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Jugendschutz im Netz
Die Gefahr aus der App

Für Homepages und Heim-PCs gibt es Regelungen im Jugendschutz, für soziale Netzwerke und mobiles Internet nicht. Das will Bundesfamilienministerin Katharina Barley (SPD) ändern. Jugendschützer halten das für notwendig - zu leicht könnten Kinder viel Geld ausgeben oder in Gefahr geraten.

Von Silke Ballweg | 01.08.2017
    Eine Hand bedient das Geschicklichkeitsspiel "Bubble Island" auf einem Tablet.
    Spiele auf Smartphones und iPads können für Kinder teuer und gefährlich werden. (dpa / Jens Kalaene)
    Gebannt schaut Vitus auf den Tablet-Bildschirm zwischen seinen Händen. Mit den Daumen schiebt er auf dem Display mal hier etwas nach oben, drückt mal da auf einen virtuellen Button:
    "Also es gibt so verschiedene Arenen, und in dieser Arena kriegt man zum Beispiel Pfeile, Bogenschützen, Ritter und so weiter. Und ich muss jetzt halt gewinnen."
    "Clash Royal" heißt das Spiel, das der Neunjährige derzeit am Liebsten mag. Weil Vitus noch kein eigenes Smartphone besitzt, ist er auf das Tablet der Eltern angewiesen. Eine halbe Stunde am Tag darf der Junge online spielen, danach ist Schluss:
    "Also ich habe einen Mitspieler, der spielt gerade mit mir, gegen zwei andere."
    "Clash Royal" ist eine kostenlose App, freigegeben für Kinder ab neun Jahren. Viele ähnliche Spiele-Apps haben gar keine Altersbeschränkung. Denn bei der Alters-Prüfung wird in erster Linie darauf geachtet, dass die Spiele keine gewalttätigen oder pornografischen Inhalte haben. Unbedenklich sind die Spiele für Kinder deswegen aber nicht, sagt Martina Hannak-Meinke, die Vorsitzende der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Denn in Chats innerhalb der Spiele können die Kinder von Mitspielern ganz leicht kontaktiert werden. Auch Pädophile können sich so an die jungen Menschen ranmachen:
    "Das ist natürlich ein Problem, wenn ein Kind davon ausgeht, dass das Gegenüber, mit dem es kommuniziert, auch ein 13-jähriges Mädchen ist, das Pferde und Ponys zum Hobby hat, unter Umständen sich aber ein Erwachsener dahinter verbirgt, der das nutzt, um Kontakt zu einem Kind aufzunehmen, den er dann in der Realität fortsetzt."
    "Kinder müssen sauber aufgeklärt werden"
    Auch die Stiftung Warentest bemängelt bei vielen Spielen mangelnden Kinder- und Jugendschutz. In einem aktuellen Test hat sie die 50 umsatzstärksten Spiele-Apps unter die Lupe genommen. Neben der Chatfunktion kritisieren die Datenschützer die sogenannten In-App-Käufe. Denn mit den Spiele-Apps wollten die Hersteller vor allem satte Gewinne machen. Bei vielen Spielen könne man nur dann richtig gut sein, wenn man echtes Geld investiere, sagt Peter Knaak von der Stiftung Warentest:
    "Es vermischen sich Werbung und Spiel, so dass die Kinder gar nicht wissen, werden sie jetzt beworben oder ist das Teil des Spiels. Sie klicken auf irgendwas: 'Willst du diese Rüstung haben oder kaufe jetzt' - das ist zum Teil eine Aufforderung. Aber sie wissen oft gar nicht, was bekomme ich dafür, wieviel ist das für mein Spiel Wert."
    Unklar bleibe zudem, wann die Spieler erneut zu einem Kauf animiert würden:
    "Diese Intransparenz war etwas, die uns maßlos aufgeregt hat, denn Kinder müssen sauber aufgeklärt, sauber angesprochen werden und in einer sehr kindgerechten Art darüber informiert werden, was sie gerade tun. Vor allem, wenn es ums Geld geht."
    20-mal mehr Umsatz durch In-App-Käufe
    Die Politik will diese Mängel nun zumindest ansatzweise beseitigen. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien soll sich stärker mit den Gefahren von Jugendlichen im Internet befassen. Die Vorsitzende Martina Hannak-Meinke will Kinder, Eltern und Schulen besser über altersgerechte Mediennutzung informieren. Sie will die Möglichkeiten, sich direkt auf einer Seite beschweren zu können, ausbauen lassen. Und sie will die Unternehmen dazu heranziehen, über mögliche Gefahren einer bestimmten App unmissverständlich aufzuklären:
    "Da muss man den Eltern ermöglichen, dass sie nicht erst die AGB lesen müssen, sondern dass man so ne Art Checkliste hat, was außer dem Inhalt in dieser App noch möglich ist, sprich, eine mögliche Chatfunktion, zu versteckten Kosten, und dann natürlich die Datenströme, also wo gehen die Daten noch hin."
    Auch Vitus wurde schon mehrmals mit den Verlockungen, Geld auszugeben, konfrontiert:
    "Wenn da so ne Truhe ist mit 500 Diamanten, da muss man zum Shop, und das kostet halt, das hab ich noch nie gemacht. Ich würde es gerne kaufen, und dann wär ich beim Spielen auch besser. Aber ich darf es halt nicht."
    Doch längst nicht alle Kinder sind so standhaft wie der Neunjährige. 2016 brachte der Verkauf von Spiele-Apps in Deutschland einen Umsatz von gerade einmal 17 Millionen Euro. Das große Geld machten die Unternehmen erst über die In-App-Käufe. Sie spülten ihnen weitere 390 Millionen Euro in die Kassen.