Freitag, 19. April 2024

Archiv


Jünger, frecher, konservativer

Über 16 Prozent der knapp 62 Millionen Wahlberechtigten sind jünger als 30 Jahre. Um diese Zielgruppe werben vor allem die Jugendverbände der Parteien. Überraschend ist: Auch bei Erstwählern liegt die Union in Umfragen klar vorne.

Von Verena Herb | 07.09.2013
    "Die junge Union – ist unsere Mission!"

    Das war einmal ein Hit der Jungen Union. Es klingt ein bisschen nach Volksmusik, doch im Bundestagswahlkampf 2009 stürmte die Jugendorganisation von CDU und CSU mit diesem Lied für kurze Zeit die Youtube-Charts.

    "Wir lieben unser Heimatland, vom Allgäu bis zum Nordseestrand!"

    Heute wollen sie bei der Jungen Union von diesem etwas altmodisch anmutenden Gassenhauer nichts mehr hören. Kurz vor der nächsten Bundestagswahl setzen sie weniger auf musikalische Schlager und mehr auf klassischen Wahlkampf: Sie verteilen Luftballons und Werbegeschenke, es gibt Anhänger für die Türklinke und Reiniger fürs Handy-Display. Immer wieder ist auf Aufklebern, T-Shirts und Ansteckern die Kanzlerinnen-Raute zu sehen - Angela Merkels typische "Hand-Haltung" Und dazu die Aufschrift: Cool bleiben und Kanzlerin wählen.

    "Hey, hey, wer nicht hüpft der ist ein Juso!"

    Berlin-Adlershof am vergangenen Sonntag, kurz vor dem TV-Duell zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem Herausforderer Peer Steinbrück. Rund 150 Frauen und Männer, Anhänger der Jungen Union, skandieren lautstark "Wer nicht hüpft, der ist ein Juso". Sie springen auf und nieder, die Fernsehkameras filmen den Merkel-Fanclub. Gegenüber, auf der anderen Straßenseite, stehen einige Jungsozialisten – die die gleiche Idee hatten: Ihren Spitzenkandidaten, Peer Steinbrück, gehörig anzufeuern. Sie sind etwas zurückhaltender. Kein Massenhüpfen, stattdessen halten sie sich fest an einem Großplakat mit Steinbrücks Konterfei und seinem Wahlkampf-Slogan: Klartext entscheidet.

    Die SPD überlässt den Wahlkampf um Jungwähler den Jusos
    Berlin-Kreuzberg, Willy-Brandt Haus – die Zentrale der SPD. Sascha Vogt, seit rund drei Jahren Vorsitzender der Jungsozialisten, führt in das Büro des Juso-Bundesgeschäftsführers. Er selbst hat keinen eigenen Arbeitsplatz in der Partei-Zentrale, ist er doch die meiste Zeit in Düsseldorf, wo er bei der Hans-Böckler-Stiftung arbeitet, oder unterwegs. Vogt hat sich für die heiße Zeit des Wahlkampfs Urlaub genommen, erzählt er. Hinter ihm im Büro stapeln sich die Bierkisten: Sie sind noch übrig vom Kanzlerduell – einige Jusos hatten sich in der SPD-Zentrale zum Rudelgucken verabredet.

    Vogts Terminkalender ist prall gefüllt – 40 Minuten bleiben für das Interview mit dem Deutschlandfunk, bevor er den Zug Richtung Osten erwischen muss: zu einer Veranstaltung der Jusos in Brandenburg. Die Parteien überlassen den Wahlkampf um die Erst- und Jungwähler gerne ihren Jugendorganisationen, so ist es auch bei den Jungsozialisten:

    "Ich bin erst einmal sehr froh darüber, dass wir die Verantwortung für den Jugendwahlkampf der SPD haben. Das ist ja auch irgendwie bisschen auch 'ne Anerkennung seitens der Partei. Dass die Partei der Meinung ist, wir kriegen das besser hin als sie selbst."

    ... sagt der Juso-Vorsitzende Vogt nicht ohne Stolz, und erzählt von der "Juso-on-Tour"-Kampagne. Per Bus geht es quer durch die Republik – und zwar dahin, wo junge Leute und vor allem Erstwähler sind: bei Musik-Festivals, vor den Universitäten, auf Partys, an Baggerseen. Sascha Vogt gibt sich zufrieden:

    "Wir haben total positive Erfahrungen damit gemacht. Weil das einfach 'ne Situation ist, junge Menschen, die auf ein Festival gehen, ankommen und ein bisschen Zeit haben, nicht im Stress sind und irgendwie schnell den Bus noch bekommen müssen – wenn das Wetter dann noch gut ist – haben die Zeit und Lust, sich mit Politik zu beschäftigen. Wir machen das natürlich dann nicht staubtrocken, sondern man kann dann bei uns Nazis wegkegeln, man kann bei uns auf 'ne Torwand schießen. Wir haben eigentlich noch nie erlebt, dass Leute gesagt haben: Ihr seid hier fehl am Platz, geht doch weg."

    Der Bus - das Beliebteste aller Wahlkampf-Mobile: Gleich acht davon hat die Grüne Jugend auf Fahrt geschickt, berichtet Jens Parker, Sprecher des Bundesvorstands der Grünen Jugend, während er durch die Wahlkampfzentrale der Jugendorganisation in Berlin-Mitte führt:

    "Jetzt in Wahlkampfzeiten sind wir quasi ein wenig gewachsen organisatorisch. Und hier ist eben eine kleine Auswahl von unseren Materialien. Wir haben insgesamt zehn thematische Flyer und sehr viel lustige Sticker. Einmal natürlich, was uns natürlich sehr wichtig war, den Bereich Europa stark hervorzuheben. Deswegen haben wir hier verschiedene Sticker wie 'Grenzenlos glücklich' oder 'Demokratisch, solidarisch, Europa' produziert."

    Seit vielen Wahlkämpfen schon setzen die Parteien auf ihre Jugendverbände, um Erst- und Jungwähler an die Urnen zu locken. Alexander Humbert, Bundesgeschäftsführer der Jungen Union Deutschland:

    "Das ist unsere Schwerpunktaufgabe. Unsere Aufgabe ist es, junge Menschen für die Politik zu begeistern und für die Wahl. Das ist unsere allererste Aufgabe und natürlich auch für unsere Ideen und Überzeugungen."

    Ähnlich sieht das auch Anna Catharina Müller, im Bundesvorstand der Jungen Liberalen als Referentin beschäftigt:

    "Ich glaube, was ganz wichtig ist, ist gerade im Wahlkampf, dass die Partei weiß, dass die Julis 'ne hohe Mobilisierung haben. Und dass wir die Leute auch wirklich zu den Aktionen und auf die Straße bringen. Also, ob das jetzt Plakatieren ist oder Wahlkampfstände – da sind die Julis ganz wichtig für die Partei. Das weiß die Partei und dafür werden wir auch respektiert."

    Die Union kommt bei den Erstwählern auf 41 Prozent
    Es geht um eine wichtige Zielgruppe: Schließlich sind über 16 Prozent der knapp 62 Millionen Wahlberechtigten jünger als 30. Alleine drei Millionen junge Frauen und Männer dürfen am 22. September zum ersten Mal wählen. Jüngste Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Forsa ergeben, dass die Union und Angela Merkel bei den Erstwählern mit 41 Prozent weit vorne liegen. Die SPD käme danach auf 23 Prozent, allerdings dicht gefolgt von den Grünen mit 21 Prozent. Die Öko-Partei schneidet in der Altersgruppe der 18- bis 22-Jährigen also überdurchschnittlich gut ab. Laut Forsa gibt es für die Jungen Liberalen noch viel zu tun: Gerade einmal zwei Prozent würden die FDP wählen.

    13.30 Uhr, Mittagspause in der Bundesgeschäftsstelle der Jungen Liberalen. Das gesamte Team – rund zehn Leute - sitzt auf Couchgarnituren um einen kleinen Tisch herum und isst Pizza vom Bring-Service um die Ecke.

    Es ist auch eine vegane Pizza dabei, erklärt einer der Männer, um gleich darauf einen Witz über den Veggie-Day der Grünen loszuwerden. Kathrin Helling Plahr, die stellvertretende Bundesvorsitzende der Julis, lacht kurz auf, bevor sie sich ein neues Stück Pizza angelt. Ihr ist die Begeisterung für Politik anzumerken – sie spricht sogar von einer "Sucht nach Politik", die sie befallen habe. Was auch erklären soll, dass es nicht die Mutterpartei braucht, damit sich die Julis um ihre Kernklientel kümmern:

    "Sondern wir selber setzen uns ein, wir setzen uns natürlich besonders dafür ein, junge Menschen für Politik zu begeistern. Weil Politik eben uns begeistert, liberale Inhalte uns begeistern. Und da macht es natürlich Sinn für uns, auf junge Menschen zuzugehen und die eben auch versuchen, von unseren Idealen zu überzeugen."

    Jene jungen Leute scheinen damit so gar nicht dem Bild des typisch deutschen Jugendlichen zu entsprechen, das die Medien so gerne zeichnen, garniert mit Adjektiven wie "desinteressiert" oder "politikverdrossen".

    "Sie glauben wirklich, die Jugend ist desinteressiert? Die Wahrheit ist, dass kaum ein Mensch mehr hier die Gesetze kapiert. Ich bin nicht wahlberechtigt – aber kann wenigstens sagen, was ich öffentlich denk'. Im Endeffekt beraten sie eh über unsere Köpfe hinweg. Und was ist mit Ausbildung? Die Perspektive Hungerlohn? Was sie als Desinteresse bezeichnen, ist eine Ausdrucksform der Frustration. Verraten Sie mir doch lieber nach ihrem Statement hier, wo sind denn die Politiker, die unsere Ansichten repräsentieren?"

    ... fragt der Rapper Ben Salomo in der Sendung "Task Force Berlin" auf Pro7. Es ist eines jener aktuellen Fernsehformate, die die werberelevante Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen ansprechen und vielleicht sogar für Politik interessieren soll. Vier mittelmäßig Prominente in ihren 20ern - ein Sänger, eine Schauspielerin, eine Choreografin und ein Modell – treffen auf deutsche Politiker. Sie suchen nach Antworten auf die Fragen, die sie vorab bei Jugendlichen in Klassenzimmern, Jugendzentren, auf der Skaterrampe und auf Bolzplätzen aufgespürt haben.

    Rebecca Mir: "Was halten Sie dann zum Beispiel von Cannabis-Legalisierung?"

    Anke Domscheidt-Berg: "Ja, unbedingt!"

    ... antwortet Anke Domscheit-Berg, Kandidatin der Piratenpartei für die Bundestagswahl. Sie wird befragt von der 21-jährigen Rebecca Mir, Model und Pro7-Moderatorin:

    "Das ist doch kein Weg, das zu verhindern."

    "Unbedingt?"

    "Ja, das steht in unserem Wahlprogramm. Wir finden, wir sollten es legalisieren, aber regulieren."

    "Ich muss sagen, dass überrascht mich ein bisschen - nehmen Sie Cannabis?"

    "Ne, ich nehm' keins."

    "Nehmen Sie andere Drogen? Na, ich trink auch mal ein Glas Wein. Und für mich ist das auch 'ne Droge."

    "Also sind die Piraten quasi auf Drogen, wenn sie ihre Wahlprogramme schreiben.

    "Da sind sicherlich auch einige dabei. Wir sind 30.000 Piraten…"

    "Ah, wie geil… Ich bin hier gerade komplett raus!"

    Legal einen Joint rauchen - für Jungwähler wahlentscheidend?
    Legalisierung von Drogen – ist das ein wirklich wichtiges und möglicherweise wahlentscheidendes Thema für die Jung- und Erstwähler? Ja, antworten die Jungen Liberalen, die Linksjugend und die Jusos, die sich ebenso wie die Grüne Jugend für eine Legalisierung weicher Drogen einsetzen. Das Thema ist relevant, heißt es unisono. Allerdings, empört sich der Grüne Jens Parker:

    "Ich bin, ehrlich gesagt, ziemlich erschrocken von vielen dieser Formate, weil ich mir die Frage stelle: Was für ein Bild von Jugendlichen haben die Macher dieser Formate? Denken sie wirklich, dass man rappen muss, damit ein junger Mensch irgendwie denkt, er wird ernst genommen? Oder damit man eine Form von Jugendsprache benutzen muss? Ich denke, Jugendliche interessieren sich ganz klar für Themen."

    Anna Catharina Müller: "Ich glaube, das, was junge Menschen vor allem bewegt, sind halt ihre persönlichen Zukunftschancen. Das, was ihre Lebenswelt prägt. Also Ausbildung, Ausbildungsplätze, Studium, Jobchancen, Arbeitsmarkt. Das sind die Themen, nach denen wir gefragt werden. Und Cannabis-Legalisierung ist eigentlich, glaube ich, kein Thema, was besonders groß ist."

    ... schätzt die junge Liberale Anna Catharina Müller die Situation ein. Ähnlich sieht es der 25-jährige Florian Häber. Der Informatikstudent engagiert sich bei der Linksjugend Solid, der Jugendorganisation der Linken. Häber ist einer ihrer Bundessprecher:

    "Drogenpolitik ist auch wichtig, auch für junge Leute. Aber natürlich gibt's darüber hinaus noch viele andere drängende Probleme. Sei es auf dem Arbeitsmarkt, sei es Generation Praktikum... Viele kleine Revolutionen können zu einer großen, fantastischen Revolution werden. Denn wenn viele Menschen an vielen Orten Solidarität leben, dann können sie das Gesicht der Gesellschaft wirklich verändern. Doch sie brauchen Verstärkung: Sie brauchen Deine Hilfe, Deine Stimme, Deinen Einsatz. Wir wollen eine starke Linke im Bundestag. Wir machen eine Kampagne: If nothing goes right, go left. Mit vielfältigem Material, mit drei Schwerpunktthemen zu Feminismus, zu Wohnen und Mieten und zu Fragen zu Präkarisierung. Und damit machen wir auch deutlich, warum die Linke gute Positionen ins Parlament trägt."

    Die Jugendorganisationen sind wichtig für die Parteien, als Türöffner für junge Wähler, als Wahlkampfhelfer, und manchmal auch als Stichwort- und Ideengeber. Doch das Verhältnis zwischen den Jungen und ihren Mutterparteien ist nicht immer harmonisch. Im Gegenteil. Oft kommt es zu Spannungen – weil die Jugendorganisationen aus der Parteilinie ausscheren oder weil sie eigene Aktionen machen, mit denen sie ihrer Partei manchmal auch schaden.

    Etwa dann, wenn die Grüne Jugend eine Online-Kampagne startet mit dem Titel "Ich bin linksextrem", um gegen den Verfassungsschutz zu demonstrieren. Oder die Jusos vor Fußballstadien Postkarten verteilen, auf denen Angela Merkel dem FC-Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß die Hand schüttelt und darunter steht: Wir steuern das schon.

    Doch gerade diese frecheren Kampagnen sorgen auch für öffentliche Aufmerksamkeit – von denen die Mutterparteien letztlich profitieren. Lasse Becker, der Vorsitzende der Jungen Liberalen in Deutschland, hält selten mit Kritik an der Parteiführung hinterm Berg – wenn nicht gerade Wahlkampf ist. Und so kann er sich wohl die Spitze gegen die politischen Konkurrenten nicht verkneifen, als er zugibt: Ja klar, die Julis können auch nerven:

    "Nicht im Sinne von einer Destruktivität, wie das zum Beispiel die Jusos haben, dass man nur kritisiert um des Kritisierens Willen. Aber wir sind eben auch nicht so angepasst wie die Junge Union, dass wir zu allem Ja und Amen sagen, was die Kanzlerin sagt. Sondern wir üben da Kritik wo's nötig ist. Also bei 'ner Frage wie Mindestlohn haben wir eine andere Meinung als die Partei. Das diskutieren wir dann auf dem Parteitag aus. Dass man schon sagen kann: dass man an manchen nervt, aber auch an manchen Stellen was durchsetzen kann."

    Stachel im Fleisch der Mutterpartei
    Gerne spricht der Parteinachwuchs - egal ob rot, grün oder gelb - von sich selbst als "Stachel" im Fleisch der Mutterpartei. Als Jugendorganisation könne man es sich leisten, radikalere Forderungen zu stellen, und so liegt die Grüne Jugend schon mal im Clinch mit der Partei wenn es um die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen geht oder um den Totalausstieg aus der Kohleförderung.

    Die Julis streiten mit der FDP über den Mindestlohn und die Netzpolitik, während die Jusos die Vorratsdatenspeicherung ablehnen im Gegensatz zur SPD, die sie in einem gewissen Rahmen doch haben möchte. Die Auseinandersetzungen folgen dann entweder auf den Parteitagen – oder gerne mal via Pressemitteilung.

    Die Junge Union scheint ein anderes Selbstverständnis zu haben. Hier lässt man es ruhiger angehen; man sei vor allem beim Thema Netzpolitik unterschiedlicher Meinung – generell werde die Parteispitze zwar kritisiert, doch eher in Maßen. Eben dann, wenn es angebracht ist – erläutert Alexander Humbert, Bundesgeschäftsführer der Jungen Union:

    "Wir verstehen uns als Motor der Unionsparteien. Die auch immer mal wieder programmatisch die Unionsparteien nach vorne bringen und eigene Thesen setzen. Die JU ist nicht angepasst, sondern die JU ist in einem kritisch-loyalen Verhältnis, würde ich sagen. Kommt immer drauf an, wie die Situation gerade ist. Also wir entscheiden das wirklich an Sachfragen. Das ist wirklich nicht so, dass wir angepasst sind an die Mutterpartei, aber es ist auch nicht so, dass wir zu allem Ja und Amen sagen."

    Die Forderung nach einer Schuldenbremse gehe auf das Konto der Jungen Union, macht Alexander Humbert nicht ohne Stolz deutlich. Und: Mit ihren knapp 120.000 Mitgliedern ist die Jugendorganisation eine starke Kraft innerhalb der Union – größer übrigens als FDP und Grüne zusammen. Das schafft Selbstbewusstsein. War die Junge Union in den späten 80er-, frühen 90er-Jahren eher linksliberal, bekennt sie sich heute zu bürgerlichen Werten, die weit konservativer erscheinen als bei der Mutterpartei. Alexander Humbert:

    "Das wird uns vielfach zugeschrieben. Konservativ zu sein ist natürlich ein großer Begriff. Aber es ist schon so, dass wir in vielen Teilen nicht ganz so konsensorientiert sind, wie die Mutterparteien sein müssen als Volksparteien. Sondern da können wir auch in vielen Punkten - sage ich mal – konkreter werden und unsere Positionen auch deutlicher machen."

    In ihrem Grundsatzprogramm vom Oktober 2012 bekennt die Junge Union denn auch Farbe: Sie ist gegen ein Adoptionsrecht für Homosexuelle, will die Erbschaftssteuer ebenso abschaffen wie die Allgemeinen Studierendenausschüsse an den Universitäten, die Asten. Eine Frauenquote lehnen die jungen Parteianhänger ab – für das Betreuungsgeld treten sie schon länger ein. Wenngleich es darüber durchaus Diskussionen gegeben habe, wie Alexander Humbert erzählt.

    Ohne Kontroverse ist hingegen die Haltung zur Kanzlerin – die Junge Union steht hinter Angela Merkel, ohne Wenn und Aber. Dagegen ist das Verhältnis der Jungsozialisten zum SPD-Spitzenkandidaten Peer Steinbrück eher schwierig. In seinem Buch "Unterm Strich" von 2010 findet Steinbrück, damals noch gut verdienender Hinterbänkler im Deutschen Bundestag, deutliche Worte über den Jugendverband seiner Partei:

    "Ich verstehe, dass die Jusos mehr sein wollen, als die Plakatkleber der Mutterpartei. Aber das entlastet sie selbst und die Parteispitze nicht von der Frage, ob pseudorevolutionäre Positionen eigentlich repräsentativ sind für die gesamte Nachwuchsorganisation."

    Die Jusos und Peer Steinbrück - ein schwieriges Verhältnis
    Sascha Vogt, der Vorsitzende der Jungsozialisten, gab sich damals pikiert – die Mutterpartei hätte zum Beispiel bei der Finanzkrise viel eher auf die Jusos hören sollen, die früh eine Regulierung der Finanzmärkte gefordert hatten, erklärte Vogt damals in einem Interview mit dem ZDF:

    "Und dementsprechend halte ich das nicht für pseudoradikal, sondern für eigenständig. Und deshalb gut und vernünftig. Ich glaube, eine konsequente Erneuerung der SPD, die die SPD weiterhin braucht, funktioniert nicht mit alten Köpfen. Von daher hat Herr Steinbrück jetzt ein Buch geschrieben, wir Jusos nehmen das zur Kenntnis. Aber ich glaube nicht, dass Herr Steinbrück in der Zukunft Spitzenpositionen in der Partei einnehmen wird."

    So kann man sich täuschen. Knapp drei Jahre später heißt der Kanzlerkandidat Peer Steinbrück – der auf dem Bundeskongress der Jusos spricht und jetzt um Unterstützung werben muss:

    "Lieber Sascha Vogt, liebe Genossinnen und Genossen begrüße ich auch sehr herzlich – natürlich ist mir sehr klar, damit wir uns gegenseitig auch nicht hinter die Fichte führen, sondern von vornherein ehrlich miteinander umgehen – dass ich natürlich weiß, dass in vielen Fragen ihr gelegentlich anderer Meinung gewesen seid als ich..."

    Die Jungsozialisten hätten am liebsten Hannelore Kraft als Kanzlerkandidatin gesehen, die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin. Und Juso-Chef Sascha Vogt ist bis heute kein Fan von Peer Steinbrück. Doch die Jungsozialisten haben sich mit ihm arrangiert:

    "Die Frage, wer soll's denn nun werden, ist ja auch keine Frage des Wunschkonzerts. Sondern eine Frage nach: Wer steht denn letztendlich zur Verfügung? Wer will's überhaupt machen? Von daher haben wir uns in den letzten Monaten sehr gut mit dem Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück zurechtgefunden."

    Etwas anderes blieb ihnen ja ohnehin nicht übrig. Und letztlich wollen sie sich ihre eigene Zukunft auch nicht verbauen. Denn es ist kein Geheimnis: Auch wenn die Jugendverbände der Parteien den Begriff der Kaderschmiede nicht gerne hören – viele, die sich bei den Jusos, der Jungen Union oder den anderen Jugendorganisationen engagieren, wollen später die Politik zum Beruf machen. Da kann es nicht schaden, wenn man schon sich schon früh der Mutterpartei als gewiefter Redner oder strategischer Denker präsentieren kann.