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Jugend und Politik

Der Erziehungswissenschaftler Hans Merkens ist der Ansicht, dass jüngere Jugendliche eher bereit sind, sich politisch zu engagieren. Im zunehmenden Alter nehme die Bereitschaft dazu ab. Gleichzeitig seien Jugendliche generell eher an konkreten Themen interessiert. Umweltschutz sei dafür ein gutes Beispiel, so Merkens.

Von Jacqueline Boysen | 09.09.2005
    "Wenn Jugendliche sich engagieren, bedarf es eines konkreten Anlasses. Und das unterschätzen wir. "

    Genauso, wie Jugendlichen vielfach zu unrecht politisches Desinteresse vorgeworfen werde - so Prof. Dr. Hans Merkens von der Freien Universität Berlin. Am Lehrstuhl für Empirische Erziehungswissenschaften untersucht er seit vielen Jahren Veränderungen in Verhalten und Einstellung Jugendlicher in der Bundesrepublik.

    "Je jünger die Jugendlichen sind, desto eher sind sie bereit zur Partizipation. Und im zunehmenden Alter nimmt die Bereitschaft ab, sich politisch zu engagieren. Jugendliche sind generell an Politik desinteressiert, aber jenseits dessen zum Beispiel engagiert für Dinge wie Umweltschutz, obwohl der Umweltschutz heute auch kaum noch Thema für Jüngere ist. Das heißt insgesamt: Wenn es gelingt, Jugendliche in eine Bewegung zu integrieren, dann partizipieren sie auch, wobei es vom Bildungsstand abhängt. Aber fast nie ist es wirklich parteipolitisches Engagement. Die Jugendlichen verlieren auch das Interesse, wenn sie merken, dass nur noch Parteipolitik gemacht wird. "

    Versuche, Jugendliche zu politischem Engagement zu bewegen, sind in letzter Zeit nur mäßig erfolgreich. So machen Jung- und Erstwähler beispielsweise seltener als der Bevölkerungsdurchschnitt von ihrem Wahlrecht Gebrauch. An der geringen Wahlbeteiligung ändere auch die Herabsenkung des Wahlalters zunächst nichts, so Merkens.

    So wie jede nachfolgende Generation neige auch die der heute Unter-30-Jährigen dazu, sich in Opposition zu den Eltern zu begeben. Das ist nur eine Erklärung dafür, dass Jugendliche sich heute viel weniger idealistisch zeigen und sich früher als ihre Eltern über Beruf und Verdienstmöglichkeiten Gedanken machten – sie unterliegen schlicht einem ökonomischen Zwang und sind früh von Zukunftsangst getrieben:

    "Da im Bereich Beschäftigungspolitik der CDU eine höhere Kompetenz zugestanden wird, kann man da Zusammenhänge sehen, obwohl die Zusammenhänge nicht untersucht sind. Das hat mehrere Ursachen und hängt auch damit zusammen, dass immer Einstellungen untersucht werden, das Wählen zum Beispiel ist aber ein ist ein Verhalten, und vernünftig Verhalten vorherzusagen, ist sehr kompliziert. "
    Dass Jugendliche heute per se konservativer seien als früher, relativiert Jugendforscher Merkens. Auch warnt er vor dem generellen Urteil über ihre Anfälligkeit für radikales Gedankengut. Wohl gelänge es Rechtsradikalen, ihre Anhängerschaft zu mobilisieren, Merkens betont aber, dass damit das Bild von Jugendlichen beeinflusst werde, Rechtsradikale aber keineswegs eine Mehrheitsmeinung vertreten. Zumal ihnen ein Konkurrent erwächst:

    "Sie verlieren sofort an Zustimmung, wenn es auf der anderen Seite nun eine Linkspartei gibt. Es geht hier ja gar nicht um Inhalt, sondern um den Protest. "

    Untersuchungen bestätigen, wie sehr Jugendliche generell von Politik und Politikern desillusioniert und enttäuscht seien, dass sie sich auf anderen Feldern wie zum Beispiel im Internet gewissermaßen neue Foren für Kommunikation und Engagement suchten - für Hans Merkens ein Ansatz, Jüngere für gesellschaftliches und politisches Handeln zurück zu gewinnen

    "Was Jugendliche brauchen, sind Räume politischen Handels. Wobei ich darunter verstehe, dass sie eigenverantwortlich handeln können müssen, dass sie mit Folgen ihres eigenen politischen Handelns konfrontiert werden, denn das ist, was desillusioniert. Was fehlt, ist eine Plattform für eigenverantwortliches Handeln, wenn wir ihr Handeln verstärken wollen, müssen wir ihnen Plattformen liefern, auf denen sie eigenverantwortlich handeln können."