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Junge Wähler in Spanien
Politik ist in - Rajoy out

Die regierende konservative Volkspartei von Ministerpräsident Mariano Rajoy könnte bei den spanischen Parlamentswahlen am Sonntag eine herbe Schlappe einfahren. Die Protest-Bewegung Podemos, die sich für ein Ende der Sparpolitik einsetzt und die wirtschaftsfreundliche Partei "Die Bürger" werden ihr wohl Stimmen abnehmen. Vor allem junge Spanier wünschen sich einen Neuanfang.

Von Hans-Günter Kellner | 18.12.2015
    Spaniens Premierminister und Spitzenkandidat der konservativen Volkspartei Mariano Rajoy bei einer Wahlkampfveranstaltung in La Coruna.
    Spaniens Premierminister und Spitzenkandidat der konservativen Volkspartei Mariano Rajoy bei einer Wahlkampfveranstaltung in La Coruna. (picture alliance / dpa / EFE)
    Die Madrider Szenekneipe "Manuela" mitten im Ausgehviertel Malasaña ist überfüllt. Immer mehr junge Leute im Alter zwischen 25 und Ende 30 müssen auf der Straße bleiben. Auf Zehenspitzen blicken sie mit langen Hälsen ins Lokal, so auch Lola:
    "Das hier sind Gesprächsrunden, die ein paar Politologen organisieren, die sehr bekannt sind aus den sozialen Netzwerken. Es geht wohl darum, die Wahlprogramme der Parteien zu analysieren. Viele lesen die Programme ja gar nicht, so kommen sie hierher, um sich klarer darüber zu werden, für wen sie stimmen könnten."
    "Politik und Bier" heißen die Diskussionsrunden, zu der das spanische Kollektiv "Politikon" mit so großem Erfolg einlädt. Junge Akademiker hatten das Netzwerk 2010 gegründet, um ihre Analysen aus den Universitäten heraus, in die Städte hineinzutragen. Manche ihrer Gründer sind inzwischen regelrechte Stars in den spanischen Talkrunden geworden, so auch Politologe Pablo Simón.
    Viele Studenten und Auszubildende engagieren sich in den Parteien
    "Die Umfragedaten zeigen ganz eindeutig, dass das politische Interesse bei jungen Menschen zunimmt und dass auch ihre Wahlbeteiligung steigt. Allerdings zeichnet sich auch eine seltsam politische Abkapselung der Generationen ab. Die Volkspartei ist nur unter den Über-65-Jährigen stärkste Kraft. Würde man diese Stimmen aber weglassen, wäre sie nur noch viertstärkste Kraft. Podemos und die neue Partei Die Bürger sind die stärksten Kräfte bei den bis 45-Jährigen und wer zwischen 45 und 60 Jahre alt ist, wählt die Sozialisten."
    Viele Studenten und Auszubildende engagieren sich auch in den Parteien, die meisten davon bei den beiden neuen Formationen. Noemí Otero verteilt in Segovia für die neue Partei "Die Bürger" Wahlkampfmaterial auf der Straße, sie organisiert zudem den Terminkalender für den örtlichen Kandidaten.
    "Wir, die Jungen, merken, dass wir die Politik nicht in den Händen dieser Herren belassen können. Wir müssen selbst etwas tun. Viele können heute nicht mehr studieren, weil das so teuer geworden ist, finden keine Arbeit, müssen ins Ausland. Da sagen sich viele, daran müssen wir etwas ändern, alle zusammen. Die neuen Parteien öffnen die Politik für die Jungen."
    So auch Podemos. Sie ist die Partei der Empörten oder der Studenten aus dem Kollektiv "Jugend ohne Zukunft". Viele von ihnen arbeiten inzwischen für die Partei, in der Pressestelle, bei der Betreuung der sozialen Netzwerke, in der Organisation des Wahlkampfs. Pablo Padilla ist inzwischen sogar schon Abgeordneter. Der 27-Jährige vertritt Podemos im Regionalparlament von Madrid.
    Mit Podemos sind die spanischen Sozialisten unter Druck geraten
    "Ich habe vor der Parlamentsarbeit nur zwei Monate lang für Podemos gegen Geld gearbeitet. Ansonsten habe ich meine politische Arbeit immer mit Jobs beim Aufbauen von Konzertbühnen finanziert. Die Gefahr ist also nicht sehr groß, dass hier jemand eine Karriereleiter sieht. Ich finde es aber auch nicht schlecht, wenn Politik bezahlt wird, wenn jemand, der viele Stunden seines Lebens für den politischen Wandel in diesem Land einsetzt, das nicht mit einem 400-Euro-Job in Einklang bringen muss."
    Mit Podemos sind die spanischen Sozialisten unter Druck geraten, doch in den letzten Umfragen haben sich die Werte für die 130 Jahre alte sozialdemokratische Partei Spaniens auch bei jungen Menschen verbessert. Kaum eine Chance haben hingegen junge Konservative in Spanien. Die 18-jährige Paula betreut im Wahlkampf die sozialen Netzwerke der Volkspartei. Sonst studiert sie Kunst – wobei wenige ihrer Kommilitoninnen ihre konservativen Wertvorstellungen teilen. Wobei es ihr gar nicht so wichtig ist, dass alle einer Meinung sind:
    "Ich sage meinen Freunden immer: Tretet in eine Partei ein. Mir ist ganz egal in welche. Aber wir, die Jungen, sollten alle in einer Partei sein und Politik machen. Wir müssen die Dinge verändern. Das macht man nicht, wenn man auf der Straße rumbrüllt, das geht nur von innen. Von jeder Partei aus."
    Wahlentscheidend werden die jungen Spanier allerdings dennoch nicht sein. Denn sie sind die kleinste Altersgruppe.