Freitag, 19. April 2024

Archiv


Juso-Chefin Drohsel gegen Ausgrenzungsstrategie zur Linken

Die Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel hält eine Zusammenarbeit der SPD mit der Linken auch auf der Bundesebene für möglich. Man sollte eine Kooperation nicht "auf Gedeih und Verderb" ausschließen, sagte sie. Gemeinsamkeiten mit der Linken sehe sie unter anderem in der Sozialpolitik.

Moderation: Elke Durak | 14.03.2008
    Elke Durak: Fünf Jahre ist sie alt, die Agenda 2010. Was ist seitdem alles passiert? Eine Regierung ist gestolpert, das Land ist wirtschaftlich etwas vorangekommen, manche meinen auch durch die Agenda. Die SPD hat sich verändert und leidet jetzt unter den Linken, die, so die Kritiker der Agenda, erst durch dieselbe im Westen möglich wurde. Also, die Gesellschaft spaltet sich immer mehr. Auch dies wird der Agenda zugeschoben.

    Franziska Drohsel ist SPD-Mitglied und Bundesvorsitzende der Jungsozialisten, nun am Telefon. Guten Morgen, Frau Drohsel!

    Franziska Drohsel: Guten Morgen!

    Durak: Ist die Agenda 2010 schlecht gemacht, schlecht kommuniziert oder beides oder gar nichts von beiden

    Drohsel: Ich glaube, eine Kommunikationsfrage war es nicht. Wir als Jusos waren damals schon der Meinung, dass die Agenda 2010 ja in Sachen soziale Gerechtigkeit in dem Sinne keine klassische sozialdemokratische Politik ist. Wir fanden die an vielen Punkten sozial ungerecht und haben sie damals auch stark kritisiert. Von daher wäre das eine inhaltliche Kritik.

    Durak: Das heißt, Sie stehen heute eher den Agenda-Veränderern näher als den Agenda-Bewahrern?

    Drohsel: Ja, wenn man das jetzt immer so in Schemata passen möchte, dann ist es auf jeden Fall so, dass wir uns schon wünschen würden, dass man über weite Teile der Agenda 2010 auch noch mal kritisch diskutiert.

    Durak: Noch mehr, als es der Bundesvorsitzende Kurt Beck ohnehin schon getan?

    Drohsel: Ja, wir hatten ja eine Diskussion lediglich über die Frage der ALG-I-Auszahlung, wie lange die ausgezahlt wird, das ALG I noch. Wir würden uns zum Beispiel schon wünschen, dass man auch über die Verschärfung der Zumutbarkeitskriterien und auch über das Prinzip "Fordern und Fördern" in eine kritische Diskussion eintritt.

    Durak: Das heißt, da möchten Sie unbedingt Nachbesserungen erreichen?

    Drohsel: Ja, da muss man, glaube ich, einfach prüfen, ob die Politik, die man damals gemacht hat, gut gewesen ist in dem Sinne, sage ich mal, dem Großteil der Menschen was gebracht hat oder nicht. Oder da würde ich schon ganz klar sagen, das Prinzip "Fordern und Fördern" hat da eben nicht funktioniert. Die Förderpolitik funktioniert oftmals nicht. Es führt eher zur Demoralisierung der Betroffenen, und im Bereich des Forderns müssen wir einfach sagen, dass die Verschärfung der Sanktionen und auch, würde ich sagen, der Repressionen gegenüber Arbeitslose, ja, sage ich mal, lediglich Druck auf die Betroffenen ausübt, aber nicht dazu beiträgt, dass man Arbeitsplätze schafft. Und von daher finde ich schon, dass man das kritisch überdenken muss.

    Durak: Eines hat die Agenda auch gebracht. Es gibt mehr Minijobs und andere geringfügige Beschäftigungen, die Zahl hat sehr zugenommen. Eine Folge aber wird sein, dass es mehr Altersarmut später geben wird. Und die müssen Sie bezahlen, Frau Drohsel, und Ihre Altersgenossen.

    Drohsel: Ja, ich bin auf jeden Fall auch der Meinung, dass man darüber diskutieren muss, wie man eben armutsfeste Rente implementieren kann, wie man es eben organisieren kann, dass im Alter nicht so viele Leute unter Armut leben müssen. Es ist auf jeden Fall auch eines der ganz zentralen Probleme.

    Durak: Und haben Sie Vorschläge, wie das geschehen kann?

    Drohsel: Na ja, man kann ja zum einen darüber nachdenken, sage ich mal, das, was man praktisch an faktischer Mindestrente bekommt, dass man das erhöht, und dann kann man natürlich auch gerade darüber nachdenken, dass die Menschen, die besonders von Armut betroffen sind, also beispielsweise Frauen, die längere Zeit ausgesetzt haben, um Kinder zu erziehen, dass man bei denen überlegt, wie man das halt besser anrechnen kann.

    Durak: Da wäre doch Bundesfinanzminister Steinbrück für Sie auch ein kompetenter Partner, auch SPD-Mitglied. Glauben Sie, er wird Ihnen folgen?

    Drohsel: Ja, Peer Steinbrück bringt sich ja auch rege in die Diskussion ein, da muss man eben miteinander diskutieren. Das Thema armutsfeste Rente ist auf jeden Fall das, was wir ja auch sozusagen in Hamburg diskutiert haben. Ich hoffe schon, dass wir in der SPD auf eine einheitliche Position kommen.

    Durak: Welchen Einfluss haben denn die Jungsozialisten innerhalb der SPD?

    Drohsel: Wir sind sozusagen der Jugendverband der SPD, können sozusagen damit auch die Interessen der jungen Menschen gerade einbringen. Von daher, würde ich sagen, spielen wir in der Auseinandersetzung schon eine Rolle.

    Durak: Sie können sagen, aber erreichen?

    Drohsel: Ja, natürlich, um, sage ich mal, Positionen in der Partei durchzusetzen, da müssen wir uns Bündnispartner suchen, sage ich mal, da wir in der Partei ja schon links stehen, sucht man dann natürlich insbesondere Bündnispartner auch auf der Parteilinken. Aber ansonsten ist es natürlich so, dass wir gerade versuchen, unsere kritische Stimme, die wir ja oft auch, weil eben ja auch oft Kritik am Kurs der SPD haben eben geltend zu machen und öffentlich und intern zu äußern.

    Durak: Sie sehen sich selber als Jungsozialisten und auch Sie als Frau Drohsel als links in der SPD, haben ja auch Kontakte zur Partei "Die Linken". Nun hat Ihr Bundesvorsitzender heute erneut eine Zusammenarbeit mit den Linken bis weit über 2009 ausgeschlossen. Das kann man heute noch mal in der "Süddeutschen Zeitung" nachlesen. Finden Sie das richtig?

    Drohsel: Ich finde zum einen erst mal gut, dass wir, sage ich mal, den dogmatischen Umgang mit der Linkspartei aufgegeben haben und fortan, sage ich mal, an inhaltlichen Kriterien uns orientieren wollen, ob es mit der Partei eine Zusammenarbeit geben kann oder nicht. Deswegen ist es ja auch den Landesverbänden freigestellt. Auf Bundesebene muss man tatsächlich es eben auch an inhaltlichen Punkten festmachen. Da ist es natürlich so, dass die Mehrheit in der Partei derzeit der Auffassung ist, dass es unüberbrückbare inhaltliche Gegensätze zur Linkspartei gibt. Wir als Jusos haben da eher eine andere inhaltliche Einschätzung, weil wir eher, glaube ich, mehr Schnittmengen mit der Linkspartei sehen. Von daher würden wir jetzt einen Ausschluss einer Zusammenarbeit auf Gedeih und Verderb jetzt nicht ausschließen. Ich glaube, wenn man jetzt die inhaltliche Diskussion einläuten möchte, dann ist es nicht gut, die wieder mit einem Dogma zu beginnen.

    Durak: Und wir sprechen über die Bundesebene?

    Drohsel: Ja, ich spreche auch über die Bundesebene. Ich bin der Meinung, man sollte den Fokus jetzt auf eine inhaltliche Auseinandersetzung legen und nicht wieder darüber diskutieren, mit wem man wie die Zusammenarbeit ausschließt.

    Durak: Welche Schnittmengen sehen Sie denn auf Bundesebene und welche auf keinen Fall?

    Drohsel: Ich sehe auf jeden Fall im ganzen Bereich Mindestlohn, wie man sozusagen Arbeitsbeziehungen gestaltet, aber auch im Bereich Sozialpolitik, da sehe ich durchaus Gemeinsamkeiten. In der Außenpolitik, muss man sagen, ist die Beschlusslage unserer Partei und die der Linkspartei, stehen sich doch sehr konträr gegenüber, glaube ich, muss man schon so sehen. Und insgesamt ist es in der Linkspartei so, dass ich oftmals den Eindruck habe, dass da sehr rückwärts gewandt diskutiert wird, wenn jemand einfach sagt, bestimmte Reformen müssen rückgängig gemacht werden und der Sozialstaat der 70er Jahre wieder hergestellt werden. Und ich denke schon, dass man zur Kenntnis nehmen muss, dass es zu Entwicklungen wie Globalisierung oder auch prekäre Arbeitsverhältnisse geben muss, die neue Antworten erfordern, wie eben Europa oder auch so was wie das Konzept der Arbeitsversicherung, was wir jetzt in der SPD ja diskutieren.

    Durak: Alles in allem, Frau Drohsel, hat die Agenda 2010 die SPD nach links gerückt?

    Drohsel: Die Agenda 2010?

    Durak: Hmm.

    Drohsel: Die Agenda 2010 war erst mal, würde ich sagen, würde ich jetzt zumindest nicht dem Begriff linke Politik in Gänze zuordnen. Aber was auf jeden Fall stattgefunden hat, dass die SPD danach ja auch eine Diskussion begonnen hat. Und angesichts der Tatsache, dass die soziale Polarisierung in Deutschland zugenommen hat, wurde das ja auch in der SPD diskutiert und dementsprechend politisch darauf reagiert, indem man die Politik wieder stärker auf soziale Gerechtigkeit einstellt und auf die Frage, wie man Armut bekämpfen kann.

    Durak: Die Zukunft der SPD liegt auch bei den Jungsozialisten. Mit deren Bundesvorsitzender Franziska Drohsel habe ich gesprochen. Dankeschön, Frau Drohsel, und einen schönen Tag.

    Drohsel: Ja, gleichfalls.