13. Juli 2019 (imago/ ZUMA Press/ Str)
Vertraute des ukrainischen Politikers Viktor Medwedtschuk haben innerhalb von nur 12 Monaten drei ukrainische Fernsehkanäle gekauft, allesamt mit einem breiten Informationsangebot. Anfang der Woche gab es Spekulationen, dass der Politiker, ein enger Freund des russischen Präsidenten Vladimir Putin, an einem weiteren Kanal interessiert sein soll.
Eine alarmierende Situation, meint Oksana Romaniuk vom Institut für Massenmedien, einer Monitoring-Organisation, die unter anderem von der US-Regierung finanziert wird: "Hier ist eine Holding entstanden, deren Nachrichtensendungen zusammengenommen das Informationsangebot im Fernsehen dominieren. Und diese Kanäle geben der Ukraine nun eine russische Perspektive auf die Ereignisse vor, die Kreml-Perspektive. Die Sowjetunion wird schöngeredet, und die unabhängige Ukraine als gescheiterter Staat dargestellt. De facto werden da Lügen verbreitet."
Ein deutliches Beispiel für die russische Perspektive lieferte vor kurzem der Medwedtschuk-Sender "Newsone". Er wollte eine gemeinsame Diskussionsplattform mit dem russischen Staatsfernsehen schaffen, um, so die Darstellung, Ukrainer und Russen ins Gespräch zu bringen. Diese sogenannte Telebrücke fand schon im Internet statt.
"Das hat mit Journalismus nichts mehr zu tun"
Nicht nur auf die Vergangenheit sei die russische Propaganda in der Ukraine gerichtet, sagt Oksana Romaniuk, sondern auch auf die Parlamentswahl am Sonntag.
"Es gibt auf den Sendern jetzt viel mehr versteckte politische Werbung. Das sind Beiträge, die neutral daherkommen, in Wahrheit aber von Politikern bei den Journalisten in Auftrag gegeben worden sind. Beim Kanal 112 haben wir neunmal so viele derartige Beiträge festgestellt wie früher. Geworben wird dabei für eine Partei - die pro-russische "Oppositionsplattform für das Leben". Jeder Schritt von Medwedtschuk wird berichtet, das hat mit Journalismus nichts mehr zu tun."
Portraitaufnahme des ukrainischen Politikers Viktor Medwedtschuk
Der ukrainische Oppositionspolitiker und Unternehmer Viktor Medwedtschuk (imago/ TASS/ Natalia Fedosenko)
Die Partei von Medwedtschuk liegt in Umfragen stabil auf dem zweiten Platz, mit 12 bis 14 Prozent der Stimmen. Damit ist sie zwar weit abgeschlagen gegenüber der Favoritin - der Partei des neuen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Aber sie wird trotzdem eine wichtige Rolle spielen in der ukrainischen Politik.
Mitarbeiter kündigen nach der Übernahme
Die "Oppositionsplattform für das Leben" lockt mit dem Versprechen, Frieden für die Ostukraine zu bringen. Dort kämpfen sogenannte Separatisten, organisiert und unterstützt von Russland, gegen die Ukraine. Dafür will die Partei die Ukraine politisch wieder dem großen Nachbarn annähern.
Als ein Medwedtschuk-Vertrauter im Juni den Lemberger Fernsehkanal ZIK übernahm, kündigten mehr als 400 Mitarbeiter ihren Weggang an. Auch die Moderatorin Tetjana Danylenko verließ den Sender.
"Das alles ist ein organisierter Angriff auf unser Land. Es geht darum, die Ukraine von innen heraus zu zerreißen. Nicht mit Waffen, sondern mit der Hilfe von Geld. Leider haben wir es versäumt, uns gegen ein solches Vorgehen zu wappnen."
Regierung hat Reform des Medienrechts versäumt
Die Rolle der Regierung? Sie hatte eigentlich ein neues Mediengesetz versprochen, als die Ukraine vor vier Jahren ein Assoziierungsabkommen mit der EU schloss. Es hätte Monopole verhindert und den Medienmarkt transparenter gemacht. Doch darauf wollten sich die ukrainischen Oligarchen, von denen viele Fernsehkanäle besitzen, nicht einlassen.
Serhij Tomilenko, Vorsitzender des Nationalen Journalistenverbandes: "Außerdem hat die Politik nichts dafür getan, dass Medien wirtschaftlichen Profit abwerfen. Man hätte sie zum Beispiel von bestimmten Steuern befreien können. So, als Verlustgeschäfte, bleiben Medien nur für diejenigen Investoren interessant, die sich von ihnen eine politische Dividende erwarten."
Keine Befugnis zur Prüfung
Die Ukraine versucht bisher vergeblich, etwas gegen die russische Medieninitiative zu unternehmen. Der Rundfunkrat erklärte nach einer Prüfung, er könne noch nicht einmal eine Verbindung der Sender zu Viktor Medwedtschuk nachweisen. Er habe schlicht nicht die Befugnis, entsprechende Unterlagen über die Medien anzufordern.