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Journalismus
Peter Scholl-Latour wird 90

Als Nahost- und Asien-Experte von ARD und ZDF berichtete Peter Scholl-Latour jahrzehntelang aus Krisenherden und von Schlachtfeldern. Mit seinen Büchern erreichte er ein Millionenpublikum. Der Kenner des Orients erregte auch Widerspruch: durch seine Kritik an Krieg führenden Westmächten, aber auch durch sein Islambild.

Von Peter Hölzle | 09.03.2014
    Schwarz-weiß-Foto der Korrespondenten Peter Scholl-Latour mit seinem Team vom ZDF nach ihrer Freilassung aus Vietcong-Gefangenschaft am 29.8.1973.
    Das ZDF-Team um Korrespondenten Peter Scholl-Latour war 1973 in Gefangenschaft des Vietcong geraten. Eine Woche später kamen alle Mitglieder wieder frei. (dpa)
    "Das ist so eine Abendstimmung in Ostasien, an einem großen Strom, und den Whisky vor sich und den Blick auf die untergehende Sonne gerichtet. Das ist eines der schönsten Erlebnisse. Es muss nicht etwas furchtbar Aufregendes sein."
    Als stillen Genießer, der sich fernab von Schlachtfeldern einem Naturschauspiel hingibt, kennt man ihn eher nicht. Er selbst erklärt es so: "Ich habe als Grundphilosophie, dass ich im Leben nach dem suche, was die Franzosen 'les émotions fortes', die starken Erlebnisse nennen. Und andererseits habe ich eine Neigung zur Beschaulichkeit. Und das ist dieser Widerspruch, dass die Leute meinen, ich sei ein rasender Reporter, im Grunde bin ich ein sehr introvertierter Mensch."
    Reporter und Schriftsteller
    Als solcher wollte Peter Scholl-Latour freilich nie wahrgenommen werden. Er, der auf den Spitznamen "Scholl on tour" hört, berichtete während eines langen Journalistenlebens in Bild und Wort aus den Konfliktzonen dieser Welt und schrieb über sie zahllose Bücher, darunter Bestseller mit sensationell hohen Auflagen wie "Allah ist mit den Standhaften" und "Der Tod im Reisfeld". Dieser Titel, der seine Reportagen aus den drei Indochinakriegen zwischen 1945 und 1979 umfasst, brach alle Sachbuchrekorde. Befragt, wie oft das Buch verkauft worden sei, sagt sein Autor mit verhaltenem Stolz: "Es ist weit über eine Million."
    So präsent dieser Welterklärer in den Bücherregalen des Bürgertums ist, so präsent war und ist er in den deutschen Fernsehkanälen. Für die ARD, später für das ZDF bereiste er Afrika, Süd- Ostasien, China und Afghanistan, leitete die Studios beider Sender in Paris, war zwischenzeitlich WDR-Fernsehdirektor und auch einmal Chefredakteur des Magazins "Stern".
    Vietnamkenner
    Bisweilen riskierte er Kopf und Kragen. 1973 geriet er in Vietnam in Vietcong-Gefangenschaft. 1997 kam er in Herat nur knapp mit dem Leben davon, als er eine afghanische Regierungsdelegation zu einem abtrünnigen Stamm begleitete, der die Minister zur Begrüßung unter Feuer nahm. Was er erlebte, war nicht nur eitel Sonnenschein. Was er schrieb, gefiel nicht jedem. Weil er das Operationsgebiet des Vietcong aus eigener Anschauung kannte, schließlich kämpfte er schon 1945 als französischer Fallschirmjäger gegen dessen Vorgänger, den Vietminh, sagte er die Niederlage der Amerikaner im Vietnamkrieg voraus:
    "Das ist wirklich einer der ganz wenigen Fälle in meinem Leben, wo ich den Versuch einer Zensur erlebt habe. Ich habe ja nicht berichtet, um die Amerikaner madig zu machen, sondern um die Realität zu schildern. Und dann habe ich eben einen Intendanten gehabt, Klaus von Bismarck, der sich in militärischen Dingen auskannte, hat sich drei Stunden mit mir unterhalten und dann kurz und preußisch gesagt: 'Machen Sie weiter!'".
    Grenzgänger
    Der Deutsch-Franzose Scholl-Latour, am 9. März 1924 in Bochum als Sohn eines Saarländers und einer Elsässerin geboren, ist bis heute Grenzgänger. Und so gern er Grenzen überschreitet, so gern geht er an Grenzen, auch an die der Zumutung. Als streitbarer Konservativer liegt er nicht selten mit dem Zeitgeist und der "political correctness" in Fehde. Klimaschutz ist für ihn nur ein "Modethema", Pazifismus etwas für Blauäugige, die nukleare Bewaffnung der Bundeswehr zum Zweck der Abschreckung aber ein Muss. Und da er mitunter auch noch in der rechtslastigen Wochenzeitung "Junge Freiheit" schreibt, polarisiert Scholl-Latour, auch mit seiner Einstellung zum Islam, die die Orientalisten gegen ihn aufbringt.
    Ein "Feindbild" sei das, zusammengesetzt aus Klischees, Verzerrungen und Irrtümern, hauptsächlich dazu angetan, Angst zu schüren, ist der Tenor dieser Kritik. Der Gescholtene schlägt, von keinerlei Selbstzweifeln geplagt, zurück:
    "Das ist völliger Quatsch. Ich habe ein Diplom in Beirut gemacht. Ich habe Hocharabisch studiert und auch Islamkunde. Also insofern habe ich da eine sehr viel intensivere Kenntnis als diese Leute haben, die ja doch im Allgemeinen in ihrem Elfenbeinturm sitzen."
    Seiner Popularität hat die Kritik aus der Orient-Wissenschaft keinen Abbruch getan. Seine Bücher verkaufen sich immer noch gut, und an Preisen und Auszeichnungen, darunter zwei Professorentitel, hat der Umtriebige fast alles abgeräumt, was es zu gewinnen ist.