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Judentum
Ein Kuppler vor dem Herrn

Die Ehe hat im Judentum einen hohen Wert. Um bei der Partnersuche zu helfen, bieten in jüdischen Gemeinden seit Urzeiten Heiratsvermittler ihre Dienste an. Schadchan oder Schadchen werden sie genannt. José Weber ist einer von ihnen. Kuppeln sei eine schöne Sache, sagt er, auch in Zeiten von Dating-Apps.

Von Tobias Kühn | 04.10.2017
    Heiratsvermittler José Weber in seinem Büro in Frankfurt am Main.
    Heiratsvermittler José Weber in seinem Büro in Frankfurt am Main. (Deutschlandradio / Tobias Kühn)
    "Und Gott erschuf den Menschen nach seinem Bilde: Als Mann und Frau erschuf er sie – und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch!"
    Eine Familie zu gründen und Kinder zu haben, ist im Judentum eines der zentralen Gebote. Doch es braucht immer zwei dazu – und den Richtigen oder die Richtige zu finden, kann mitunter schwierig sein.
    Nach dem Talmud, einem der wichtigsten Werke des Judentums, werden Ehen schon vor der Geburt geschlossen: Ja, 40 Tage vor der Zeugung verkündet eine Stimme im Himmel, wer der Partner oder die Partnerin sein wird. Auf Jiddisch nennt man diese Person "Beschert" – denn wie der Name sagt, wird sie einem von Gott beschert. Diese Idee habe etwas Romantisches und Mystisches, meint die liberale Frankfurter Rabbinerin Elisa Klapheck.
    "Der Beschert, das ist die Vorstellung, dass es den einen Menschen gibt, den Gott für einen auserwählt hat, der zu einem passt. Und so ist es ja auch im Leben: Wir haben alle diesen Wunsch, diese Hoffnung, dass es diese eine Person gibt, und wir suchen sie. Manche Menschen suchen ihr ganzes Leben lang, manche Menschen finden ihren Beschert früh, und manche finden ihn nicht."
    Um bei der schwierigen Suche zu helfen, bietet in jüdischen Gemeinden seit Urzeiten ein Heiratsvermittler seine Dienste an.
    Der älteste Beruf der Welt
    Auf Hebräisch nennt man ihn Schadchan. Bekannter ist das jiddische Wort Schadchen. Ein Schadchen verfügt in der Regel über große Menschenkenntnis und hat im Laufe der Zeit gemerkt, dass er ein Händchen dafür hat, junge Leute zusammenzubringen.
    Viele Schadchanim vermitteln Ehen in ihrer Freizeit, aber es gibt auch einige, die es sich zum Beruf gemacht haben. Einer von ihnen ist José Weber in Frankfurt am Main. Er ist seit 30 Jahren professioneller Schadchen.
    "Die Aufgabe eines Schadchens ist das Zusammenbringen von zwei Menschen", erklärt er. "Das richtige Wort auf Deutsch heißt Kuppelei, das Verkuppeln. Auf Deutsch hat das ein bisschen so einen negativen Touch. Bei uns ist das eine sehr schöne Sache, denn immerhin ist dieser Beruf der älteste Beruf, den es gibt – nicht das berühmte, was man sonst immer denkt. Wir sind noch älter!"
    Der erste jüdische Heiratsvermittler war Abrahams Knecht Eli'eser. Sein Herr sandte ihn nach Mesopotamien, um für Isaak, seinen Sohn, eine passende Frau zu finden. Die Mission glückte: Einige Wochen später kehrte Eli‘eser mit Rebekka zurück, und Isaak nahm sie zur Frau.
    Ein orthodoxer Rabbiner in Jerusalem informiert ein jüdisches Ehepaar vor der Hochzeitszeremonie über ihre Pflichten in der Ehe.
    Ein orthodoxer Rabbiner informiert ein jüdisches Ehepaar vor der Hochzeitszeremonie über ihre Pflichten in der Ehe. (imago / ZUMA Press)
    Jahrhundertelang waren es die Eltern, die sich an den Heiratsvermittler wandten. Sie suchten für ihr Kind den Mann oder die Frau fürs Leben. Dem Schadchen ging es vor allem darum, ein Geschäft machen. Er pries seine Ware an – und manchmal beschönigte er. Das machte ihn zum Gegenstand vieler Witze.
    "Jankl will heiraten. Der Schadchen fährt ihn zu einem Mädchen. Auf dem Heimweg erklärt Jankl: "Sie gefällt mir nicht, sie hat einen unechten Busen, falsche Haare, falsche Zähne, einen Buckel…" – "Ja", bestätigt der Schadchen, "aber der ist echt!"
    Trotz alledem war der Schadchen immer sehr darauf bedacht, seriös zu bleiben. Seine berufliche Zukunft hing davon ab, wie gut sein Ruf in den Gemeinden war. Wie viel für ihn dabei auf dem Spiel stand, beschreibt der österreichisch-jüdische Schriftsteller Karl Emil Franzos:
    "Ein Schadchen gebraucht mancherlei Mittel, um ein schwieriges Geschäft zustande zu bringen oder ein bedrohtes zu retten – aber einem ehrbaren Manne listig eine Entehrte als Braut zuzuführen, mit solcher Schuld belastet kein Mann dieser Zunft sein Gewissen."
    Die jüngste Kundin war 17, der älteste Kunde 91
    Vor allem in ultraorthodoxen Kreisen sind es oft auch heute noch die Eltern, die sich an Heiratsvermittler wenden, weil sie einen Partner suchen für ihr Kind, das gerade erwachsen geworden ist. José Weber hat keine ultraorthodoxen Kunden. An ihn wenden sich in der Regel nicht die Eltern, sondern die Singles selbst – und das in allen Altersgruppen.
    "Man kann sagen Kunden, ja. Die Jüngste war bisher 17, der Älteste war 91. Das sind natürlich Riesenextreme! – Das ist das Schöne an meinem Metier: Solange der Mensch gesund ist, egal in welchem Alter, möchte er nicht einsam sein."
    Schon in der Tora, den fünf Büchern Moses, steht geschrieben:
    "Und Gott, der Ewige, sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei."
    Manche, die nicht allein sein wollen, wären durchaus mit einer "Ehe ohne Trauschein" zufrieden. Doch um mit den Rabbinern keinen Ärger zu bekommen, passt Weber auf, dass seine Kunden am Ende auch tatsächlich heiraten.
    Er erzählt: "Also wir schauen sehr darauf, dass es bei den Jüngeren, so ungefähr bis 40, doch zur Hochzeit kommt und dass nicht die sogenannten wilden Ehen gebildet werden. Auch ich persönlich möchte gern, dass junge Leute sich vermählen, Kinder haben – also das Ziel: Familien gründen, das ist natürlich das Allerschönste. Bei den Älteren da ist das Ziel ein anderes: Nicht Familiengründung, sondern ein passendes Pendant zu finden, um durchs Leben zu gehen."
    Früher reiste José Weber quer durch Europa und traf seine Kunden – jeden einzeln – in so mancher Hotellobby. Dabei ging es darum, sie kennenzulernen, um herauszufinden, ob sie zueinander passen und ob es Sinn hat, sie einander vorzustellen. In jüdischen Kreisen nennt man das: sie zu schidduchen.
    Vorschläge immer am Donnerstag, frühester Kontakt am Samstag
    Inzwischen nimmt das Internet José Weber viele Wege ab. Wer sich von Weber einen Partner vermitteln lassen möchte, meldet sich auf seiner Website an, richtet ein Profil ein und beschreibt, wie er sich seinen Traumpartner vorstellt.
    Doch anders als bei herkömmlichen Datingportalen lernt Weber auch heute noch jeden Kunden persönlich kennen, seit einigen Jahren allerdings per Skype. Er gibt Hinweise für die Kontaktanbahnung und macht auf Fehler aufmerksam, die man vermeiden sollte. Danach durchforstet Weber seinen Pool und verschickt jedem Kunden jeweils einen Partnervorschlag. Die Frauen bekommen den Vorschlag zuerst, und zwar an einem Donnerstag.
    José Weber erzählt: "Die passenden Herren dazu bekommen den Vorschlag einen Tag später, am Freitag. In den 30 Jahren habe ich sehr viel Erfahrung gewonnen. Es gibt Herren, die es unheimlich eilig haben. Und wenn ich das am Donnerstag schicke – die Dame hat vielleicht ihren Vorschlag noch nicht gelesen, noch nicht erhalten – und der Herr kann es kaum erwarten und ruft sie an, noch bevor sie es überhaupt weiß – das kann sehr bös danebengehen.
    Ich bitte die Herren, ihren ersten Kontakt per Telefon frühestens am Sonntag zu machen. Warum Sonntag? Die meisten von uns arbeiten sonntags nicht. Kein Ärger, meistens hat man ausgeschlafen, man ist in guter Stimmung – das ist der ideale Tag, um das Telefon in die Hand zu nehmen und die Dame anzurufen, die man sich vorstellt. Der Anruf sollte sehr, sehr, sehr kurz sein. Fünf Minuten sind schon zu lang. Früher war das anders, heute ruft man nur an und sagt: Ich freu mich, dich bald kennenzulernen. Ich möchte mit dir nur den Skype austauschen – denn das erste Kennenlernen erfolgt über Skype."
    "Ich war absolut geschockt, wie er aussah"
    Nicht jeder Schadchan geht so vor. Bei Karina Lang, die seit einiger Zeit religiös lebt, war es ganz anders. Ihre Ehe wurde von der Frau des Rabbiners ihrer Gemeinde vermittelt. Ein Skype-Gespräch mit ihrem künftigen Partner gab es nicht. Als Karina ihren Mann Shimon das erste Mal sah, fehlten ihr die Worte.
    "Ich war geschockt. Ich war absolut geschockt, wie er aussah – in, ja, schrecklichen Klamotten, die ihm viel, viel, viel zu groß waren – locker drei Nummern zu groß! Haare nicht gekämmt, langer Bart – das fand ich nicht schön, und das fand ich auch unangebracht für ein erstes Date, und ich war sehr enttäuscht."
    Doch beim Gespräch in einem Café fanden die beiden heraus, dass sie gemeinsame Ziele haben und sich irgendwie mochten. Danach trafen sie sich noch dreimal – und vier Monate später heirateten sie. Nach dem ersten Treffen brauchten sie die Hilfe der Heiratsvermittlerin nicht mehr, sondern nahmen alles selbst in die Hand. Das entspricht nicht dem klassischen Modell, das unter sehr religiösen Juden bis heute verbreitet ist.
    Normalerweise meldet man sich nach dem ersten Treffen beim Schadchan zurück – oder bei der Schadchanit, wenn es eine Frau ist. Dann wird gegebenenfalls ein zweites Treffen vereinbart. So hat es Karinas Mann Shimon jahrelang – erfolglos – getan. Der Schweizer, der heute 34 Jahre alt ist und als Psychologe arbeitet, wuchs sehr religiös auf. Schon mit Anfang 20 fing er an, mit der Hilfe einer Schadchanit eine Frau zu suchen.
    "Man fährt oder fliegt dorthin, wo das Mädchen ist, wo die Frau ist, und man trifft sich. Und nach jedem Treffen konsultiert man die Schadchanit und sagt: Ich wäre interessiert, da weiterzumachen oder nicht weiterzumachen. Es erspart einem auch, dass man direkt der Person sagen muss, ich möchte nicht weitermachen."
    Der Heiratsvermittler hilft und versucht, Missverständnisse auszuräumen. Denn das passiert immer wieder.
    "Ist das jemand, den ich als Mutter meiner Kinder möchte?"
    In sehr orthodoxen Kreisen haben die meisten jungen Männer und Frauen außerhalb der Familie keinen Kontakt mit Angehörigen des anderen Geschlechts. Mädchen und Jungen gehen auf getrennte Schulen, und in der Synagoge haben sie getrennte Plätze.
    Für viele junge Orthodoxe seien die ersten Treffen, die der Schadchan vermittelt, nur wenig von Gefühlen geprägt, sagt Shimon Lang. Im Vordergrund stehe immer die Frage: Will ich den Rest des Lebens mit dieser Frau verbringen?
    "Also im klassischen Fall trifft man sich vier-, fünf-, sechs-, sieben-, achtmal – je nachdem, und dann verlobt man sich. Wie sie aussieht, ihre Schönheit – alles wird ein bisschen relativiert, weil ich das so anschaue: Passt sie zu mir, ist das jemand, den ich als die Mutter meiner Kinder möchte? Das ist ein ganz anderer Gesprächszugang als in einem Klub oder einer Disko, wenn ich ein Mädchen anquatsche. Das ist ein ganz anderes System. Und deshalb kommt der Punkt relativ schnell, wo man sagt: Okay, wir haben das abgecheckt, wir mögen uns. Das ist natürlich eine sehr kopflastige Entscheidung, das muss man einräumen, aber natürlich muss man die Person mögen, man muss sie attraktiv finden – und dann verlobt man sich, und dann, relativ schnell, drei Monate später, heiratet man. Die Verlobungszeit ist relativ kurz, weil dann dieser Drang nach dem Anfassen, Spürenwollen natürlich auch steigt. Und damit man das nicht so quälend lang hinauszögert, wird relativ schnell geheiratet."
    Abgerechnet wird zum Schluss
    Nach der Hochzeit erhält der Heiratsvermittler von beiden Partnern Geld – selbst dann, wenn die Vermittlung nur mit wenig Arbeit verbunden war.
    Shimon und Karina Lang gaben der Frau des Rabbiners, die sie zusammenbrachte, je 500 Euro. Dass es üblich ist, die Heiratsvermittlerin zu bezahlen, erfuhr Karina Lang erst von ihrem Mann.
    Sie erzählt: "Ich hätte vielleicht ein Geschenk gemacht, ich hätte etwas Nettes für sie gemacht – das ja, als Dankeschön. Aber ich wusste echt nicht, dass da eine Summe bezahlt werden muss – keine Ahnung, wusste ich nicht."
    José Weber, der das Vermitteln von Ehen geschäftsmäßig betreibt, lässt seine Kunden gleich zu Beginn einen Vertrag unterschreiben, in dem auch das Honorar geregelt ist.
    Er erklärt: "Unsere Verträge sind so angelegt, dass die Leute, die sich bei uns einschreiben, ein Dienstleistungshonorar bezahlen. Und wir arbeiten so lange, bis sich, so Gott will, ein Erfolg einstellt. Wir haben Fälle, bei denen es gleich mit dem ersten Vorschlag geklappt hat – das ist aber sehr, sehr selten. Im Allgemeinen braucht es zwischen ein und zwei Jahren mit verschiedenen Vorschlägen und guter Betreuung, bis es klappt. Unsere Gebühren sind der Arbeit entsprechend angemessen. Die Leute sollen nicht denken, sie müssen bei uns ein Vermögen hinterlegen, aber sie müssen für unsere Arbeit schon entsprechend ein Honorar bezahlen."
    Ein einziges Mal in seinem Berufsleben ist José Weber um das Erfolgshonorar geprellt worden. Der Mann und die Frau, die er zusammengebracht hatte, heirateten heimlich – und gaben ihm gegenüber vor, der jeweils andere sei keine "gute Partie" gewesen.
    "Aber ich rege mich darüber nicht auf. Wenn ein Pärchen es schafft, mich als ihren Vermittler, derjenige, der das Glück gebracht hat – mit Gottes Hilfe, wie wir immer sagen –, zu prellen, dann hat dieses Glück wahrscheinlich leider keinen Erfolg. Denn wenn sie uns verprellen, ist die Frage: Wie lange wird es dauern, bis sie sich beide gegenseitig betrügen?"
    Wer dem Schadchan das Honorar verweigert, unterschätzt, wie mühsam dessen Arbeit mitunter ist. Schon der Talmud schreibt:
    "Zwei Leute zusammenzubringen, ist so schwierig wie die Spaltung des Schilfmeers."
    Ein bisschen Ehemarkt ist immer dabei
    Und doch trauen es sich erstaunlich viele zu, weiß die Frankfurter Rabbinerin Elisa Klapheck.
    Sie sagt: "Tja, ein bisschen Schadchan, Schadchanit, ein bisschen Schidduch ist wahrscheinlich immer in jüdischen Zusammenhängen. Ein bisschen Ehemarkt, Heiratsmarkt ist immer mit dabei. Insofern sind wahrscheinlich alle Juden ein kleines bisschen Schadchan, Schadchanit."
    Für viele ist das Ehestiften geradezu eine Mizwa, ein religiöses Gebot. Weil man nicht möchte, dass andere allein leben müssen, versucht man zu helfen. Die Rabbinerin Elisa Klapheck erinnert sich, dass es, als sie jung war, auch mehrere Versuche gab, sie zu verkuppeln.
    "Ich bin öfter als junge Frau eingeladen worden und dachte, ich bin eingeladen worden, weil man mich als Gast haben wollte. Und als ich dann den jungen Mann sah, der auch am Tisch saß, haben wir beide verstanden: Wir sollen hier geschidducht werden, verkuppelt werden. Und jedes Mal hat es nicht geklappt. Es ist eben so bei den Leuten, die das versucht haben, da eine Partnerschaft zu stiften, dass die bei mir auch gar nicht die Erfordernisse kannten, also was ich zum Beispiel attraktiv finden würde, welcher Mann mich ansprechen würde – und genauso umgekehrt. So habe ich schon manche Situation erlebt, wie ich dann also mit einem Single-Mann zusammen bei einem netten Paar eingeladen worden bin, und wir haben beide sofort erkannt, worum es ging, und haben dann also augenzwinkernd den Abend erlebt, sind dann vielleicht sogar noch danach ein Glas Wein trinken gegangen und haben auch gelacht über das Ansinnen dieser netten Leute, die uns da zusammenbringen wollten."
    Für viele ist es ganz wichtig, dass Juden ausschließlich Juden heiraten. Auch José Weber sieht das so.
    Er wird manchmal von Nichtjuden gefragt, ob er sie in seine Kartei aufnehmen könne. Er lehnt immer ab. Wie andere jüdische Heiratsvermittler legt er großen Wert darauf, ausschließlich jüdische Partner zu vermitteln.
    "Das ist sehr wichtig, Wenn das nicht der Fall wäre, würde heute kein Judentum mehr existieren. Wir sind eine der ältesten Religionen der Welt. Wir sind ein Völkchen von nur an die 14 Millionen in der ganzen Welt. Wenn wir uns assimilieren würden, wenn wir also unsere Traditionen nicht wahren, dass Juden Juden heiraten und jüdische Familien gründen, würden wir unweigerlich in anderen Völkern aufgehen oder, besser gesagt: untergehen. Deswegen ist es für uns sehr, sehr wichtig. Und mit dem, was ich mache, mit jeder neuen Familie, die sich gründet, habe ich enorm viel geleistet."
    Gleichgeschlechtliche Liebe - ein heikles Thema
    Die liberale Rabbinerin Elisa Klapheck denkt anders darüber. Sie glaubt nicht, dass interreligiöse Ehen die Assimilation befördern. Sie kennt etliche Nichtjuden, die mehr am Judentum interessiert sind als deren jüdische Partner.
    "Insofern kann der Beschert auch nichtjüdisch sein und damit aber seinem jüdischen Partner oder seiner jüdischen Partnerin viel stärker zum Judentum verhelfen. Auch ich hatte einen nichtjüdischen Vater – meine Mutter ist jüdisch –, und ich habe mich geärgert, immer wieder zu hören: Die "gemischten Ehen" sind das Übel. In meiner Familie hat mein Vater sehr stark meine Mutter unterstützt in der jüdischen Erziehung ihrer Kinder. Insofern sehe ich das kritisch."
    Ein anderer kritischer Punkt ist, ob ein Schadchan gleichgeschlechtliche Partner vermitteln sollte oder nicht. Auch an José Weber wenden sich immer wieder auch Homosexuelle.
    "Das ist natürlich ein heikles Thema", sagt er. "Ein heikles Thema deswegen, weil ich nicht in Konflikte mit den Rabbinaten kommen möchte. Denn unsere Aufgabe ist es natürlich, zu helfen, Familien zu gründen. Nichtsdestotrotz bin auch ich inzwischen modern geworden, und ich versuche, auch diesen Leuten, wenn es sein muss, zu helfen. Dafür haben wir parallel die Möglichkeit, diese Leute zu vermitteln. Wenn es jüdische Menschen sind, denen wir helfen können, dass sie zusammen sind und sich lieben – auch wenn hier keine Familien gegründet werden können – tun wir das auch, neuerdings."
    Könnte es in manchen Fällen wohl sein, dass der Beschert – also der Partner, den Gott für einen Menschen vorbestimmt hat – dem gleichen Geschlecht angehört? Die liberale Rabbinerin Elisa Klapheck hält das durchaus für möglich.
    "Es geht letztlich nicht um die Frage des Geschlechts, sondern um die Frage der Heiligkeit. Wenn die Heiligkeit der Beziehung – diese Dimension, dass die Partner sich gegenseitig heiligen – wenn das nur mit einem Partner geht mit dem gleichen Geschlecht, dann sollte man das auch nicht ablehnen. Ich sehe da überhaupt nicht die Schwierigkeit, dass zwei Partner des gleichen Geschlechts eine heilige Beziehung führen können. Ich sehe das Problem eher bei Ehen, arrangierten Ehen, die keine Heiligkeit enthalten, wo sich die Partner gegenseitig klein machen, unglücklich machen."
    Weniger religiös formuliert: Es kommt darauf, dass die Chemie zwischen den Partnern stimmt. Der Heiratsvermittler arrangiert keine Ehe. Er hilft dem Glück oder der Bestimmung etwas nach. Wird die Ehe trotzdem unglücklich, dann gibt es zwar kein Geld zurück, aber der Schadchen fühlt sich verantwortlich. Die Ehe ist auch eine Frage seiner Ehre.