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Jungbrunnen für Hautzellen

Medizin. - Menschliche embryonale Stammzellen gelten als Hoffnungsträger bei der Heilung schwerer Krankheiten, doch sie sind auch ethisch höchst umstritten. Viel eleganter wäre ein Weg, der erst vor kurzem offenbar gelang: die Verjüngung von Körperzellen in den Stammzellzustand. Doch seit den Skandalen auf diesem Forschungsgebiet gibt sich die Wissenschaftsgemeinde skeptisch, so auch auf einem Treffen der Stammzellspezialisten im australischen Cairns. Der Wissenschaftsjournalist Volkart Wildermuth erläutert den Stand im Gespräch mit Gerd Pasch.

18.06.2007
    Gerd Pasch: Volkart Wildermuth, wie ist die neue Methode denn aufgenommen worden?

    Volkart Wildermuth: Mit einem gewissen Maß an Erleichterung muss man sagen. Seit Korea mit dem Klonen von menschlichen embryonalen Stammzellen für Furore gesorgt hat und sich das alles später als Ente herausstellte, sind die Forscher vorsichtiger. Aber dieser Ansatz, künstlich vier Gene in eine Hautzelle einzubringen und damit ohne den Verbrauch von Eizellen und ohne die Erzeugung eines Embryos den Zeiger ihrer Lebensuhr quasi wieder auf Null zu stellen, der wurde ja vor einem Jahr zum ersten Mal vorgestellt. Jetzt konnten gleich mehrere Arbeitsgruppen das Ergebnis bestätigen und damit scheint festzustehen, das geht tatsächlich, daher die Erleichterung.

    Pasch: Welche Bedeutung könnte das Verfahren denn jetzt bekommen?

    Wildermuth: In der Forschung wird es sicher sehr wichtig werden und das aus ganz praktischen Gründen. Viele Forscher wollen Zellen von Patienten klonen, um ihre Krankheiten untersuchen zu können. Die Harvard Universität hatte dafür zum Beispiel eine Genehmigung. Allein die Experimente konnten nicht beginnen. Für das Forschungsklonen werden viele menschliche Eizellen benötigt. Es fanden sich aber keine Frauen dazu bereit, ihre Eizellen für die Wissenschaft zu spenden. Es sind also nicht nur ethische, sondern auch ganz praktische Gründe, die Forscher dazu bewegen, sich nach Alternativen umzusehen. Die Genmanipulation bietet nun die Möglichkeit, Patientenzellen ohne die Hilfe von Eizellen zu verjüngen. Kein Wunder, dass in Cairns viele Forscher genaueres über diese Thema erfahren wollten.

    Pasch: Das war jetzt das Feld der Forschung. Kann man diese ethisch unbedenklichen embryonalen Stammzellen denn theoretisch auch in der Therapie einsetzen?

    Wildermuth: Was therapeutische Ansätze betrifft, wurde da in Cairns erst einmal zur Vorsicht gemahnt. Eines der vier Jungbrunnen-Gene ist ein Krebs-Gen, mit ihm zu spielen ist also gefährlich, und tatsächlich haben einige der ersten Mäuse, die aus diesen embryonalen Stammzellen entstanden, inzwischen Tumoren entwickelt. Entscheidend ist aber, dass die Forscher jetzt Faktoren für diese Zellverjüngung in der Hand haben und untersuchen können. Sie hoffen, die bisweilen magisch anmutenden Rezepturen der Zellumwandlung durch klare chemische Regeln zu ersetzen. Und mit denen lassen sich dann vielleicht in Zukunft auch ohne Gentransfer ethisch unbedenkliche embryonale Stammzellen erzeugen.

    Pasch: Wie sieht es überhaupt aus, bewegt sich die embryonale Stammzellforschung langsam in Richtung praktischer Anwendungen?

    Wildermuth: Bislang wird das Feld der embryonalen Stammzellen von Versprechungen dominiert. So kündigt die Firma Geron schon lange Studien an Patienten mit Rückenmarkverletzungen an. In Cairns berichteten australischen Patienten, dass Geron sie gefragt hat, ob sie an eine Studie zur Querschnittslähmung Studie teilnehmen würden. Es sieht also so aus, als ob dieses Projekt endlich aus den Starlöchern käme. Das ist auch bitter nötig, denn es hat sich quasi ein Stammzelltourismus entwickelt. Wenn die Wissenschaft und Medizin der ersten Welt diese Therapien zwar hochjubelt, sie aber nicht anbieten, dann machen sich verzweifelte Patienten auf den Weg nach China oder Indien, und begeben sich in die Hände von eher zweifelhaften Ärzten, die sie angeblich mit embryonalen Stammzellen behandeln.

    Pasch: Spielte die Ethik denn in Cairns eine Rolle?

    Wildermuth: Es gab eine eigene Sitzung, auf der Ethiker und Juristen aus unterschiedlichen Nationen den Stand der jeweiligen Diskussion zusammenfassten. In Australien ist seit wenigen Tagen das Forschungsklonen erlaubt. In Großbritannien wird wohl schon bald ein Parlamentsausschuss die Erzeugung von Chimären ermöglichen. Dabei sollen für das Forschungsklonen statt der knappen Eizellen von Frauen solche von Hasen oder Kühen verwendet werden. In den USA wollen Senat und Repräsentantenhaus die Forschung an embryonalen Stammzellen erleichtern, allerdings wird wohl Präsident George Bush sein Veto einlegen. Insgesamt geht der Trend also zu liberaleren Regelungen. Für die Forscher allerdings wird es langsam schwer, abzuschätzen, welche Stammzellline nun welchen Ansprüchen genügt. Hier soll in Zukunft eine internationale Datenbank für Klarheit sorgen. Für deutsche Forscher sind die Gesetze aber ebenso restriktiv wie klar. Solange sich die Gesetze nicht ändern, werden sie mit den meisten neuen Linien nicht arbeiten können.