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Jubelberichterstattung

Doping, Korruption und Finanzskandale - lange Zeit wurden ernste Probleme in der Sportberichterstattung einfach ausgeblendet. Stattdessen jubelten und bangten die Berichterstatter lieber mit ihren Lieblingsvereinen und -sportlern. In Dortmund trafen sich Journalisten, um über das Problem zu beraten.

Von Norman Stahl | 16.02.2008
    Kritik und Objektivität sind für Sportjournalisten Fremdwörter. Sie verbrüdern sich lieber mit Sportlern und Funktionären. Ihre tiefgründigste Interview-Frage ist: "Wie fühlen Sie sich?" Mit solchen Vorwürfen hat seit längerem ein ganzer Berufsstand zu kämpfen. Qualität im Sportjournalismus - dieses Themenfeld beschäftigt Dozentin Stefanie Opitz vom Dortmunder Institut für Journalistik schon lange. Erst recht seit der Berichterstattung über Doping im Radsport.

    "Da war für mich eigentlich ein Moment gekommen, wo ich gedacht habe: Jetzt muss man eigentlich mal was machen, jetzt muss man eigentlich reagieren, auch als Institut für Journalistik einfach mal aus einer anderen Perspektive mal eine Diskussion anregen und mal darüber reden: Geht so was noch? Ist das noch tragbar? Oder wohin gleitet auch unser Sportjournalismus?"

    Genau darüber diskutieren seit gestern 160 Sportjournalisten, Wissenschaftler und Studenten an der TU Dortmund. Eingeladen zu der bisher größten deutschen Konferenz dieser Art haben das Institut für Journalistik und das Sportnetzwerk. Eine Journalisten-Vereinigung, die der Sportchef der Berliner Zeitung, Jens Weinreich, ins Leben gerufen hat, um für einen besseren Sportjournalismus einzustehen.

    "Manche meinen, Journalismus sei nur eins zu eins abbilden, was ist. Das ist zu wenig. Haltung ist für mich fast das Entscheidende heutzutage, beim geringsten Widerstand knicken manche Leute ein, man hat aber nicht einzuknicken. Man hat, verdammt noch mal, als Journalist die Pflicht, einigermaßen Haltung zu bewahren, zu recherchieren und Öffentlichkeit herzustellen."

    An diese Tugenden halten sich jedoch nicht viele, findet Weinreich. Ihm sind Bilder von schunkelnden Sportjournalisten, Arm in Arm mit den Sportlern, die sie eigentlich kritisch begleiten sollen, ein Dorn im Auge.

    "Sport ist per se Unterhaltung erst mal und Emotion, niemand braucht Sport wirklich, und viele Millionen Leute wachsen auf damit, Fan einer Mannschaft, einer Sportart oder sonst was zu sein. Dieses Fansein - Sport betrachten mit Emotionen - das vernebelt die Sinne und das verursacht letztlich so eine besondere Problemhäufung, die wir haben im Sportjournalismus."

    Wie man es besser machen kann, darum dreht sich ein Marathon aus 40 Workshops und Vorträgen. Experten aus acht Nationen sprechen darüber, wie das milliardenschwere Geflecht aus Sport, Wirtschaft und Politik Sportjournalisten behindert und instrumentalisiert. Unter den Fachleuten ist der Brite Andrew Jennings, der mehrere Preise für seine Korruptions-Enthüllungen im Weltfußball gewonnen hat. Mangelnde Qualität und miese Recherchen im Sport - für Jennings ein weltweites Problem.

    "”In England ist man so schlecht, wie im Rest der Welt, wir sind nicht besser. Zum Glück gibt es ein paar Herausgeber, die sich gefreut haben, mein Material zu drucken, BBC. Ich war fasziniert: Am nächsten Tag hatten wird Millionen von Zuschauern, aber kein Wort in den Zeitungen. Was denken die Journalisten und Herausgeber? Wir hatten Dokumente gezeigt, die Korruption bewiesen. Glauben die, sie werden ihre Leser behalten?”"

    Jennings’ Rede ist ein flammendes Plädoyer für den investigativen Sportjournalismus. Immer wieder rudert der 64-Jährige mit den Armen, reißt seine Augen weit auf. Mit markigen Worten fordert er Idealismus ein, gibt zu verstehen, wie sehr es sich lohnt, gerade im Sport den Dingen auf den Grund zu gehen.

    "”Ich habe mit diesen idiotischen Journalisten Mitleid, die nicht recherchieren, die nicht solche Dokumente finden wollen: Wie traurig ihr Leben ist, das nur daraus besteht, aufzuschreiben, was Sepp Blatter und Jacques Rogge gesagt haben, als ob dies jemanden interessieren würde! Was für eine traurige Beschäftigung!""

    Dass es anders geht, hat der Finanzskandal bei Borussia Dortmund bewiesen: Er wäre ohne die hartnäckige Recherche zweier Journalisten vermutlich nicht ans Tageslicht gekommen. Ein Beispiel, das gestern gerade dem journalistischen Nachwuchs Mut machen sollte. Über dunkle Seiten im Sport müsse schonungslos berichtet werden, betonte auch der stellvertretende ZDF-Chefredakteur Elmar Theveßen. Wichtig sei es nur, seine Forderung auch als Mahnung zu verstehen.

    "Man sollte sich nicht in die Begeisterung hineinsteigern, dass man am Ende glaubt, alleine die Wahrheit gepachtet zu haben. Sehr wichtig ist, dass man vielleicht auch ein bisschen Bescheidenheit lernt und sich darauf besinnt, dass journalistische Sorgfaltspflicht über allem stehen soll und nicht irgendwelche persönlichen Feldzüge oder Missionen, von denen man leider manchmal in der Berichterstattung den Eindruck hat, dass sie vorangetrieben werden sollen."