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Jugendmedienschutz
Nazi-Begriffe in Spiele-Apps

Einige Anbieter von Spiele-Apps für Jugendliche verstoßen gegen deutsches Recht, weil darin ungestraft nationalsozialistische Inhalte verbreitet werden können. Jugendschützer fordern strengere Kontrollen und Konsequenzen, doch das gestaltet sich schwierig.

Von Philip Banse | 07.11.2017
    Drei Mädchen haben ihr Smartphone in der Hand und sprechen miteinander
    Jugendliche mögen Spiele-Apps (Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild)
    "Clash Royale" ist eines der beliebtesten Smartphone-Spiele. In dem Gratis-Spiel einer finnischen Firma lassen Spieler ihre Monster gegeneinander antreten; Spieler können sich zu Gruppen zusammenschließen, zu so genannten Gilden. Diesen Gilden wiederum können die Spieler beliebige Namen geben. Und so heißen mehrere Gilden "Waffen SS" und "Judenbumser". Bis vor kurzem gab es Gilden mit den Namen "Töte die Juden", "Gas die Juden" und "Judenschlachter".
    "Es gibt im Prinzip kein Online-Spiel, was eine Kommunikationsmöglichkeit beinhaltet und einen Nutzernamen, in dem man nicht darüber stolpern kann. Dort finden sie im Prinzip in allen Spielen Gilden mit extremistischen Namen oder auch Nutzernamen." Sagt Thomas-Gabriel Rüdiger, Kriminologe an der Fachhochschule der Polizei in Oranienburg. Er sagt: Anders als die großen sozialen Netzwerke wie Facebook und Twitter würden Smartphone-Spiele gesetzlich zu wenig geregelt.
    "Und jetzt kann es passieren, dass Kinder sich daran gewöhnen, weil ihnen niemand erzählt, dass es schlimm ist, wenn Du jemanden hast, der 'Waffen SS' als Gilde hat, dass du mit diesen spielst, das habitualisierst, weil du gar nicht weißt, was das bedeutet. Damit werden die konfrontiert und uns als Gesellschaft interessiert das gar nicht und das halte ich für ein echtes Problem, wo ich sage: Wo ist da die Diskussion?"
    App-Anbieter scheren sich nicht um deutsches Recht
    "Töte die Juden", "Gas die Juden" und "Judenschlachter" - laut Paragraf 4 Jugendmedienschutzstaatsvertrag sind einige dieser Gildennamen mindestens im Graubereich des rechtlich zulässigen, wenn nicht sogar verboten. Für die Durchsetzung des gesetzlichen Jugendmedienschutzes mit zuständig ist die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter, kurz FSM, ein Verein der Medien-Industrie. Heute stellte Verein ein Studie in Berlin vor, die belegt, dass Eltern sich sehr große Sorgen machen, mit was ihre Kinder online so zu sehen bekommen. Dazu dürften auch nationalsozialistisch-inspirierte Gilden-Namen gehören. Mit dem Beispiel der finnischen App "Clash Royale" konfrontiert, sagte der Geschäftsführer der Freiwilligen Selbstkontrolle, Martin Drechsler heute:
    "Spannend ist natürlich, dass viele Sachen nur aus deutscher Sicht rechtswidrig sind. Und diese Apps sind dann meist von Anbietern, die aus überall in der Welt kommen, und für die gilt grundsätzlich der deutsche Rechtsrahmen nicht."
    Das sei falsch, sagt die Sprecherin der Kommission für Jugendmedienschutz, dem obersten deutschen Aufsichtsgremium für Jugendschutz in Online-Medien. Der deutsche Jugendmedienschutzstaatsvertrag sei für alle bindend, die in Deutschland Apps anbieten. Allerdings sei es schwer, das Recht bei ausländischen Anbietern durchzusetzen.
    Jugendschützer fordern schärfere Kontrolle
    Thomas-Gabriel Rüdiger, der Kriminologe aus Oranienburg, fordert eine Verschärfung des deutschen Jugendmedienschutzes:
    "Als allererstes würde ich sagen, dass der Jugendmedienschutz zur Aufgabe hat, Kinder vor Straftaten im digitalen Raum zu schützen. Und es kann nicht sein, dass in einem Spiel, was ab sechs Jahren empfohlen wird, die Kinder mit Extremisten oder Sexualtätern auch konfrontiert werden. Das bedeutet für mich, dass es eine komplette Überarbeitung des deutschen Jugendmedienschutzes geben muss, der genau diese Risiken aufgreift, so dass zum Beispiel die Betreiber gezwungen werden, weil sie eine Altersfreigabe für Kinder wollen, Schutzmechanismen zu installieren, um diese Risiken zu minimieren."
    Solche Schutzmechanismen könnten etwa sein, dass Gildennamen überprüft werden; dass Chats von zertifizierten Experten moderiert werden; dass das Geschehen im Spiel schlicht besser überwacht wird. Der Geschäftsführer des Industrie-Vereins zur Selbstkontrolle sieht das kritisch:
    "Das ist schwierig, denn sowas eins zu eins zu monitoren, das kann man fast nicht machen, weil das einfach viel zu viele Sachen sind. Man kann natürlich mit Blacklists arbeiten und man kann dafür sorgen, dass Spieler, die negativ auffallen, gesperrt werden und nicht einfach wieder teilnehmen können und den nächsten belästigen können. Und das zeichnet auch einen guten Dienst oder eine gute App aus. Und das ist etwas, wo nach unserer Erfahrung auf mittlere Sicht Eltern und auch Kinder drauf reagieren. Wenn das ein Dienst ist, der keinen Spaß macht, weil da nur schwierige Sachen passieren, dann nutzt man die mit der Zeit nicht mehr. Deswegen ist es im lebendigen Interesse der Anbieter, sich da selbst drum zu kümmern."
    In der Tat: Nach Kritik in sozialen Medien sind Namen wie "Töte die Juden", "Gas die Juden" und "Judenschlachter" aus der Gilden-Liste von "Clash Royale" verschwunden. "Waffen SS" ist jedoch immer noch ein beliebter Gildenname.