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Journalismus von Flüchtlingen
"Amal" heißt Hoffnung

Seit Jahren wird in den Medien ausführlich über Flüchtlinge in Deutschland berichtet. Für das Online-Projekt „Amal Berlin“ schreiben jetzt geflüchtete Journalisten aus Syrien, Iran oder Afghanistan selbst über lokale Themen - trotz einiger Sprachbarrieren. Dabei wird schon der Titel des neuen Mediums zum Programm.

Von Michael Meyer | 23.03.2017
    Redaktionsarbeit bei "Amal", einer Internetplattform für Medienausbildung von Flüchtlingen
    Redaktionsarbeit bei "Amal", einer Internetplattform für Medienausbildung von Flüchtlingen (Deutschlandfunk/ Michael Meyer)
    Redaktionssitzung bei "Amal Berlin": An diesem Morgen sind nur vier Redakteure und Redakteurinnen da, zwei andere sind gerade auf Recherche in Mecklenburg-Vorpommern. Es geht gerade darum, wie man den Zapfenstreich für Bundespräsident Gauck aufgreift.
    Zehn Journalisten arbeiten für "Amal Berlin", sie kommen aus Syrien, dem Iran, Ägypten und Afghanistan. Alle Redakteure haben in ihren Heimatländern bereits als Journalisten gearbeitet, manche jahrelang. Einer von ihnen ist Muhamad Abdi, er stammt aus Syrien. Abdi hat Medienwissenschaften studiert und als Redakteur für verschiedene Websites gearbeitet. Ein Freund von Abdi hatte ihn auf einen Workshop für geflüchtete Journalisten aufmerksam gemacht, so ist er zu "Amal Berlin" gekommen.
    Abdi erzählt, dass für ihn die ausgeprägte Pressefreiheit hierzulande eine Umstellung war: "Hier in Deutschland, wenn ein Politiker einen Fehler macht, sagen sie das und sie machen einen Skandal. Das überrascht mich wirklich. Wenn in Syrien eine Person in der Regierung etwas falsch macht, kannst du natürlich nicht über ihn schreiben. Wenn ich in deutsche Medien lese, ist das wirklich eine Überraschung. Der Journalist kann über alle Themen reden, ohne Angst zu haben."
    Lokaljournalismus auf Arabisch, Farsi und Dari
    Bei "Amal Berlin" stehen lokale Themen im Vordergrund, erzählt Julia Gerlach, eine der beiden Gründerinnen des Projekts. Lebenshilfe und praktische Tipps für Geflüchtete gebe es schon genügend auf anderen Websites, sagt Gerlach, von daher gehe es bei "Amal Berlin" eher um klassischen Lokaljournalismus – nur eben auf Arabisch, Farsi und Dari.
    "Was passiert im Roten Rathaus, was passiert in den Unterkünften, wie funktionieren Schulen, was muss man als Eltern bedenken, wenn man Kinder anmelden möchte. Aber das in Form von journalistischen Artikeln, nicht mit erhobenem Zeigefinger - ihr müsst jetzt dies oder das machen - sondern berichtend, beschreibend, reportagig. Die Leute mitnehmen und ihnen auf Augenhöhe zu sagen, was hier passiert. Und dass man dann auch mitmachen kann, das ist unser Ziel."
    Die Texte erscheinen jeden Tag und werden übersetzt auch schon mal übernommen von Kooperationspartnern wie ZEIT Online oder dem Berliner Tagesspiegel. Jeder Text kann gegen ein Honorar von weiteren Redaktionen verwendet werden.
    Neue Perspektiven im buntgemischten Team
    Das Team von "Amal Berlin" ist bunt gemischt, Frauen und Männer unterschiedlichen Alters aus verschiedenen Ländern. Da ist es klar, dass manchmal auch heftig diskutiert wird, unterschiedliche Sichtweisen prallen aufeinander. Julia Gerlach erzählt, dass man sich bei bestimmten Wörtern auf eine Sprachregelung geeinigt habe. Bei Berichten, die den Syrien-Konflikt betreffen, schreibt man beispielsweise das Wort "Revolution", nicht "Bürgerkrieg".
    Die unterschiedlichen Sichtweisen innerhalb der Redaktion seien manchmal etwas anstrengend, sagt die iranische Journalistin Mahdis Amiri, aber das sei auch sehr interessant: "Denn man lernt dabei, jeden Tag, dass viele andere Sichtweisen existieren. Das öffnet wirklich deinen Horizont. Sechs Kollegen kommen zum Beispiel aus Syrien – ich bin die einzige aus dem Iran. Und Sie wissen ja, wie Syrer oft über Iraner denken, aber jetzt kommen wir gut miteinander aus, wir arbeiten ja schon seit Monaten zusammen, jetzt sind wir ein gutes Team und verstehen einander."
    Hauptproblem für die Journalisten und Journalistinnen von "Amal Berlin" ist noch immer die deutsche Sprache, manche beherrschen sie schon recht gut, die meisten aber noch nicht. Das ist für die weitere berufliche Zukunft natürlich ein Hindernis.
    Hilfe bei der deutschen Sprache
    Bei Pressekonferenzen oder wenn am Telefon recherchiert werden muss, müsse sie sich manchmal helfen lassen, erzählt die ägyptische Journalistin Asmaa Yousuf. Sie wolle aber, trotz der Anfangsschwierigkeiten, in jedem Fall weiterhin als Journalistin arbeiten.
    "Ja, es ist wirklich interessant. Mir gefällt aber vor allem die investigative Recherche, die man hier in Deutschland machen kann. Manchmal stellt man auch fest, dass nach einer Recherche der ganze Artikel nicht erscheinen kann. Das ist natürlich etwas heikel manchmal, aber sehr interessant und es ist aufregende Arbeit. Ich mag es sehr."