Donnerstag, 25. April 2024

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Julia Klöckners Nestlé-Video
"Sie hätte das Posting als Werbung kennzeichnen müssen"

Politiker seien nicht anders zu behandeln als Influencer, so der Medienanwalt Christian Solmecke zum Video der Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) mit dem Deutschlandchef von Nestlé. "In diesem Fall würde ich schon sagen, dass das Schleichwerbung ist", sagte Solmecke im Dlf.

Christian Solmecke im Gespräch mit Sebastian Wellendorf | 06.06.2019
Agrarministerin Julia Klöckner (CDU)
Julia Klöckner (CDU) ist für ein Video mit dem Deutschlandchef von Nestlé in die Kritik geraten. (dpa-Bildfunk / Michael Kappeler)
Sebastian Wellendorf: Der Konzern Nestlé dürfte sich gefreut haben über das wohlwollende Rampenlicht, in das es dank Bundesernährungs- und Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner gerückt wurde. Bessere Werbung für die eigenen 2.000 Marken kann man sich als Konzern ja fast gar nicht vorstellen. Die jetzt aufkommende Kritik an ihrem Video über Zuckerreduktion nennt Frau Klöckner übrigens Hate Speech - Stichwort Opferrolle. Aber die eigentliche Debatte, die beginnt jetzt erst: Was dürfen Politiker im Netz? Wo endet "politischer Dialog", wie Frau Klöckners Ministerium diesen Vorgang nennt, und wo beginnt Schleichwerbung? Darüber habe ich mit dem Medienrechtsanwalt und YouTuber Christian Solmecke gesprochen. Ich habe ihn gefragt wie er diesen Fall einschätzt - Schleichwerbung ja oder nein?
Christian Solmecke: In diesem Fall würde ich schon sagen, dass das Schleichwerbung ist. Es gibt zwar unterschiedliche Urteile der verschiedenen Gerichte zum Thema Schleichwerbung, aber hier hat sich Frau Klöckner ausnahmslos positiv zugunsten eines Unternehmens ausgesprochen, und da muss man auch, gerade wenn man die Influencer-Urteile der letzten Monate ins Kalkül zielt, sagen, ja, sie hätte das Posting als Werbung kennzeichnen müssen.
Für Werbung muss keine Gegenleistung fließen
Wellendorf: Weil Sie die Urteile der letzten Monate ansprechen, Rezo hat gepostet, er müsse so ein Video als Schleichwerbung kennzeichnen. Müsste das Frau Klöckner jetzt auch?
Solmecke: Also es gab da ein Urteil vom Landgericht Berlin zu Lasten von Vreni Frost, einer großen Influencerin, und da hat das Landgericht Berlin gesagt, immer dann, wenn man sich irgendeine Gegenleistung verspricht - und man muss noch gar keine Gegenleistung bekommen haben -, muss man Postings als Werbung kennzeichnen. Das ging dem Kammergericht Berlin dann ein bisschen zu weit, aber die haben auch gesagt, ja, kann schon sein, wenn man explizit darauf abzielt, dass man irgendwie mit jemandem ins Geschäft kommt, dann muss man da "Werbung" drüber schreiben, und das vermute ich, ehrlicherweise, bei Frau Klöckner hier auch. Sie will irgendwie möglicherweise mit Nestlé ins Geschäft kommen und da möglicherweise auf politischer Ebene näher in Kontakt kommen, daher eventuell dann diese ausnahmslos positive Darstellung. Immer wenn das gegeben ist, sagen die Gerichte, haben wir Werbung, selbst wenn keine Gegenleistung geflossen ist.
Wellendorf: Nun gibt es ja die Ansicht, dass Politiker keine Influencer sind, zumindest nicht in dem Sinne, wie es Influencer im Netz sind. Das Ministerium hat auch von dem "politischen Dialog" gesprochen. Gelten da aus Ihrer Sicht dennoch die gleichen Regeln, die auch für Influencer gelten? Irgendwie muss man doch auch in der Lage sein – ich versuche jetzt mal die Sicht von Frau Klöckner einzunehmen -, einen politischen Dialog zu führen und das auch zu posten.
"Politiker strenger behandeln als Influencer"
Solmecke: Also erst mal muss ich widersprechen, dass Politiker keine Influencer sind. Was denn anderes als Influencer sind denn Politiker? Sie wollen uns beeinflussen und haben mehr Reichweite als jeder YouTuber oder jeder, der bei Twitter unterwegs ist, und das nutzen die - man sieht es zum Beispiel an dem US-Politiker Donald Trump - auch ganz ordentlich, und die versuchen auch Leute zu beeinflussen. Das heißt, wenn wir darüber reden, ob Politiker anders zu behandeln sind, dann nur in der Fassung, dass sie noch strenger zu behandeln sind und ihr Amt in keiner Weise missbrauchen dürfen, um jemanden besonders positiv darzustellen, und sowas könnte hier der Fall gewesen sein.
Wir hatten in der Vergangenheit mal Fälle, da hat der Regierende Bürgermeister von Berlin unter dem Twitter-Account des Regierenden Bürgermeisters Dinge gepostet, die so nicht gingen. Da ging es dann gegen die AfD, und da wurde auch gesagt, das ist Missbrauch der Amtsstellung, und über sowas könnte man hier auch nachdenken. Ich kann schon sagen, dass Politiker natürlich auch weiterhin frei ihre Meinung äußern müssen. Wenn sie allerdings völlig unkritisch nur noch Werbung für ein großes Unternehmen, was ja kritisch gesehen wird von der Bevölkerung, machen, dann muss das auch gekennzeichnet werden.
"Am Anfang hätte klar 'Werbung' stehen müssen"
Wellendorf: Das heißt, aus Ihrer Sicht handelt es sich nicht hier um politischen Dialog, sondern um klare Werbung.
Solmecke: Für mich hatte das mit Dialog überhaupt nichts zu tun. Das ging ja nur in eine Richtung und alles nur pro Nestlé, und insofern hätte am Anfang des Postings klar "Werbung" und in deutscher Sprache "Werbung" oder "Anzeige" stehen müssen, bitte schön auch nicht so Worte wie "sponsored post" oder "gesponsert by" , was manche Influencer versuchen. Nein, da muss dann Werbung stehen, wenn man Werbung macht, und da müssen sich Politiker genauso behandeln lassen wie alle anderen Influencer. Insofern hat auch da Rezo ziemlich recht und ins Schwarze getroffen.
Wellendorf: Also unseriöse Frage zum Schluss, aber muss sein: Aus Ihrer Sicht, wird das juristische Folgen haben für Frau Klöckner?
Solmecke: Es müsste jetzt erst mal ein Wettbewerber kommen, der das Ganze hier abmahnt. Das könnte ein Wettbewerber von Nestlé sein, also vielleicht Ferrero, die dann dagegen was machen, weil sie der Meinung sind, sowas funktioniert hier nicht. Die Wettbewerber würden dann auch wieder als ziemlich uncool dastehen, wahrscheinlich werden sie eher mit einem Witz das Ganze aufgreifen auf ihren Social-Media-Kanälen. So löst man das heute und weniger über irgendwelche Zensurverbote, die dann direkt angesprochen werden oder Klagen, die vor den Gerichten dann anhängig gemacht werden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.