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Juncker: Griechenland muss zusätzliche Anstrengungen unternehmen

Nach der Billigung eines Sparprogramms für Griechenland verlangt der Vorsitzende der Euro-Finanzminister, Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker, zusätzliche Anstrengungen bei der Konsolidierung des Haushalts. Das Land werde unter Beweis stellen müssen, dass es in der Lage sei, sein Haushaltsdefizit in diesem Jahr um vier Prozentpunkte zu senken.

Jean-Claude Juncker im Gespräch mit Jürgen Liminski | 16.02.2010
    Jürgen Liminski: Die Finanzminister der Eurogruppe haben gestern Abend Griechenland ein paar Wochen mehr Zeit gegeben für noch schärfere Sparmaßnahmen und auch den Weg zur Neubesetzung der EZB-Spitze geebnet. Darüber wollen wir nun sprechen mit Jean-Claude Juncker, dem Sprecher der Eurogruppe. Guten Morgen, Herr Juncker!

    Jean-Claude Juncker: Guten Morgen!

    Liminski: Herr Juncker, noch schärfer hinschauen und etwas Zeit geben, das ist die Devise für das Thema Griechenland. Wie schaut man dabei den Griechen über die Schulter?

    Juncker: So ist das Thema nicht. Wir haben verabredet im Kreis der Eurogruppe, das heißt der 16 Finanzminister der Eurozone, dass Griechenland zusätzliche Anstrengungen wird unternehmen müssen. Griechenland muss klarmachen, dass es nicht nur gewillt ist, sondern es auch leisten kann, sein Haushaltsdefizit, seine Haushaltslücke um minus vier Prozent abzusenken, das heißt vier Prozent seines Bruttosozialproduktes weniger auszugeben. Griechenland wird dies unter Beweis stellen müssen, und wir räumen nicht Griechenland Zeit ein bis Mitte März, dies zu tun, sondern das passiert ab heute früh acht Uhr. Falls Griechenland das nicht schafft ,aufgrund seines vorgelegten Stabilitätsprogrammes, dies zu leisten, wird die Eurogruppe durch Mehrheitsbeschluss Griechenland zusätzliche Maßnahmen auferlegen, damit die Haushaltskonsolidierung in Griechenland passiert,

    Die in Deutschland massiv vertretene Auffassung, als würde Europa hier Griechenland Vorschusslorbeeren zusenden, ist eine völlig irrige Auffassung. Griechenland steht via haushaltspolitischen Souveränitätsverzicht unter europäischer Oberbeobachtung.

    Liminski: Der ifo-Chef Sinn hat vor einer Stunde hier im Deutschlandfunk gesagt, Herr Juncker, notfalls müsse man den Griechen auch finanziell unter die Arme greifen, aber dann unter strengen Auflagen und zum Beispiel einen Finanzkommissar zur Seite stellen, der die wirtschaftliche Entwicklung kontrolliert. Sind solche Maßnahmen in Ihrer Runde auch erörtert worden?

    Juncker: Solche Maßnahmen sind sehr wohl erörtert worden. Wir sind der Auffassung, dass wir erhöhten Druck auf Griechenlands Haushaltsführung werden erheben müssen. Griechenland muss wissen und Griechenland weiß das, dass es Vorleistungen zu bringen hat. Griechenland muss unter Beweis stellen, dass seine Haushaltsführung solide ist, dass das angepeilte Ziel, ein Haushaltsdefizit von minus vier Prozent in Bruttosozialproduktpunkten ausgedrückt eine zu erreichende Größe ist. Sollte Griechenland dies nicht schaffen aufgrund des vorgegebenen Stabilitäts- und Konsolidierungsprogrammes, wird die Eurogruppe durch Mehrheitsbeschluss Griechenland zusätzliche Auflagen erteilen. Dies wird Mitte März erfolgen.

    Liminski: Heißt zusätzliche Auflagen auch Sanktionen, können Sanktionen die Folge sein?

    Juncker: Sanktionen sind die natürliche Folge. Das, was wir in Vorbereitung der Dinge, die kommen werden, ins Auge fassen: Griechenland muss wissen, dass die deutschen, die belgischen, die niederländischen, die luxemburgischen Steuerzahler nicht bereit sind, die Fehlleistungen der griechischen Haushaltspolitik zu begleichen. Insofern ist Griechenland am Drücker, und wir bringen Griechenland in die Nähe des Voll-Durchdrückens haushaltspolitischer Konsolidierungsmaßnahmen.

    Liminski: Herr Juncker, eben haben wir im gleichen Interview mit Professor Sinn auch gehört, dass ein schwächelnder Euro Vorteile haben kann, er stützt zum Beispiel den Export. Kann man da die Krise um Griechenland auch etwas gelassener sehen?

    Juncker: Nein, so sehe ich das nicht. Die Reprogrammierung des Wechselkurses zwischen Euro und Dollar ist nicht ein Ergebnis gewollter Politik, sondern das Ergebnis akzeptierter Schwäche. Insofern, obwohl der Außenwechselkurs des Euros jetzt vorteilhaft auf die Exportwirtschaft sich auswirken wird, ist nicht das Ergebnis der Politik, sondern das Ergebnis aus Fehlleistungen. Insofern ist dies keine strukturelle Außenwechselkurspolitik.

    Liminski: Offensichtlich haben große Geldinstitute – und zwar kein geringeres als Goldman Sachs – den Griechen geholfen, die Bilanzen zu fälschen. So konnte Athen überhaupt erst in die Eurogemeinschaft aufgenommen werden, liest man heute in der Presse. Ist das nicht Anlass, die Regeln für Bilanzen zu ändern?

    Juncker: Das ist sehr wohl Anlass, die Bilanzregulierungen zu ändern. Unsere Nachforschungen in dem Bereich haben ergeben, dass das Phänomen, das Sie beschreiben, also die Hilfestellung von Goldman Sachs, sich auf das Jahr 2001 reduzieren lässt und in den Folgejahren das Phänomen, das Sie beschreiben, nicht mehr zur Geltung gebracht wurde.

    Liminski: Wird es denn ein …

    Juncker: Ich habe den Banken, den internationalen Finanzgruppen nie übermäßig viel Nobles zugetraut, das erweist sich jetzt als wahr. Aber wir werden das in Ordnung bringen müssen.

    Liminski: Wird es ein mahnendes Wort an Goldman Sachs geben? Immerhin ist die ganze Krise ja auch von amerikanischen Banken ausgegangen.

    Juncker: Ich habe nie ein überschäumendes Verständnis für die irrationale Art und Weise gehabt, die große Finanzinstitute zur Anwendung gebracht haben. Insofern bestätigt dieser Verdacht, dass Goldman Sachs die griechischen Zahlen geschönt hat, eher meinen Verdacht, dass große Finanzinstitute Player sind, aber keine Hilfe sind.

    Liminski: Gestern wurde auch eine Personalie vorentschieden, ein strategischer Portugiese, wenn man das mal so nennen kann, wurde zum Vize der EZB ernannt. Macht das den Weg frei für einen oder den Deutschen an der Spitze der Europäischen Zentralbank?

    Juncker: Man mag das so sehen, ich sehe das nicht so. Der luxemburgische Kandidat ist erwiesenermaßen jemand, der die Dinge versteht und die Dinge in Ordnung zu bringen weiß. Wenn man in Berlin und in Franfkurt denkt, man hat jetzt die Voraussetzungen geschafft, damit ein Deutscher Präsident der Europäischen Zentralbank würde, diese Vorstellung ist nicht zielorientiert. Deutschland wird darum kämpfen müssen, den Präsidenten der Europäischen Zentralbank zu bestellen. Denn wenn Trichet im November nächsten Jahres zurücktritt, zurücktreten muss, weil das Mandat halt zeitmäßig begrenzt ist. Also diese kurzfristige Art, Politik zu betreiben, in dem Sinne, dass man jetzt sich vornimmt, es wird jemand aus Südeuropa Vizepräsident der Bank, damit jemand aus Nordeuropa, sprich Deutschland, Präsident der Europäischen Zentralbank wird, ist eine sehr kurzfristige Sicht der Dinge. Die Berliner täuschen sich oft, wenn es um zukünftsträchtige europäische Perspektiven geht. Ich werde nicht in allen Fällen dafür plädieren, dass Deutschland den Posten des EZB-Präsidenten stellen wird. Die Bank ist in Frankfurt, dies war ein politischer Kompromiss, aber weil sie in Deutschland ist, das eigentlich laut Vertrag die EZB ihren Sitz in Luxemburg hätte haben müssen, war in den vorherigen europäischen Verträgen klargemacht worden, dass alle Finanzinstitutionen nach Luxemburg gehören. Also …

    Liminski: Noch keine Vorentscheidung.

    Juncker: … ich bin der Meinung, dass der Vizepräsident ernannt wurde in der Perspektive zu künftiger deutscher Bestellung des Chefpostens der EZB. Man wird darüber reden müssen. Die Berliner machen sich die Welt einfach.

    Liminski: Schärfere Kontrollen und Hilfe für Griechenland und noch keine Vorentscheidung für die EZB. Das war Jean-Claude Juncker, besten Dank für das Gespräch, Herr Juncker!