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JU-Vorsitzender Tilman Kuban
"Digitaler CDU-Parteitag ist möglich"

Der Vorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban, spricht sich anders als Friedrich Merz klar für einen digitalen CDU-Parteitag aus. Dafür müssten nun die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Denn bisher lässt das Parteiengesetz die Verabschiedung von Programmen und die Wahl von Kandidaten online noch nicht zu.

31.08.2020
Tilman Kuban, Bundesvorsitzender der Jungen Union (JU) spricht bei einer CDU-Wahlkampfveranstaltung zur Europawahl
Tilman Kuban, Bundesvorsitzender der Jungen Union (JU), wirbt für eine digitalen Parteitag der CDU (dpa/Christophe Gateau)
Eigentlich sollten 1001 Delegierten nach Stuttgart kommen - doch wie der CDU-Parteitag im Dezember geplant werden kann, ist angesichts der Corona-Pandemie noch unklar. Neben Armin Laschet und Norbert Röttgen bewirbt sich auch Friedrich Merz für den Parteivorsitz. Er sprach sich im Interview der Woche im Deutschlandfunk klar gegen einen digitalen Parteitag aus. Merz will die Parteispitze trotz Corona auf einem Parteitag mit Delegierten vor Ort wählen - und dachte über einen Parteitag im Fußballstadion nach.
Kuban hält Parteitag vor Ort für "schwer vermittelbar"
Der Vorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban, hält dagegen. Er sagte im Dlf: "Wir erklären wir dem Karnevalsverein, dass er sich am 11.11. nicht treffen darf. Wir erklären dem Hochzeitspaar, dass sie nur mit 50 Personen den hoffentlich schönsten Tag ihres Lebens feiern können. Und gleichzeitig sollen wir aber auch erklären, dass die CDU einen Parteitag mit 1.500 Leuten macht. Ich persönlich halte das für sehr, sehr schwer vermittelbar."
Rechtlichen Rahmenbedingungen notwendig
Im Gegensatz zu Friedrich Merz sprach sich Kuban klar für einen digitalen CDU-Parteitag aus. Dafür müssten nun die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Denn laut CDU-Satzung ist bisher aber nur eine Präsenzveranstaltung möglich. "Es braucht ein Digitalisierungsschub für das Parteienrecht, dass auch Wahlparteitage digital abgehalten werden können, falls wir uns im Dezember nicht treffen können", sagte Kuban.
Digital schneller auf aktuelle Situation reagieren
Erste Ideen gebe es schon in der CDU. Er wünsche sich, dass digitale Wahlparteitage nicht nur in der Pandemie, sondern auch darüber hinaus möglich seien. "Ich bin der festen Überzeugung, Digitalisierung wird unserer Gesellschaft viel Gutes bringen und auch, dass Parteiarbeit dafür sorgt, dass wir schneller und modern Themen und Stimmungsbilder einfangen können."
Wer wird neuer CDU-Parteivorsitzender?
Wegen der COVID-19-Pandemie hat die CDU die Entscheidung um die Nachfolge von Annegret Kramp-Karrenbauer an der Parteispitze auf Dezember vertagt. Kandidaten sind weiterhin Norbert Röttgen, Armin Laschet und Friedrich Merz.

Das Interview im Wortlaut:
Sandra Schulz: Sie wollen den Parteitag ja digital abhalten. Was denken Sie, wie soll das aussehen?
Tilman Kuban: Aus meiner Sicht müssen jetzt die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden durch die Änderung des Parteiengesetzes. Wir haben schon die Möglichkeiten geschaffen, beispielsweise für Vereine, aber auch für große Aktiengesellschaften. Beyer oder Siemens haben schon ihre Aufsichtsräte digital gewählt mit mehreren tausend Aktionären. Aus meiner Sicht braucht es da jetzt auch einen Digitalisierungsschub fürs Parteienrecht, dass auch Wahlparteitage digital abgehalten werden können, falls wir uns im Dezember nicht treffen können und falls es so ist, dass die Zahlen weiter so sind, wie sie heute sind.
Junge Union wünscht sich digitale Wahlparteitage über die Pandemie hinaus
Schulz: Eine rein digitale Veranstaltung, das geht im Moment ja nach dem Parteienrecht in Verbindung mit ihrer Satzung nicht. Da ist eine Präsenzveranstaltung nötig. Da wollen oder müssten Sie dann heran?
Kuban: Paul Ziemiak hat als Generalsekretär schon mit den anderen Generalsekretären erste Vorbereitungen getroffen. Das finde ich sehr gut. Und es gibt dort schon erste Ideen, so etwas einzuführen. Aus meiner Sicht braucht es da jetzt einen wirklichen Schub, dass auch nach der Sommerpause dann im Bundestag genau das umgesetzt wird, vielleicht sogar noch ein bisschen weitergehend. Wir als Junge Union wünschen uns eigentlich, dass Wahlparteitage nicht nur in einer Pandemie möglich sind, sondern auch darüber hinaus, weil Digitalisierung muss auch Einheit haben in den Parteien.
Bei Friedrich Merz für die Digitalisierung werben
Schulz: Ich würde mit Ihnen jetzt gerne noch mal auf den Vorschlag schauen, der am Wochenende von einem der Kandidaten kam, von Friedrich Merz. Er hat in unserem "Interview der Woche" das hier gesagt: "Wir sehen im Augenblick schon Veranstaltungen von einigen hundert Menschen, die daran teilnehmen dürfen. Wir sehen ein Konzert in Leipzig mit 1.500 Gästen. Dann wird die CDU in Deutschland auch einen Parteitag mit tausend Delegierten durchführen können. Dafür gibt es Möglichkeiten bis hin zu Fußballstadien, wo man das mit dem gehörigen Abstand auch machen kann." Friedrich Merz kann sich vorstellen, ins Stadion zu gehen. Ist er da vielleicht im digitalen Zeitalter noch nicht ausreichend heimisch?
Kuban: Wir werden bei Friedrich Merz dafür werben, dass genau diese Digitalisierung kommen muss. Ich sage es noch mal: Wenn die Infektionen sich besser entwickeln und, die Neuinfektionen, und wir weniger Corona-Fälle haben, dann halte ich es auch für richtig, dass wir uns treffen. Aber es geht um den Fall, den worst case vorzubereiten, dass die Zahlen nicht besser werden, sondern vielleicht sogar schlechter. Und man muss schon sehen, dass wir auch eine Verantwortung haben. Wir haben momentan viel Zuspruch als CDU aus der Bevölkerung, weil man uns sagt, ihr handelt sehr verantwortlich, was die Corona-Neuinfektionen angeht. Und jetzt erklären wir dem Karnevalsverein, dass er sich am 11. 11. Nicht treffen darf. Wir erklären dem Hochzeitspaar, dass sie nur mit 50 Personen den hoffentlich schönsten Tag ihres Lebens feiern können. Und gleichzeitig sollen wir aber auch erklären, dass die CDU einen Parteitag mit 1500 Leuten macht. Ich persönlich halte das für sehr, sehr schwer vermittelbar.
JU-Vorsitzende ist überzeugt: digitaler Parteitag ist möglich
Schulz: Wenn Sie das digital machen wollen, dann werden Sie ja ein Abstimmungs-Tool brauchen. Lässt sich das entwickeln mit den nötigen Sicherheitsvorkehrungen?
Kuban: Ich bin der festen Überzeugung, dass das möglich ist. Man kann heute schon seine Kreditkarte rein online bestellen. Da muss man sich beispielsweise auch mit einem Personalausweis zertifizieren lassen. Die Sicherheitsmöglichkeiten sind alle da und deswegen sage ich Ihnen, dass ich der festen Überzeugung bin, dass das technisch möglich ist. Es gibt ja auch andere Varianten, zum Beispiel eine Briefwahl, wo man bei der Briefwahl ja auch zuhause sitzt und wählen geht. So ist ja zum Beispiel auch die Stichwahl der Kommunalwahl in Bayern abgelaufen im März, als reine Briefwahl. Es gibt dann immer auch manchmal solche Situationen, die sind vielleicht nur der zweitbeste Fall. Aber aus meiner Sicht brauchen wir Klarheit an der Parteispitze und deswegen sollte das im Dezember stattfinden.
Schneller Themen und Stimmungsbilder durch Digitalisierung einfangen
Schulz: Aber die Abstimmung über einen Parteivorsitzenden, das ist ja für die innerparteiliche Demokratie ein ganz zentrales Moment. Sie hatten bei der letzten Vorsitzenden-Wahl zwischen Friedrich Merz und Annegret Kramp-Karrenbauer in der Stichwahl auch ein ganz knappes Ergebnis. Wenn es Zweifel gibt an der Legitimation und diese Versprechen in Sachen, so was lässt sich sicher entwickeln, das haben wir ja bei der Corona-Warn-App gesehen, dass sich da Erwartungen auch mal ganz schnell zerschlagen können.
Kuban: Wer jetzt mit großer Skepsis vorgeht und meint, dass Digitalisierung ja auch immer viele Risiken birgt – ich persönlich sage Ihnen, auch bei einem normalen Parteitag kann es sein, dass jemand seine Stimmkarte an seinen Nachbarn abgibt und der hält sie hoch, oder da gibt jemand anderes die Stimme ab. Solche Situationen sind ja durchaus vorhanden, dass das möglich ist.
Schneller Themen und Stimmungsbilder durch Digitalisierung einfangen
Schulz: Würden doch aber CDU-Delegierte nie machen, oder?
Kuban: Das würden CDU-Delegierte nie machen und genauso würden CDU-Delegierte, wenn sie Delegierte sind, zuhause auch abstimmen, weil sie diejenigen sind, die abstimmungsberechtigt sind. Von daher appellieren wir an die Verantwortung, an das verantwortungsvolle Handeln der Delegierten.
Nein, Spaß bei Seite! Ich bin der festen Überzeugung, Digitalisierung wird unserer Gesellschaft viel Gutes bringen und auch, dass Parteiarbeit dafür sorgt, dass wir schneller und modern Themen und Stimmungsbilder einfangen können und viel schneller agieren können auf aktuelle Situationen, nicht nur mit einem Parteivorstand und einem Parteipräsidium Abstimmungen durchzuführen, sondern viel mehr Mitglieder auf einem digitalen Bundesparteitag zu befragen, oder aber auch vielleicht sogar die Mitglieder. Sie wissen, dass wir als Junge Union immer sehr dafür sind, dass wir die Mitglieder, die viel selbstbewusster geworden sind und viel mehr mitsprechen wollen, dass wir denen auch Möglichkeiten dafür bieten.
Schulz: Ich weiß auch, dass Sie als Junge Union immer sehr dafür waren, dass Friedrich Merz Parteivorsitzender wird. Das hat im vergangenen Jahr nicht geklappt. Wenn wir jetzt auf diese unterschiedlichen Vorstellungen schauen, schon allein was die Ausrichtung des Parteitages betrifft, tut sich da jetzt eine Kluft auf?
Kuban: Wir werden als Junge Union unsere Mitglieder befragen, nämlich im Herbst, wer aus ihrer Sicht derjenige ist, der Parteivorsitzender werden soll, und da bin ich sehr gespannt. Friedrich Merz halte ich persönlich für eine tolle Persönlichkeit, der viel mitbringt, und dass die Junge Union beim Thema Digitalisierung dann auch gegenüber den Älteren in der Partei vielleicht mal ein bisschen mehr schiebt und ein bisschen mehr Tempo machen will, damit muss man leben.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.