Freitag, 19. April 2024

Archiv

Jürgen Resch, Deutsche Umwelthilfe
"Die Menschen haben ein Recht auf saubere Luft"

Gerichte sollten entscheiden, ob das Überschreiten von Stickstoffdioxid-Schutzwerten zulässig sei, sagte Jürgen Resch, der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, im Dlf. Zudem konterte er FDP-Chef Christian Lindners Äußerung im Interview der Woche des Dlf, ein Fahrverbot für Dieselautos käme einer Enteignung der Fahrer gleich.

Jürgen Resch im Gespräch mit Christiane Kaess | 26.08.2017
    Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe
    Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (dpa/picture-alliance/ Jan-Philipp Strobel)
    Christiane Kaess: Software-Updates für bestimmte Diesel-Autos und Kaufprämien für diejenigen, die ihren alten Diesel verschrotten – das waren die Ideen des sogenannten Diesel-Gipfels, aber in 70 Städten wird die Luft dennoch zu schlecht bleiben. Das hat das Umweltbundesamt errechnet, und Bundesministerin Barbara Hendricks von der SPD hat die Zahlen diese Woche vorgestellt. Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Bundestag, Peter Ramsauer von der CSU, der warf daraufhin dem Amt Ideologie vor und der Umweltministerin, sie missbrauche das Umweltbundesamt für Wahlkampfzwecke. In der Debatte hat sich jetzt auch FDP-Chef Christian Lindner eingemischt.
    Am Telefon ist jetzt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Guten Tag, Herr Resch!
    Jürgen Resch: Einen schönen guten Tag!
    Überschreitungen der Schutzwerte im siebten Jahr
    Kaess: Herr Resch, unterliegen Sie einer Ideologie?
    Resch: Nein. Wir kämpfen seit 30 Jahren für saubere Luft und waren bis jetzt auch recht erfolgreich. Seit zwölf Jahren kämpfen wir übrigens vor Gericht jetzt auch für die Durchsetzung von Umweltzonen beziehungsweise seit sieben Jahren für wirksame Maßnahmen, um auch die Stickstoffdioxidwerte runterzubringen. Es ist doch interessant, dass die Gerichte uns unisono recht geben und sagen, die Menschen haben ein Recht auf saubere Luft, und was machen wir: Wir bringen einen Politikbereich, der in den letzten Jahren nur in Hinterzimmern zwischen Spitzenpolitikern und der Automobilindustrie besprochen wurde, vor die Gremien, die eine Demokratie vorsieht, nämlich Gerichte. Die sollen eben entscheiden, ob das zulässig ist, dass wir im siebten Jahr Schutzwerte für die Menschen überschreiten und eben im siebten Jahr 10.600 vorzeitige Todesfälle nur allein wegen Stickstoffdioxid haben.
    Kaess: Ja, Herr Resch, Sie sind aber auch Verbraucherschützer, und Christian Lindner sagt jetzt, Fahrverbote wären eine Enteignung der Diesel-Fahrer. Wie wollen Sie das Diesel-Besitzern beibringen, diese Geschichte mit den Fahrverboten?
    Resch: Also ich werfe Herrn Lindner vor, dass er die Autobesitzer enteignet, denn er möchte ja nichts ändern. Das heißt, die Autobesitzer, die Euro-5- und Euro-6-Diesel in den letzten Jahren gekauft haben, sollen auf ihren Fahrzeugen mit den unwirksamen Katalysatoren sitzen bleiben, und natürlich werden die Fahrverbote auch im Ausland erleben. Was wir fordern ist, dass alle 8,7 Millionen Käufer dieser Fahrzeuge ein Update bekommen, und zwar eine technische Nachrüstung, die diese Fahrzeuge auf Kosten der Hersteller auf Euro-6 bringt. Damit wäre der Wertverlust aufgehoben, und diese Fahrzeuge hätten langfristig eine Einfahrmobilität. Also was immer falsch gesehen wird …
    "Ein Software-Update bringt überhaupt nichts"
    Kaess: Das wird ja jetzt auch gemacht nach dem Diesel-Gipfel. Was ist da der Unterschied zu dem, was Sie verlangen?
    Resch: Nein, nach dem Diesel-Gipfel wird ein Software-Update gemacht. Der bringt überhaupt nichts. Insbesondere unterhalb von plus zehn Grad, also in den Wintermonaten, haben wir auch nicht die Fünf- oder Sechs-Prozent-Wirkung, sondern gar keine. Was wir fordern ist, dass die unwirksame Betrugs-Katalysatorlösung rauskommt, die in den meisten Fahrzeugen verbaut ist und eine harnstoffgesteuerte Lösung eingebaut wird, das, was jetzt auch Frau Hendricks nach anderthalb Jahren Forderungen der Deutschen Umwelthilfe endlich sich zu eigen macht, aber wir kriegen das ja nur umgesetzt, indem jetzt erst mal die saubere Luft durchgesetzt wird, dass die Gerichte entscheiden, die Menschen haben einen Anspruch darauf, dass die Luftqualitätswerte eingehalten werden.
    Kaess: Ja, und davon, Herr Resch, sind aber dennoch als erstes einmal die entsprechenden Diesel-Fahrer betroffen, und wir haben jetzt gerade auch von den Kommunalpolitikern gehört, dass sie das ungerecht finden, den Kommunen jetzt den schwarzen Peter zuzuschieben. Treffen Sie mit Ihrem Vorgehen vor Gericht die Falschen?
    Resch: Also, wir wenden uns in unseren Klagen in aller Regel an die Bundesländer, nämlich die sind zuständig für die Luftreinhaltepläne, und natürlich - und das erleben wir gerade auch bei Klagen in Hessen - lässt sich jetzt der Bund beiladen zu den Prozessen, bekommen wir Bewegung, bekommen wir auch Diskussionen, dass eben Maßnahmen des Bundes möglich wären, wie beispielsweise, dass wir jetzt den Kommunen Geldmittel zur Verfügung stellen, die Busse beispielsweise vorzeitig sauber zu machen, den ÖPNV vielleicht doch ein bisschen schneller auszubauen. Das sind ja alles Forderungen, die wir lange erheben, und dass die Klageverfahren bis zu zwölf Jahre dauern, dafür können wir nichts. Eigentlich müssten Politiker, wenn sie dann verurteilt werden - Herr Seehofer zum Beispiel in Bayern, seit 2014 ist er von uns rechtskräftig verurteilt, dass er den Menschen diese saubere Luft zugesteht -, sie müssten einfach tätig werden und dann mit einem klugen Potpourri von Maßnahmen an der Quelle, das heißt Nachbesserung der Autos, ohne dass der Autohalter davon Nachteile hat, und eben trotzdem die Einfahrverbote für besonders schmutzige Fahrzeuge beides löst. Wir brauchen die saubere Luft in den deutschen Städten, um eben die Menschen, die darunter leiden, vor weiteren Erkrankungen oder vorzeitigen Todesfällen zu bewahren.
    Resch: Geld von Unternehmen beeinträchtigt nicht unsere Unabhängigkeit
    Kaess: Herr Resch, Christian Lindner hat noch einen anderen relativ harten Vorwurf gegen Sie. Er sagt, bei der Deutschen Umwelthilfe sind ökonomische Interessen im Spiel. Da geht es um Sponsorengelder. Wenn Sie weniger radikale Forderungen aufstellen würden oder weniger radikal vorgehen würden wie jetzt mit den Klagen, springen Ihnen dann die Sponsoren ab?
    Resch: Nein, eher umgekehrt. Wir haben wirklich im Moment ein großes Problem, dass die wenigen Unterstützer, die wir noch haben aus der Wirtschaft, auch unter Druck gesetzt werden von der Industrie, uns weiter zu unterstützen. Also erfreulicherweise sind immer mehr Menschen, die uns hier auch unterstützen und fördern. Wir haben übrigens 300.000 Menschen, die auf verschiedenen Ebenen uns unterstützen. Ich möchte auch noch mal eine Sache klarstellen: Wir existieren seit 42 Jahren und sind selbstverständlich eine gemeinnützige Organisation. Also das hat mich doch ein bisschen überrascht, dass Herr Lindner nicht einmal weiß, dass wir ein gemeinnütziger Verband sind, und natürlich nicht …
    Kaess: Aber Sie nehmen Geld von der Wirtschaft - wenn ich da mal kurz einhaken darf -, und was sagen Sie den Kritikern, die sagen, da gibt es immer Interessenskonflikte, wenn ein Umweltschützer Geld von der Wirtschaft nimmt?
    Resch: Nehmen wir doch mal das Beispiel, das sehr häufig genannt wird: Wir kriegen Geld von Toyota, und zwar seit 18 Jahren. Das sind ungefähr in diesem Jahr bis jetzt 30.000. Wir hoffen, dass wir noch 60-, 80.000 erreichen, also unter einem Prozent, und damit finanzieren wir unter anderem die Dienstwagenumfragen. Gleichzeitig haben wir Toyota untersucht und festgestellt, dass sie mit zu den Betrügern zählen beim Dieselgate, gleichzeitig haben wir bei unserer ökologischen Marktüberwachung in den letzten Jahren 48 Gerichtsverfahren gegen Toyota durchgeführt. Also Sie haben auch bei anderen Umweltorganisationen die Tatsache, dass sie von Autounternehmen, von anderen, eine Unterstützung erfahren, und ich glaube, auch die anderen Verbände verstehen es, trotzdem neutral zu bleiben.
    Dieselfahrzeuge "in der Spitze fünfzigmal schmutziger als ein vergleichbarer Benziner"
    Kaess: Zum Schluss noch: Müssten Sie nicht als Umweltschützer auch mehr auf die Probleme bei der Elektromobilität hinweisen? Also Christian Lindner, um ihn noch mal zu zitieren, der hat es ja gerade auch noch mal getan - wir haben gehört von ihm, Braunkohle wird benötigt, um die Batterien zu laden bei Elektrofahrzeugen. Ist unter dem Strich die ökologische Bilanz schlechter bei Elektromotoren als wir uns das im Moment zugestehen, eingestehen?
    Resch: Also ich denke, die Elektromobilität wird mittelfristig eine der Lösungen, eine der wichtigen Lösungen sein, aber kurzfristig sprechen wir gar nicht von der Elektromobilität. Wir brauchen für die nächsten Monate und Jahre Lösungen für die Städte, um die sauber zu machen. Das heißt, wer sich heute ein Fahrzeug kaufen möchte, hat ja Alternativen. Er kann Erdgasfahrzeuge nehmen, er kann Benzin-Hybrid-Fahrzeuge nehmen, er findet die ersten Elektroautos, und vielleicht schaffen wir es ja auch noch, die Automobilindustrie zu zwingen, drauf zu verzichten bis 2023, auf der Straße schmutzigere Neuwagen verkaufen zu können. Also, wenn die Autoindustrie sich verpflichtet, ab nächstem Jahr Diesel-Fahrzeuge auf die Straße zu bringen, die die Grenzwerte genauso wie im Labor einhalten, dann werden wir auch diese Diesel-Fahrzeuge dann wieder empfehlen. Allerdings, Fahrzeuge, die eben zehn-, zwanzig-, in der Spitze fünfzigmal schmutziger sind als ein vergleichbarer Benziner, haben in deutschen Städten einfach nichts mehr zu suchen. Wir müssen uns auch ein bisschen an den Menschen orientieren, die unter dieser wirklich katastrophal schlechten Luft im Moment leiden.
    Kaess: Sagt Jürgen Resch, er ist Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Danke für Ihre Zeit heute Mittag!
    Resch: Gern geschehen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.