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Julia Klöckner als neue Landwirtschaftsministerin
Die Konventionelle

CDU-Bundesvizevorsitzende Julia Klöckner ist die neue Chefin des Ressorts Ernährung und Landwirtschaft. Die Winzertochter, die Glyphosat als "ein Mittel von Profis für Profis" bezeichnet, hat schon vorab viel Kritik von Umweltschützern geerntet. Beifall bekommt sie vor allem von konventionell wirtschaftenden Landwirten.

Von Anke Petermann | 14.03.2018
    Porträtaufnahme von Julia Klöckner, aufgenommen 2018, am Rande der Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD vor der SPD-Parteizentrale, dem Willy-Brandt-Hau
    Die stellvertretende CDU-Parteivorsitzende Julia Klöckner wird neue Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft (dpa / Kay Nietfeld)
    Julia Klöckner, als Winzertochter an der Nahe aufgewachsen, spricht die Sprache konventioneller Landwirte und Weinbauern. Die 750 in Deutschland zugelassenen Spritzmittel nennt die Christdemokratin nicht "Pestizide" oder gar "Ackergifte", wie Grüne oder Umweltverbände es tun. Sie fragt: "Wie kann ich Pflanzenschutzmittel mengenmäßig zurückfahren?". Um sich im selben Atemzug zu antworten:
    "Wir haben Glyphosat in Deutschland in den vergangenen fünf Jahren um 30 Prozent reduziert."
    Klöckners Amtsvorgänger, der fränkische Christsoziale Christian Schmidt, verschaffte der umstrittenen Chemikalie im Alleingang weitere fünf Jahre EU-Zulassung. Unter dem Beifall konventionell wirtschaftender Landwirte und den Buhrufen von Umweltschützern.
    Keine Kritik von Klöckner an Schmidt
    Die einen sparen sich mit dem Unkrautvernichter Bodenbearbeitung, also hunderte von Einsatzstunden pro Hektar. Die anderen machen das Breitband-Herbizid verantwortlich für den eklatanten Rückgang von Insektenarten und -mengen sowie der Vogel-Vielfalt. Kein Wort der Kritik von Klöckner an Schmidt.
    Stattdessen ordnet die bekennende Anhängerin einer bäuerlichen inhabergeführten und gleichzeitig modernen digitalisierten Landwirtschaft den Unkrautvernichter so ein:
    "Glyphosat ist ein Mittel von Profis für Profis, genutzt wird es auch in der Hobby-Gärtnerei. Wir haben das Thema Deutsche Bahn, und die ist der größte Anwender von Glyphosat. Und deshalb ist mein Fokus - wenn man jetzt von Glyphosat reden will - ja nicht primär auf der Landwirtschaft."
    Kritik von Umweltschützern
    Eine Aussage, die Umweltschützer als Relativierung verstehen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland will das Problem aber nicht klein reden lassen, sondern fordert von Klöckner ein Ausstiegsprogramm, mit dem das Totalherbizid bis 2020 vom Acker verschwindet.
    Und, so Bienen-Expertin Corinna Hölzel: "Der BUND möchte, dass die Neonicotinoide bald zügig jetzt verboten werden."
    Insektenvernichter, von denen Raps- und Zuckerrüben-Bauern sagen, dass ihre Felder ohne sie in manchen Jahren kahlgefressen würden - bis zum Totalverlust der Ernte. Es gehe um Existenz-Grundlagen, das will Julia Klöckner nicht aus den Augen verlieren.
    Die Bienen-Expertin des BUND setzt da einen anderen Akzent, mit Blick auf die gefährdete biologische Vielfalt.
    Nämlich: "Neonicotinoide sind hochwirksame Nervengifte, sie wirken schon in kleinsten Konzentrationen und sind um ein vielfaches giftiger als das DDT", das seit langem schon verboten ist.
    Klöckner kann es nicht allen Recht machen
    Die Fronten sind verhärtet. Selbst wenn Julia Klöckner betont, sich auf ideologische Grabenkämpfe zwischen öko und konventionell nicht einlassen zu wollen: Die neue Agrarministerin kann es nicht allen Recht machen, auch nicht beim Geld.
    "Frau Klöckner wird sich in der nächsten Zeit ganz intensiv mit der Neuverteilung der Agrarsubventionen beschäftigen müssen, und da fordern wir auch: Agrar-Subventionen für ökologische Leistungen, hier muss ein Umsteuern stattfinden", fordert BUND-Referentin Hölzel: Blumenwiese statt Graswüste, vielfältige Fruchtfolge statt Monokultur.
    "Wir müssen Geld für ökologische Leistungen ausgeben, damit Landwirtinnen und Landwirte unser alle Lebensgrundlage erhalten können."
    Viele unvorhersehbare Herausforderungen
    Öko-Prämien statt flächenbezogener Direktzahlungen? Der Deutsche Bauernverband hält dagegen und pocht auf ein stabiles Budget. Julia Klöckner kennt das Agrar-Ressort aus ihrer Zeit als Parlamentarische Staatssekretärin von 2009 bis 2011 - nicht nur die konträren Erwartungen der Verbände werden sie fordern, das ist der Mittvierzigerin klar. Aber:
    "Meine größte Herausforderung wird die sein, von der ich heute noch nichts weiß, denn gerade Lebensmittelskandale oder Tierseuchen, die können Sie ja nur bedingt voraussehen."
    "Geländegängig" nennt sich die Rheinland-Pfälzerin gern selbst. Dass sie das ist, kann sie jetzt in Berlin und Brüssel beweisen.