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Jugend ohne Chance?

Der Einstieg in das Berufsleben ist schwer. So schwierig wie heute war es noch nie. Immer weniger Betriebe bilden aus, die aktuellen Zahlen belegen: Mehr als eine halbe Million junger Menschen unter 25 Jahren sind arbeitslos. Ostdeutschland steht mit einer Quote von über 15 Prozent deutlich schlechter da als Westdeutschland. Aber auch dort haben fast 9 Prozent der Jugendlichen keine Arbeit. Die Wirtschaft rechtfertigt sich und verweist auf die Konjunkturkrise. Bei schlechter Auftragslage könne man sich Ausbildung nicht mehr leisten.

Von Annamaria Sigrist | 06.03.2004
    Ich denke, jeder macht sich Sorgen, weil es gibt keine Ausbildungsplätze mehr so richtig. Man hat keine Chance mehr, finde ich.
    Wenn man kein gutes Zeugnis und keinen guten Schulabschluss hat, dann ist es ziemlich schwer.
    Die tun einfach zu wenig, weil es sind so viele Arbeitslose, man bekommt keine Ausbildungsstelle, also es müsste eigentlich mehr gemacht werden.


    Aylen, Marcel und Sabrina blicken sorgenvoll in ihre Zukunft. Den Hauptschulabschluss haben sie. Jetzt suchen sie eine Ausbildungsstelle. Doch der Einstieg in das Berufsleben ist schwer. So schwierig wie heute war es noch nie. Die aktuellen Zahlen belegen dies: Mehr als eine halbe Million junger Menschen unter 25 Jahren sind arbeitslos. Ostdeutschland steht mit einer Quote von über 15 Prozent deutlich schlechter da als Westdeutschland. Aber auch dort haben fast 9 Prozent der Jugendlichen keine Arbeit.

    Etwa Zweidrittel dieser arbeitslosen Jugendlichen haben keine abgeschlossene Ausbildung. Dies zeigt die ganze Misere: Es gibt kaum Chancen auf einen Lehrstellenplatz. Allein im vergangenen Jahr reduzierte sich das von der Bundesagentur für Arbeit registrierte Lehrstellenangebot im Vergleich zu 2002 um nahezu 7 Prozent. Insgesamt gab es in den letzten drei Jahren einen Rückgang um knapp 13 Prozent.

    Die von der Wirtschaft und der Bundesregierung gestartete Ausbildungsoffensive hatte im vergangenen Jahr nicht den gewünschten Erfolg, auch wenn viele daran beteiligt waren: Allen voran Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement, die Wirtschaftskammern, die örtlichen Arbeitsämter und die Kommunen. Ziel war es, alle Jugendlichen mit einem Ausbildungsplatz bis spätestens zum Jahresende zu versorgen. Doch im Januar 2004 waren nach den Nürnberger Arbeitsmarkt-Daten immer noch über 16.000 Bewerberinnen und Bewerber ohne Ausbildungsplatz.

    Damit ist niemand zufrieden. Vor allem die Gewerkschaften schlagen Alarm. Sie erklären die Ausbildungsoffensive der Bundesregierung für gescheitert. Ingrid Sehrbrock, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund, meint sogar, dass weit mehr 16.000 Jugendliche ohne Ausbildungsplatz geblieben sind:

    Tatsächlich ist es doch so, dass eine ganze Reihe von Jugendlichen, dann wenn Bilanz gezogen wird, sich schon umorientiert hat, schon berufsvorbereitende Maßnahmen macht, eine schulische Ausbildung beginnt, sich einen Job sucht, das heißt, die Zahl ist faktisch sehr viel höher. Das Bundesinstitut rechnet immer mit 60.000 bis 70.000, die eigentlich nach einem Ausbildungsplatz suchen, d.h. das Problem ist wieder einmal nicht gelöst worden.

    Das Bonner Bundesinstitut für Berufsbildung, das die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit auswertet, stellt fest: 2003 war das bislang schwierigste Jahr auf dem Lehrstellenmarkt seit der Wiedervereinigung. Anfang der neunziger Jahre standen noch über 80 Ausbildungsangebote je 100 Schulabgängern offen. Heute sind es nur noch etwas über 60. Gerd Andres, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundeswirtschaftsminister, zieht dennoch eine positive Bilanz.

    Ich teile nicht die Ansicht, dass die Ausbildungsoffensive gescheitert ist. Wir haben von rund 741.000 Bewerbern am 30.9. noch rund 35.000 ohne Ausbildungsplatz gehabt und Sie wissen, dass es immer im Herbst Nachvermittlungsoffensiven gibt der Arbeitsämter, der Kammern. Und wir sind jetzt bei 16.000 angelangt. Das sind immer noch viel zu viele, aber die große Katastrophe im Sommer, wenn 120.000 oder 150.000 Plätze fehlen, kann man so nicht vermelden.

    Für die Gewerkschaften sind diese Zahlen statistisch geschönt. Denn von den Jugendlichen seien viele in Ersatzmaßnahmen und Warteschleifen abgedrängt worden. So gab es im vergangenen Jahr in den Berufsschulen und bei den von den Arbeitsämtern finanzierten Bildungsträgern 210.000 Jugendliche in so genannten berufsvorbereitenden Maßnahmen. Dort sollen sie innerhalb eines Jahres für die Berufsausbildung fit gemacht werden. Ziel dieser berufsvorbereitenden Maßnahmen ist es, neben Erfahrungen in der Praxis, etwa durch Praktika, auch persönliche, schulische und verhaltensmäßige Defizite abzubauen. Mit Erfolg? Leider nur begrenzt. Lediglich ein Drittel der Absolventen erhält anschließend eine Berufsausbildungsperspektive, sagt der DGB. Die große Mehrheit landet wieder arbeitslos auf dem Arbeitsmarkt. Ingrid Sehrbrock:

    Es ist natürlich gut, dass es diese Maßnahmen gibt, dass diese jungen Leute nicht auf der Straße sind. Auf der anderen Seite ist es meistens nicht das, was die jungen Leute wollen. Denn sie wollen ja einen Ausbildungsplatz, sie wollen sich qualifizieren, sie wollen sich beweisen, sie wollen nicht in irgendwelche Maßnahmen gesteckt werden. (…) Wir wissen vor allen Dingen, dass junge Leute durch berufliche Tätigkeiten auch eine Menge an Selbstbewusstsein gewinnen. Das ist in diesen Maßnahmen nicht der Fall, und deshalb ist es uns auch so wichtig, dass es einen echten Ausbildungsplatz gibt im Betrieb, so dass man eine Beschäftigung findet im Betrieb.

    Fakt ist aber: Immer weniger Betriebe bilden aus - rein rechnerisch nur noch jedes vierte Unternehmen. Die Wirtschaft rechtfertigt sich und verweist auf die Konjunkturkrise. Bei schlechter Auftragslage könne man sich das einfach nicht leisten. Ludwig Georg Braun, Präsident des Deutschen Industrie und Handelskammertages, DIHK, versucht zu relativieren:

    Wir müssen berücksichtigen, dass wir in den zurückliegenden Jahren eine Vielzahl von Unternehmensgründungen haben, die gar keine Beschäftigten haben, sondern die aus gewissen steuerlichen oder anderen Überlegungen heraus, gebildet worden sind. Es sind die vielfältigen GmbH und Co-KGs, die Zusammenfassung in Holding-Strukturen, die eigentlich keine Beschäftigten haben und die alle in die Kategorie fallen "Unternehmen". (…)Also es ist nicht so, dass weniger Betriebe ausbilden, sondern es ist eine Entwicklung (…) aus Steuerungsoptimierung für Unternehmen heraus, dass Unternehmen gebildet worden sind, die einfach kein Personal haben und damit keine Ausbildung betreiben.

    Die Gewerkschaften sehen dies anders. Sie werfen den Unternehmen vor, sich ihrer Verantwortung zu entziehen. Noch einmal Ingrid Sehrbrock:

    Es ist (natürlich) in erster Linie die Verantwortung der Betriebe. Die Betriebe beklagen ja heute schon, dass sie nicht die qualifizierten Fachkräfte finden, die sie eigentlich suchen. Wenn man die gleichen Betriebe fragt, ob sie eigentlich selbst ausbilden, dann erntet man meistens großes Erstaunen, dann wird gesagt: das ist zu teuer, das ist alles zu kompliziert. Aber die Fachleute wachsen nun mal nicht auf Bäumen, sondern die muss man richtig ausbilden. Und es lohnt sich auch auszubilden, das wissen wir ja. Das lohnt sich für Betriebe spätestens im dritten Jahr, da sind junge Leute voll einsatzfähig.

    Experten warnen schon lange vor dem drohenden Fachkräftemangel. Auch deshalb will die Bundesregierung die Unternehmen davon überzeugen, mehr Ausbildungsplätze als bisher zu schaffen. Staatssekretär Gerd Andres:

    Wir müssen vielen in der Wirtschaft heute sagen: Wenn sie heute nicht ausbilden, werden sie in zwei bis drei Jahren die Fachkräfte suchen. Nun ist mir schon bewusst, dass die Bereitschaft, (sozusagen) im Vorrat auszubilden, bei betriebswirtschaftlich denkenden Unternehmen(, ob klein oder groß ist völlig egal,) sehr gering ausgeprägt ist. Aber es wird ein bedeutsames Problem werden. Und deswegen sind noch mehr Anstrengungen notwendig, damit wir die nächsten Jahre in diesem Bereich auch schaffen können.

    Um die Wirtschaft wieder mehr in die Pflicht zu nehmen, fordern die Gewerkschaften die vieldiskutierte Ausbildungsplatzabgabe. Der designierte Parteivorsitzende der SPD, Franz Müntefering, lässt jetzt in Zusammenarbeit mit den Grünen einen entsprechenden Gesetzentwurf erarbeiten. Danach sollen Unternehmen, die nicht ausbilden wollen, in einen Fonds zahlen. Aus diesem Etat würden dann wiederum die Betriebe unterstützt, die sich entschließen, zusätzlich Ausbildungsplätze zu schaffen. Richtlinien sollen festlegen, wie viele Lehrstellen ein Unternehmen in Zukunft anbieten muss.

    Doch gegen diese Pläne sind nicht nur die Oppositionsparteien, sondern auch viele namhafte Sozialdemokraten wie etwa der Bundeswirtschafts- und Arbeitsminister. Wolfgang Clement ist massiv gegen diese gesetzliche Regelung. Er setzt auf die Freiwilligkeit der Betriebe und hofft, die Ausbildungsplatzabgabe abwenden zu können:

    Selbstverständlich sind alle Regelungen, sind alle Ansätze und Lösungen, die man aus freien Stücken erreichen kann, besser, als die, die sich aus gesetzlichen Vorgaben ergeben. Das wissen wir alle. Das haben wir alle lernen müssen in Deutschland, und deshalb ist es auch absolut vorrangig, dass wir zu freiwilligen Lösungen kommen, d.h. dass wir zu ausreichenden Ausbildungsplatzangeboten in Deutschland kommen. Das ist das Ziel.(…) Es geht um die Frage der Instrumente. Und da wissen Sie, dass ich darauf setze, dass die Unternehmen handeln, und noch mehr handeln als bisher. Und die konjunkturelle Lage, die sich ja bessern wird in diesem Jahr, wird sicherlich dazu beitragen, dass wir ein gutes Ergebnis erzielen werden in diesem Jahr.

    Vertreter aus der Wirtschaft laufen Sturm. Auch DIHK - Präsident Ludwig Georg Braun lehnt die Ausbildungsplatzabgabe vehement ab und warnt vor einer drohenden Verstaatlichung der Berufsausbildung:

    Wir müssen (…) die Verantwortlichkeiten klar machen, auch den jungen Menschen selbst, dass sie für sich selbst verantwortlich sind und nicht der Staat sie über irgendwelche Zuteilungen in irgendwelche Berufsbilder hineinbringt. Wir sind froh, dass wir den Sozialismus mit seiner nichtfreien Berufswahl beendet haben. Gerade in den neuen Bundesländern ist das bekannt. Wir sollten das jetzt nicht in irgendeiner Form wieder einführen.

    Wirtschaftsminister Wolfgang Clement will in diesem Jahr schon sehr früh bei Betrieben für zusätzliche Ausbildungsplätze werben. Darüber hinaus hat die Bundesregierung eine Reihe weiterer Maßnahmen geplant, Jugendlichen eine praktische Ausbildung bzw. eine Arbeit zu verschaffen: so zum Beispiel das Programm "Jump Plus". Das wurde im Juli letzten Jahres aufgelegt. Bis Ende 2004 sollen so bis zu 100.000 Langzeitarbeitslose und Sozialhilfeempfänger unter 25 Jahren für den ersten Arbeitsmarkt oder für eine Ausbildung fit gemacht werden. Der Bund stellt dafür 100 Millionen Euro zur Verfügung. "Jump Plus" ist die Fortsetzung des Vorgängerprogramms "Jump" mit dem Unterschied, dass diesmal auch junge Langzeitarbeitslose berücksichtigt werden sollen. Schon 1999 wurde "Jump" von der Bundesregierung ins Leben gerufen und bis Ende 2003 immer wieder neu aufgelegt. Auch hier das Ziel: die Reintegration arbeitsloser Jugendlicher. Aber: nur 40 Prozent der Teilnehmer haben die außerbetriebliche Ausbildung von "Jump" beendet, die Mehrheit hat vorzeitig abgebrochen. Kritiker halten diese Programme daher für wenig effektiv. Die Abbrecherquote sei einfach zu hoch, und letztendlich würden die Jugendlichen doch wieder nur in "Warteschleifen" abgeschoben. Das sieht Staatssekretär Gerd Andres anders. Er verteidigt das Konzept.

    Was ist denn die Alternative? Die Alternative ist, dass junge Leute nicht versorgt sind und möglicherweise gar nichts machen. Und die, die gar nichts machen, haben je länger dieser Zustand andauert, umso größere Schwierigkeiten wieder reintegriert zu werden. Und deswegen macht es großen Sinn, Hilfesuchenden Angebote zu unterbreiten, zu sagen, bevor man nur passiv irgendwelche Unterstützungsmassnahmen in Anspruch nimmt, wollen wir aktiv etwas tun.

    Um hier mehr Anreize zu schaffen, will die Bundesregierung auch Berufsbildungsgesetze reformieren und Ausbildungsordnungen vereinfachen. So sind beispielsweise die Ausbildungsordnungen für bestimmte Metall- oder Elektroberufe umfangreicher als so mancher Studiengang an der Universität. Auch das ist mit ein Grund dafür, dass sich Betriebe scheuen, Ausbildungsplätze anzubieten: Ihnen sind einfach die bürokratischen Auflagen zu kompliziert.

    Aber es gibt noch ein weiteres Dilemma: Viele Jugendliche, so beklagen die Unternehmen immer wieder, sind den Anforderungen in den verschiedenen Lehrgängen nicht gewachsen. Die entscheidenden Gründe hierfür sieht DIHK-Präsident Braun im Elternhaus und in der schlechten Schulbildung.

    Ich weise darauf hin, dass wir inzwischen eine Jahrgangsbreite haben von 100.000 Menschen, die die Schule verlassen ohne Schulabschluss, gleich welcher Art der Abschluss ist. Dann gibt es eine weitere Gruppe, die sehr schnell nach einem Ausbildungsplatzbeginn diesen abbrechen, weil sie feststellen, dass sie offensichtlich nicht die notwendige Sozialisation durch ihr Elternhaus erfahren haben. All dieses versuchen wir ja schon durch viele Programme der Wirtschaft auszugleichen. Da wäre an erster Stelle die Verantwortung für Elternhäuser. Und auch die Schulen müssen Sorge tragen, dass wir hier weniger schlecht ausgebildete Schulabgänger haben, dass die Leistungen verbessert werden. Und dann haben wir auch viel eher die Chance, alle Jugendlichen unterzubringen, so wie das noch vor 10 – 15 Jahren der Fall war.

    Das Ministerium von Wolfgang Clement will jetzt auf die schlechten Schulqualifikationen reagieren, indem es neue Berufsbilder schafft, für die nur zweijährige Ausbildungen nötig sind. Noch einmal Gerd Andres.

    Wir machen beispielsweise fünf neue Berufe: Fahrradmonteur, Maschinenführer, Bauwerksmechaniker und ähnliches. Wir machen Berufe, die in zweijährigen Schritten gemacht werden können. Und wir müssen in der ganzen Berufsausbildung viel stärker zu Modulen kommen, wie man in unterschiedlichen Lebensphasen aufbauend aufeinander abschließen und dann mit Qualifikationen sichern kann.

    Tatsache ist, dass vielen Schulabgängern oft die Grundqualifikationen wie Lesen, Rechnen und Schreiben fehlen. Da muss häufig nachgearbeitet werden. Der Chemiekonzern BASF zum Beispiel, der sich stark in der Nachwuchsförderung engagiert, führt schon lange Eignungstests für die Bewerber eines Ausbildungsplatzes durch. Da werden mathematische Grundkenntnisse abgefragt und die Rechtschreibung überprüft. Das Ergebnis ist erschreckend, wie der Ausbildungsleiter des Chemie-Riesen, Fritz Krieg, bestätigt:

    Wir führen dieses Verfahren seit 1975 durch und haben festgestellt, dass die Leistungen um ungefähr 30 Prozent zurückgegangen sind. Und zwar sowohl bei den Hauptschülern als auch bei den Realschülern. Da ist zwar das Niveau unterschiedlich, aber der Rückgang ist in etwa in der gleichen Größenordnung. (…) Wir stellen fest, dass vor allem die rechnerischen Fähigkeiten stark zurückgegangen sind und auch die Rechtschreibung. Anpassungsfähigkeit im Betrieb, Verhalten im Umgang mit Kollegen – da sind schon Defizite zu sehen.

    Um zumindest einigen leistungsschwachen Jugendlichen eine Ausbildungschance zu geben, bietet BASF ein Sonderprogramm an. Das Training "Start in den Beruf" soll zum einen die schulischen Defizite in Mathematik, Deutsch und Wirtschaftslehre abbauen, zum anderen sollen durch einfache Tätigkeiten im Betrieb die beruflichen Handlungs- und auch die Sozialkompetenzen verbessert werden. Nach einem Jahr sind die Jugendlichen dann so fit, dass sie eine Lehre beginnen können. Der Erfolg mache sich bezahlt, sagt Fritz Krieg.

    Wir sind sehr stolz darauf, dass wir diese jungen Leute zu etwa 80 Prozent nach dem Förderprogramm in einen Ausbildungsplatz vermitteln können. Der muss nicht unbedingt bei der BASF sein, er kann auch außerhalb von BASF sein. Im letzten Jahr war die Quote etwa 50 Prozent innerhalb und 50Prozent außerhalb von BASF.

    Mit den schulischen Leistungen der Lehrstellenbewerber sind viele nicht zufrieden. Zu ihnen zählt auch Annette van Alst. Sie ist Geschäftsführerin des Kölner Bildungsträgers "Perspektive" und vertritt die Ansicht, die Schule müsse sehr viel mehr als bislang tun, um Jugendliche adäquat auf das Berufsleben vorzubereiten. Etwa 500 Jugendliche nehmen jedes Jahr an den berufsvorbereitenden Maßnahmen ihres Bildungsträgers teil. Bei vielen stellt sie immer wieder mangelnde Ausbildungsreife fest. So gebe die Schule den Jugendlichen auch kein realistisches Selbstbild mit auf den Weg:

    Einmal gibt es Jugendliche, die haben gar keine Erwartungen mehr an die berufliche Zukunft, was zusammenhängt mit dem geringen Selbstwertgefühl, was sie haben. Also sie kommen aus einer Bildungserfahrung heraus, dass sie nichts können und nie etwas können werden, dass aus ihnen sowieso nichts wird. Und dann gibt es die zweite Gruppe von Jugendlichen, (…) die vollkommen überzogene Bildungserwartungen haben, also die denken, dass ihre Fähigkeiten ausreichen, um Astronaut, Wissenschaftler, Physiker zu werden, aber ein vollkommen falsches Selbstbild von ihrem Leistungsstand haben und dann manchmal mit einem ziemlichen Höhenflug wieder runtergeholt werden müssen, auch gegen den Widerstand der Eltern.

    Viele Jugendliche seien der Meinung, die Welt stehe ihnen offen, ohne dass sie etwas dafür tun müssten. Sie pochten auf ihre Rechte, die ihnen und ihren Eltern der Versorgungsstaat zugesprochen hätte. Noch einmal Annette van Alst:

    Zum Teil kommen Jugendliche aus der dritten Generation Sozialhilfeempfänger oder Arbeitslosenempfänger, die vom Elternhaus mitbekommen: Du hast Rechte, die darfst du einfordern jeder Zeit, das steht dir zu, aber selber Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen ist da, gelinde gesagt, etwas abhanden gekommen.

    Ein grundsätzliches Problem liegt für Annette van Alst schon in den Lehrplänen. Sie gingen viel zu wenig auf das künftige Arbeitsleben ein. Das sehen Jugendliche ganz ähnlich. Zum Beispiel hätten sich die 18jährige Sabrina und der 16jährige Marcel eine bessere, zielgerichtetere Vorbereitung auf den Beruf während ihrer Hauptschulzeit gewünscht:

    Bei uns wurde nicht über Berufe gesprochen. Erst in der 10. Klasse haben die gefragt, was wir vielleicht später mal werden wollen, aber es kam nichts über Ausbildungen."
    "Bei uns wurde gar nicht darüber geredet. Halt nur ganz normaler Unterricht. Und so über Berufe gar nichts.


    Aylen, Marcel und Sabrina müssten jedenfalls weniger Angst vor der Zukunft haben, wenn sie schon in der Schule mehr vom Arbeitsleben erfahren hätten und wenn das Lehrstellen- und Beschäftigungsangebot in Deutschland besser wäre. Aylen wünscht sich daher vor allem:

    Also auf jeden Fall mehr Ausbildungsstellen und auch den Leuten, die nur einen Hauptschulabschluss haben, mehr Chancen geben.

    Dies fordern auch die Gewerkschaften, damit Jugendliche eben nicht ins soziale Abseits geraten.