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Jungbrunnen für Mäuse

Entwicklungsbiologie. - Vor etwa sieben Jahren haben Stammzellenforscher aus Japan reife Körperzellen verjüngt, so dass aus ihnen embryonale Stammzellen wurden - eine nobelpreiswürdige Entwicklung. "Reprogrammierung" nennen das die Fachleute. Spanische Forscher haben das gleiche nun in lebenden Organismen geschafft. In lebenden Mäusen haben sie reife Körperzellen verjüngt. Das könnte der Medizin neue Möglichkeiten eröffnen.

Von Michael Lange | 12.09.2013
    Die Entwicklung einer Zelle im Körper verläuft in der Natur stets in die gleiche Richtung: Vom Alleskönner zum Spezialisten. Im Labor lässt sich diese Entwicklung umdrehen. Aus reifen Haut- oder Muskelzellen werden auf Kommando in einer Zellkultur so genannte IPS-Zellen: Induzierte pluripotente Stammzellen, mit ähnlichen Eigenschaften wie embryonale Stammzellen. Ein spanisches Forscherteam um Manuel Serrano vom nationalen Krebsforschungszentrum in Madrid hat die "Reprogrammierung" nun aus dem Labor in eine lebende Maus verlegt.

    "Das war eine Überraschung. Denn im Labor haben wir kontrollierte Bedingungen, unter denen wir die Zellen genau dirigieren können. Wir haben nun gezeigt: Die gleichen vier genetischen Faktoren, die die Zellen im Labor verjüngen, funktionieren auch in lebenden Mäusen."

    Dazu haben Manuel Serrano und seine Mitarbeiter die Labormäuse genetisch verändert. Die gleichen vier genetischen Faktoren, die im Labor Zellen verjüngen, befanden sich nun im Innern der Mäusezellen. Die Forscher konnten diese Gene von außen gezielt einschalten und so die Verjüngung der reifen Zellen starten. Die Zellen, die dann im Innern der Mäuse in verschiedenen Organen entstanden, waren nicht nur ebenso vielseitig wie reprogrammierte Zellen aus dem Labor. Sie waren sogar wandlungsfähiger, erklärt die Wissenschaftlerin Maria Abad vom spanischen Krebsforschungszentrum.

    "Wir haben festgestellt, dass die reprogrammierten Zellen im Körper der Mäuse weitgehend embryonalen Stammzellen entsprachen. Die Reprogrammierung im Mauskörper ist sogar besser als im Labor. Die Zellen im Innern der Maus sind noch embryonaler."

    Allerdings wurden durch diese vielseitigen Zellen keine kranken Mäuse geheilt. Im Gegenteil. Im Innern der Mäuse wuchsen sogenannte Teratome. Das sind embryonale Tumore, in denen Zellen zu unterschiedlichen Gewebetypen heranwachsen. Um die Methode in der Medizin anzuwenden, müssen die Forscher sie weiter entwickeln. Sie müssen lernen, die Zellen nicht nur zu verjüngen, sondern von außen zu dirigieren. Wenn das gelingt, wäre eine Transplantation von Stammzellen oder von Gewebe, das aus Stammzellen hervorgegangen ist, überflüssig. Die körpereigenen Zellen könnten im Körper zu Stammzellen werden und auf Kommando das Herz, die Leber oder andere Organe reparieren. Nicht nur in Mäusen, sondern in menschlichen Patienten. Das erhofft der Stammzellenspezialist George Daley. Er forscht an der Harvard Medical School und am Kinderkrankenhaus Boston.

    "Das Ziel ist der Einsatz in der regenerativen Medizin. Dazu müssen wir die Entwicklung der Zellen im Körper gezielt steuern, so dass keine Tumoren entstehen, sondern genau die Körpergewebe, die ein Patient braucht. Aus kranken Zellen werden dann im Körper vielseitige Stammzellen, und daraus entstehen auf Wunsch Herzmuskelzellen, Leberzellen oder Blutzellen."

    Noch ist das eine Vision. Die Forschungsergebnisse aus Spanien sind nur ein Anfang. Bis zur Anwendung der Methode in der Medizin werden voraussichtlich nicht nur Jahre vergehen, sondern Jahrzehnte.