Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Jugendliche Gewalt in Europa

Brennende Autos in den französischen Vorstädten, brutale Schlägereien in deutschen U-Bahnen, jugendliche Messerstechereien und Todesschüsse in Großbritannien: Die zunehmende Gewaltbereitschaft Jugendlicher ist ein europäisches Phänomen. Anmerkungen über Ursachen und Hintergründe von Jürgen Krönig, freier Journalist, London.

07.01.2008
    Die europäischen Debatten um Jugendgewalt und Einwanderung laufen bedauerlicherweise stets nach dem gleichen Strickmuster ab, gleich um welches Land es sich handelt. Das Linksliberale Milieu konzentriert sich auf den Vorwurf des Populismus, vergisst darüber schon mal die Opfer der Gewalt wie die Tatsache, dass überhaupt ein Problem existiert. Konservative Politiker gerieren sich, zumal vor Wahlen, mit starken Worten als Anwalt der schweigenden Mehrheit, obgleich sie wissen, dass es keine einfachen Rezepte gibt - ansonsten hätten sie solche bereits anwenden können und müssen. Differenziertere Stimmen verweisen darauf, es handele sich um kein Immigrations -, sondern ein Unterschichtenproblem. Was auch nur die halbe Wahrheit ist.

    Eines sollte klar sein. Die Mantra von Arbeitslosigkeit, Armut und Diskriminierung als Erklärung für diverse Phänomene, das Abfackeln von Autos in Frankreichs banlieus, serielle Gewaltdelikte Jugendlicher in Deutschland oder für Englands Terrorbereite junge Muslime, greift nicht. In Europa lassen sich nach 50 Jahren Erfahrung einige Erkenntnisse nicht länger leugnen. Massenhafte Einwanderung, aus demografischen wie ökonomischen Gründen bewusst gefördert, schafft erhebliche Probleme, für Einwanderer wie einheimische Bevölkerung. Kosten und Nutzen sind nicht gleichmäßig verteilt. Wohin man auch schaut, ob nach Frankreich, Großbritannien oder Deutschland, die Integration der muslimischen Minorität stößt dabei auf besondere Schwierigkeiten.

    Manch ethnische Gruppen vermögen sich offenkundig besser an demokratische Industriegesellschaften anzupassen als andere Minderheiten. Im verhuschten, multikulturellen Diskurs wird viel zu selten erörtert, ob nicht auch interne, kulturelle wie religiöse Gründe, die sozioökonomische Stellung bestimmter Minoritäten erklären könnten. Die Statistiken enthalten dazu eine klare Botschaft: Muslimische Einwanderer und ihre Kinder sind in aller Regel ärmer, eher arbeitslos und schlechter ausgebildet als Immigranten aus Indien oder anderen Ländern Asiens. In Frankreich, Deutschland wie Großbritannien leben fast 40 Prozent der muslimischen Bevölkerungsgruppen von Zuwendungen des Staates, ganz anders als Chinesen oder Inder, unter denen Arbeitslosigkeit fast unbekannt ist. Die weit verbreitete Übung, muslimischen Frauen Erziehung und persönliche Entfaltung zu verweigern, trägt dazu bei, muslimische Armut zu perpetuieren. Im Westen hängt wirtschaftliches Wohlergehen, ob man das bedauert oder nicht, nun mal von zwei Einkommen pro Familie ab.

    Nicht nur in Deutschland wissen Polizei, Justizbehörden und Politiker seit langem, dass junge Menschen mit, wie es so schön heißt, Immigrationshintergrund einen überproportional hohen Anteil an kriminellen Delikten begehen. Sie verstärken die Reihen der einheimischen Unterschicht, die auf die Normen der Mehrheitsgesellschaft pfeift. England wurde 2007 durch eine Serie jugendlicher Messerstechereien und Todesschüsse in regelrechte moralische Panik gestürzt, obgleich sich der Staat dort bereits diverse Instrumente wie Asbos, antisocial behaviour orders, für den Kampf gegen Jugendgewalt zugelegt hatte.

    Es ist an der Zeit, die Scheuklappen abzulegen: Die Gesamtzahl von Verbrechen mag fallen, aber die Gewalttaten, vor allem verübt von Jugendlichen, wächst in Deutschland wie Großbritannien. Die paternalistische Hinnahme oder Entschuldigung von Vandalismus, Aggression, Rowdytum und Kleinkriminalität sollte aufhören, die folgenlose Missachtung staatlicher Institutionen, ob Schule, Gericht oder Polizei, nicht länger geduldet werden. Unsere Politiker täten gut daran, zu erklären, dass es enormer Anstrengungen bedarf, zur gesellschaftlichen Reparatur zu schreiten, bei der Regierungen eine wichtige, aber nur begrenzte Rolle spielen können.