Dienstag, 19. März 2024

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Journalisten in Katalonien
Bedrängt, beschimpft, beworfen

Die katalanische Gesellschaft sei extrem polarisiert, auch in ihrem Verhältnis zu Medienvertretern, sagte der Auslandsreporter Hans-Günter Kellner im Dlf. Bei Berichten über Demonstrationen würden Journalistinnen und Journalisten inzwischen auch körperlich bedrängt.

Hans-Günter Kellner im Gespräch mit Christoph Sterz | 17.10.2019
Bei Demonstartionen der Katalonischen Seperatisten am 15. Oktober 2019 in Barcelona steht ein Mann einer Reihe schwer ausgerüsteter Polizisten gegenüber, der Boden ist übersät mit Müll.
In Barcelona kam es nach den Urteilen gegen Anführer der katalanischen Separatisten zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei (NurPhoto)
In Barcelona und anderen Städten Kataloniens haben nach der Verurteilung von neun Anführern der Unabhängigkeitsbewegung am 14. Oktober wieder Tausende protestiert. Bei den teils gewaltsamen Ausschreitungen geraten auch Journalistinnen und Journalisten zunehmend ins Visier der Separatisten.
Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" hat nach eigenen Angaben seit den Unruhen rund um das Unabhängigkeitsreferendum im September 2017 50 Angriffe auf Journalisten und Verstöße gegen die Pressefreiheit in Katalonien dokumentiert.
Blick in den Gerichtssaal beim Katalonien-Prozess in Madrid. Man sieht unter anderem die Unabhängigkeitsführer Joaquim Forn, Raul Romeva and Oriol Junqueras (erste Reihe von links nach rechts)
Kommentar zum Katalonien-Prozess: Ein Warnschuss für die Zukunft
Mit dem Unabhängigkeits-Referendum hätten sich die katalanischen Separatistenführer über geltende Gesetze hinweg gesetzt, kommentiert Marc Dugge. Dies dürfe ein Rechtsstaat nicht dulden.
Reporterin vor laufender Kamera bedrängt
Auch Auslandsreporter Hans-Günter Kellner berichtet in @mediasres von Angriffen auf Journalistinnen und Journalisten. Es würden sich insbesondere um spanische Kamerateams immer wieder Gruppen formieren, die versuchten, die Arbeit bei Live-Einsätzen zu behindern.
Öffentlich diskutiert wurde beispielsweise eine Attacke auf Laila Jiménez Anfang Oktober: Die Reporterin des Madrider Fernsehsenders Telecinco wurde von katalanischen Protestierenden bedrängt und beschimpft, wie eine bei Twitter viel geteilte Videoaufnahme zeigt.
Einige Kollegen hätten sich wegen Steinwürfen bei Demonstrationen mittlerweile mit Helmen ausgerüstet, berichtet Kellner. Außerdem kämen Journalisten immer wieder zwischen die Fronten und hätten in den vergangenen Tagen Polizeiknüppel abbekommen.
Daneben gebe es auch Fälle, in denen Anhänger der spanischen Einheit Medienvertreter bedrängten - beispielsweise ein Presseteam, von dem sie glaubten, es arbeite für den regionalen Sender TV3.
Ausländische Journalisten unter verstärkter Beobachtung
Er persönlich sei zwar noch nicht zum Ziel von Attacken geworden, so Kellner, allerdings gebe es ein gewisses Risiko. Zudem stehe man als Medienvertreter bei Katalonienberichten unter verstärkter Beobachtung und überlege sich Formulierungen durchaus genauer, "bevor man bei Twitter irgendwelchen Hassbotschaften ausgesetzt ist".
Das soziale Netzwerk sei im Katalonien-Konflikt ein wichtiges Druckmittel - aber auch ein Medium, in dem sich Filterblasen immer mehr ausprägen würden. Auch auf Grund dieser Entwicklung habe sich die Situation für Journalisten in den vergangenen zwei Jahren zugespitzt.
Demonstranten zeigen Plakate mit Abbildungen inhaftierter katalanischer Separatistenführer bei einem Protest gegen den gerichtlichen Prozess, der gegen sie geführt wird. 
Wahlkampf in Katalonien: Sprachregelung fürs Lokalfernsehen
Die Formulierung "politische Gefangene" ist für einen Lokalsender in Barcelona ab sofort tabu. So will es die spanische Wahlbehörde. Ziel sei es, neutrale Berichterstattung im Wahlkampf sicherzustellen, sagte Dlf-Korrespondent Oliver Neuroth im Dlf.