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Jung, türkisch, erfolgreich!

Sie sind jung, erfolgreich, sie sind türkisch und weiblich: Die Unternehmerinnen, die gerade in Duisburg ein eigenes Netzwerk für türkisch-stämmige selbstständige Frauen bilden, um sich gegenseitig zu unterstützen. Hier, am Zentrum für Türkeistudien an der Uni Duisburg, genauer gesagt in der "Regionalen Transferstelle zur Förderung selbstständiger Migranten" fragen immer mehr junge Türken nach Beratung an - schließlich wächst die Zahl der türkischstämmigen Unternehmer in Deutschland unaufhörlich - in den vergangenen 15 Jahren auf das dreifache, und sie bewegen sich längst außerhalb des klassischen Lebensmittel-Ladens oder der Dönerbude.

Von Esther Körfgen | 20.04.2005
    Erstmal Kaffee. Ein paar Kekse … und dann werden die neusten Geschichten über Kunden erzählt:

    "… dann wird man am Ende beim Tschüss noch so gefragt: Und tragen sie zuhause ein Kopftuch? Wo ich mich frage: Sag mal, hast du nicht gesehen wie ich bin? Und wie ich rede, glaubst du wirklich, dass ich jetzt nach Hause gehe und mein Kopftüchlein auspacke? "

    Die 31-jährige Tülay Polat hat vor vier Monaten ein Internetportal mit Kleinanzeigen gegründet - für türkische und deutsche Kunden. Sie muss noch damit umgehen lernen, dass viele einen türkischen "Ein-Frau-Betrieb" als etwas ungewöhnliches empfinden. Genau wie Mehtap Ata - sie betreibt seit anderthalb Jahren einen Vertrieb für Einzelhandelsbedarf:

    " Vielleicht ist das auch ungewohnt, dass gerade in dem Bereich eine Frau kommt und versucht dem zu erklären, wie die ihren Laden zu gestalten haben. Oder wo die was hinstellen sollen. Wenn er da ankommt und ein wirklich teures großes System will mit Scanner-Kassen, und ich erkläre ihm, fang lieber mit der kleineren Version an, weil das einfach Vorteile hat, da muss man schon schlagkräftige Argumente haben. "

    Alle Frauen sind in Deutschland aufgewachsen, haben hier Betriebswirtschaftslehre studiert. Sie sind vertraut mit beiden Kulturen - dass sie auch mit beiden arbeiten war für sie begehrtes Ziel, setzt aber auch viel Flexibilität voraus. Sagt Mehtap Atas Geschäfts-Partnerin Birnur Öztürk:

    " Deutsche haben viel mehr Bürokratie, da muss auch alles zum Beispiel schriftlich gemacht werden, dass die dann ihre Auftragsbestätigung haben, Lieferschein, alles drum und dran, und dass bei den türken einfach ein Anruf genügt und er sagt er möchte das jetzt haben und er bekommt das dann, ohne dass er das als Brief verfassen muss und mir das durchfaxen muss. "

    Spontaneität ist genau so wichtig wie ein gehöriges Maß an argumentativer Schlagkräftigkeit und: Selbstbewusstsein. Ungewöhnliche Eigenschaften für Türkinnen: so zitiert Mehtap Ata ein gängiges Klischee. Dem sie mit einem umso selbstbewussteren Auftreten zu begegnen sucht.

    "Wenn ich zurückhaltend bin und ruhig bin, werde ich automatisch in eine gewisse Schublade gesteckt, wie Türkinnen sind. Sie sind Hausfrauen, sie sind ruhig, machen das was ihre Männer wollen, die putzen zuhause oder gehen vielleicht mal putzen, irgendwo, auch um sich selbst zu behaupten und zu sagen: Moment ich geh nicht in die Schublade rein, ich bin anders "

    Dass in Duisburg nun ein Netzwerk türkischer Unternehmerinnen gegründet wird, begrüßen die Frauen. Hier können sie sich austauschen, sich weiterbilden, wichtige Infos bekommen - gerade wenn sie sich noch in der unsicheren Startphase befinden und viele Fragen haben:

    " Was sollten die ersten schritte sein? Wie bringe ich das meiner Familie bei, wie bringe ich das meinem Mann bei? Wenn die Frau Kinder hat: Wie kann ich das alles unter ein Dach bringen? Wie kann ich gefördert werden, wo kann ich Förderung erhalten? Da sind Frauen, die das gleiche durchgemacht haben oder durchmachen wie ich. "

    Der Grund, warum sich das Netzwerk nun bildet: Türkische Frauen sind in keiner Unternehmer-Organisation Mitglied, sie haben keine direkten Ansprechpartner für ihre Fragen - oftmals, weil sie nicht wissen, dass es sie gibt. Sagt die Beraterin der Stelle Zelihà Yetik:

    " Wenn es um Details geht, verweisen wir die Leute auf die vorhandenen Beratungsstellen, wie die IHK, wie die Wirtschaftsförderung, wie die Unternehmensberater, weil wir immer wieder die Erfahrung gemacht haben: Daran scheitert's einfach. Die Leute nehmen diese Infrastruktur nicht wahr. "

    Und das, obwohl in immer mehr Branchen türkisch-stämmige Fachkräfte Arbeit finden - ob als Selbstständige oder Angestellte.

    Ob Dönerbude oder Beratung - türkische Kunden lassen sich in der Regel lieber von ihren Landsleuten bedienen. Weil gleich ein Vertrauensverhältnis da sei, sagt die junge Türkin Pinar Öztürk beim Einkauf:

    " Es läuft nicht immer alles glatt, es ist auch nicht immer alles professionell, das muss man auch zugeben, nur die sind sehr höflich und sehr freundlich, und das kommt alles von ganzem Herzen. Und daher können sie auch ein Auge zudrücken, wenn die einen Fehler machen. Mit gegenseitigem Lächeln kann man das auch beiseite legen. "